Eigentlich hatte Joaquin Almunia schon im zurückliegenden Sommer das Beihilfeverfahren gegen die geltenden Ausnahmeregelungen beim Ausbau des Ökostroms in Deutschland starten wollen. Doch aus Rücksicht vor dem deutschen Wahlkampf zog der streitbare EU-Wettbewerbskommissar zunächst zurück. Bis heute:
"Der Hauptaugenmerk unserer Untersuchung gegenüber Deutschland betrifft die Ausnahmen für die energieintensiven Unternehmen von der Umlage, mit der die erneuerbaren Energien finanziert werden. Wir haben mehrere Klagen von Verbrauchern und Wettbewerbern darüber bekommen, und immer, wenn die Kommission Beschwerden erhält, müssen wir uns damit befassen."
Brüssel geht davon aus, dass die milliardenschweren Nachlässe für die stromintensiven Unternehmen gegen die Grundprinzipien des fairen Wettbewerbs in Europa verstoßen. Immerhin sind von dieser Ausnahmeregelung allein in diesem Jahr 1700 Unternehmen betroffen, im kommenden Jahr sollen noch einmal 1000 Betriebe dazu kommen. Sie sind von der Umlage zur Finanzierung der erneuerbaren Energien freigestellt, um mögliche Wettbewerbsnachteile gegenüber ausländischen Konkurrenten zu verhindern.
Nach Ansicht der Kommission aber zählt das Erneuerbare-Energien-Gesetz inzwischen als staatliche Beihilfe, weil die gewährten Rabatte für manche Unternehmen aus staatlichen Mitteln finanziert werden, so zumindest die Grundannahme in Brüssel. Damit wiederum begründet die Kommission ihre Zuständigkeit – und staatliche Subventionen sind genehmigungspflichtig. Die Bundesregierung hatte dagegen stets bestritten, dass es sich beim EEG um eine staatliche Beihilfe handelt.
Doch davon unbeeindruckt will Almunia jetzt die Situation in Deutschland unter die Lupe nehmen. Wobei eben nicht das gesamte EEG in Frage gestellt wird. Vielmehr werde man sich genau anschauen, ob die Rabatte für die energieintensiven Betriebe gerechtfertigt, verhältnismäßig und wettbewerbskonform sowohl in Deutschland als auch in der EU seien, betonte der Spanier:
Vom Ausgang dieser Überprüfung leiten sich auch die Konsequenzen ab. Die Kommission hat dabei mehrere Möglichkeiten. Sie kann das Verfahren einstellen, weil die gewährten staatlichen Beihilfen vertragskonform sind. Sie kann aber auch Auflagen oder Bedingungen aussprechen oder aber, sicherlich die schärfste Waffe: Die Beihilfen müssen gestrichen und gewährte Subventionen zurückbezahlt werden. Genau das fürchten natürlich die betroffenen Branchen in Deutschland – geht es doch allein in diesem Jahr um rund vier Milliarden Euro.
Wie lange das Beihilfeverfahren nun dauern wird, ist offen. Es könnte sich aber mehrere Jahre hinziehen. Zumal auch eine Entscheidung vor Gericht nicht auszuschließen ist, denn Deutschland könnte den Kommissionsbeschluss auch vor dem Europäischen Gerichtshof anfechten.
Hören Sie zum Thema gegen 6.50 Uhr im Deutschlandfunk ein Interview mit EU-Energiekommissar Günther Oettinger.