Ein kurzer Funkspruch. Dann setzt sich langsam der meterhohe zangenförmige Trennschalter in Bewegung. Ein greller Lichtbogen leuchtet auf, die Pole des Trennschalters entfernen sich immer weiter voneinander – bis die Distanz so groß ist, dass die Entladung abbricht.
"Also das Umspannwerk hier in Conneforde ist eine unserer zentralen Verteilerstationen, kann man sagen. Gerade im nordwestdeutschen Raum sammeln wir die Energie, die gerade an der Küste erzeugt wird – onshore-Wind aber auch offshore-Wind – ein, sammeln es hier und verteilen es dann von hier aus weiter im Wesentlichen in Richtung Süden und können eben die Leistung so steuern, wie wir sie benötigen", erläutert TenneT-Geschäftsführer Tim Meyerjürgens.
"Also das Umspannwerk hier in Conneforde ist eine unserer zentralen Verteilerstationen, kann man sagen. Gerade im nordwestdeutschen Raum sammeln wir die Energie, die gerade an der Küste erzeugt wird – onshore-Wind aber auch offshore-Wind – ein, sammeln es hier und verteilen es dann von hier aus weiter im Wesentlichen in Richtung Süden und können eben die Leistung so steuern, wie wir sie benötigen", erläutert TenneT-Geschäftsführer Tim Meyerjürgens.
Das niederländische Unternehmen ist mit seiner deutschen Tochter als Netzbetreiber für rund 13.000 Kilometer Stromleitungen in Deutschland verantwortlich – selbst Strom erzeugen darf es nicht. Die Schaltvorgänge in dem Umspannwerk südlich von Wilhelmshaven sind für Tim Meyerjürgens so etwas wie der Pulsschlag der Energiewende. Aktuell liegt laut Umweltbundesamt der Anteil der erneuerbaren Energien am deutschen Bruttostromverbrauch bei rund 42 Prozent – bis 2030 soll er auf 65 Prozent steigen.
"Rückgrat der Energiewende"
"Der Netzausbau ist wirklich das Rückgrat dieser Energiewende, und beim Netzausbau haben wir eben große Leitungen, um die Energie von A nach B zu transportieren, und wir haben die Umspannwerke, wo wir die Leistung dann eben entsprechend verteilen können, räumlich verteilen können, und auch die Umspannung machen auf die unterlagerten Netzebenen, um dann die Energie zu den Kunden zu bringen."
2019 leistete Windenergie den größten Beitrag zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Der Großteil dieses Windstroms wird in Norddeutschland erzeugt – Energie, die in den großen Wirtschaftszentren im Süden und Westen der Republik dringend benötigt wird. Dafür sollen 3 Stromautobahnen entstehen: Der sogenannte Korridor A von Emden über Nordrhein-Westfalen bis nach Baden-Württemberg.
2019 leistete Windenergie den größten Beitrag zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Der Großteil dieses Windstroms wird in Norddeutschland erzeugt – Energie, die in den großen Wirtschaftszentren im Süden und Westen der Republik dringend benötigt wird. Dafür sollen 3 Stromautobahnen entstehen: Der sogenannte Korridor A von Emden über Nordrhein-Westfalen bis nach Baden-Württemberg.
Der SuedLink, der auf zwei Trassen von Schleswig-Holstein über Niedersachsen, Hessen und Thüringen nach Bayern beziehungsweise Baden-Württemberg führen soll, und der SuedOstLink von Sachsen-Anhalt nach Bayern. Am SuedLink und am SuedOstLink ist TenneT federführend beteiligt, beide Projekte sollen 2026 in Betrieb gehen. Der Start 2013 sei etwas holprig gewesen, aber:
"Da sind wir jetzt in den Genehmigungsverfahren, wir sind mit der Raumordnung gut vorangeschritten und bereiten jetzt für die einzelnen Abschnitte die Planfeststellung und den Bau vor. Wir haben gerade für beide großen Projekte die Kabel bestellt, die gehen jetzt in die Fertigung, und wir schreiten mit den Genehmigungsverfahren voran, dass in dem Moment, wo wir die Genehmigung haben, der Bau dann auch sofort beginnen kann."
"Da sind wir jetzt in den Genehmigungsverfahren, wir sind mit der Raumordnung gut vorangeschritten und bereiten jetzt für die einzelnen Abschnitte die Planfeststellung und den Bau vor. Wir haben gerade für beide großen Projekte die Kabel bestellt, die gehen jetzt in die Fertigung, und wir schreiten mit den Genehmigungsverfahren voran, dass in dem Moment, wo wir die Genehmigung haben, der Bau dann auch sofort beginnen kann."
Das Bundesbedarfsplangesetz listet aktuell 43 Einzelvorhaben mit zusammen 5.800 Kilometern Trassenlänge auf. Davon sind bisher knapp 800 Kilometer genehmigt, im Bau oder bereits fertig, also etwa 14 Prozent. Nach Protesten gegen die weithin sichtbaren Freileitungen wurde Ende 2015 im Bundesbedarfsplangesetz vorrangig das Prinzip "Erdkabel statt Freileitung" für die Stromautobahnen verankert. Trotzdem regt sich überall entlang der geplanten Trassenverläufe weiter Widerstand – auch in Bayern, wo der SuedOstLink durch Oberfranken verlaufen soll. Dort, im Dorf Brand bei Marktredwitz, kämpft seit Jahren Hedi Weigel gegen die neue "Monstertrasse", wie die frühere Schulamts-Angestellte das Projekt nennt.
"Also ich leb‘ seit meiner Geburt im Ort, in Brand. Ich kenne hier jeden Stein, ich kenn‘ jeden Baum auswendig. TenneT ist immer überrascht, wenn ich dann meine Erkenntnisse zum Besten gebe. Aber das mach‘ ich natürlich, weil ich bin Insider." Die Insiderin Weigel hat sich gerade erst wieder mit dem Netzbetreiber TenneT angelegt. Im Internet. Bei einer Online-Technik-Anhörung vor wenigen Tagen.
"Also ich leb‘ seit meiner Geburt im Ort, in Brand. Ich kenne hier jeden Stein, ich kenn‘ jeden Baum auswendig. TenneT ist immer überrascht, wenn ich dann meine Erkenntnisse zum Besten gebe. Aber das mach‘ ich natürlich, weil ich bin Insider." Die Insiderin Weigel hat sich gerade erst wieder mit dem Netzbetreiber TenneT angelegt. Im Internet. Bei einer Online-Technik-Anhörung vor wenigen Tagen.
Nach Protesten unterirdische Trassenführung
"Insgesamt waren 216 Teilnehmer angemeldet. Es ist möglich, sich durch Handzeichen bemerkbar zu machen. Man kann auch Fragen stellen, die auch beantwortet werden. Wir hatten zwar am Anfang Probleme damit, wir haben auch Einspruch erhoben gegen Online-Konferenzen."
Die Stromtrasse "SuedOstLink" soll in Zukunft wenige hundert Meter entfernt am Dorf Brand vorbeilaufen. Unterirdisch, das haben die Proteste bewirkt. Doch Hedi Weigel ist dagegen. Denn der Trassenverlauf durchschneide eine Quelle.
"Was ganz bitter ist und was wirklich ganz schlimm ist. Der Ortsteil wird nur durch dieses Quellwasser da oben versorgt. TenneT ist zwar ein Stück abgerückt, aber eine Quelle ist eine Quelle und die kann nicht weggegraben werden. Der Ortsteil Glashütte braucht dieses Quellgebiet."
Die Anti-Trassen-Aktivistin kann selbst allerdings konkret wenig ausrichten. Sie hofft, dass die Bauern Widerstand leisten, denen die Grundstücke im Trassenverlauf gehören. Während der Online-Anhörung hatten Weigel und auch ihre Mitstreiterin Irene Fickentscher mit Bedauern festgestellt, "dass kein einziger Landwirt sich eingeloggt hatte. Ich denke, dass viele Menschen wirklich überfordert sind, dieses System wahrzunehmen."
Die Stromtrasse "SuedOstLink" soll in Zukunft wenige hundert Meter entfernt am Dorf Brand vorbeilaufen. Unterirdisch, das haben die Proteste bewirkt. Doch Hedi Weigel ist dagegen. Denn der Trassenverlauf durchschneide eine Quelle.
"Was ganz bitter ist und was wirklich ganz schlimm ist. Der Ortsteil wird nur durch dieses Quellwasser da oben versorgt. TenneT ist zwar ein Stück abgerückt, aber eine Quelle ist eine Quelle und die kann nicht weggegraben werden. Der Ortsteil Glashütte braucht dieses Quellgebiet."
Die Anti-Trassen-Aktivistin kann selbst allerdings konkret wenig ausrichten. Sie hofft, dass die Bauern Widerstand leisten, denen die Grundstücke im Trassenverlauf gehören. Während der Online-Anhörung hatten Weigel und auch ihre Mitstreiterin Irene Fickentscher mit Bedauern festgestellt, "dass kein einziger Landwirt sich eingeloggt hatte. Ich denke, dass viele Menschen wirklich überfordert sind, dieses System wahrzunehmen."
Vielleicht ist manch ein Bauer aber auch nicht abgeneigt, die Entschädigung anzunehmen, die TenneT anbietet. Die Rede ist von 1,50 Euro pro Quadratmeter bei Erdverkabelung und rund 60 Euro bei Strommasten. Für das Sockelfundament eines mittelgroßen Mastes kommen da fast 20.000 Euro zusammen. Und wer gleicht unterschreibt, bekommt angeblich mehr. Landwirt Jörg Marth würde nie unterschreiben. Der 48-Jährige baut Getreide an. Den Südostlink – ob unter- oder oberirdisch – lehnt er ab.
"Aber was natürlich schon problematisch ist: wir haben ja einen sehr hohen prozentualen Anteil an Grundstückbesitzern, die nicht mehr praktizieren. Da ist es erfahrungsgemäß so: wenn es dann mal in die zweite Generation geht – also Kinder, Kindeskinder, Verwandte – da ist die Bereitschaft zum Verkauf dann deutlich größer."
Jörg Marth ist Sprecher der Bürger-Initiative "Seußen wehrt sich". Er kämpft gegen den geplanten SuedOstLink und den Ostbayernring, eine Freileitungs-Stromtrasse durch Oberfranken, Niederbayern und die Oberpfalz. Die Freileitungen zerstörten das Ortsbild, klagt Marth. Die Erdkabel lehnt er ab, weil sie seiner Meinung nach die Natur zerstören.
"In der Bauphase haben wir also nicht nur diesen Graben von 15 Meter Breite und drei Meter Tiefe. Sondern es muss auch eine voll belastbare Straße an der Seite gebaut werden, um das Baumaterial zufahren zu können. Also man muss da wissen: diese Leitungsrollen, die werden ja so groß gemacht wie es möglich ist, vom Gewicht her. Und so eine Leitungsrolle, die hat 25 Tonnen, das heißt also: das wird eine Straße, auf der mindestens ein 40-Tonnen-LKW fahren können muss."
Wenn das Stromkabel in der Erde verlegt ist, wird die Straße wieder abgebaut und der Graben zugeschüttet. Auf der Fläche darüber dürfen die Bauern flach wurzelnde Pflanzen wie Getreide oder Raps anbauen. Aber Jörg Marth fürchtet, dass sich der Boden dort, wo das Stromkabel in der Erde liegt, um mehrere Grad aufheizen könnte. Dass sich der Boden über Erdstromkabeln erwärmt, ist erwiesen. Umstritten ist, um wie viel Grad.
"Aber was natürlich schon problematisch ist: wir haben ja einen sehr hohen prozentualen Anteil an Grundstückbesitzern, die nicht mehr praktizieren. Da ist es erfahrungsgemäß so: wenn es dann mal in die zweite Generation geht – also Kinder, Kindeskinder, Verwandte – da ist die Bereitschaft zum Verkauf dann deutlich größer."
Jörg Marth ist Sprecher der Bürger-Initiative "Seußen wehrt sich". Er kämpft gegen den geplanten SuedOstLink und den Ostbayernring, eine Freileitungs-Stromtrasse durch Oberfranken, Niederbayern und die Oberpfalz. Die Freileitungen zerstörten das Ortsbild, klagt Marth. Die Erdkabel lehnt er ab, weil sie seiner Meinung nach die Natur zerstören.
"In der Bauphase haben wir also nicht nur diesen Graben von 15 Meter Breite und drei Meter Tiefe. Sondern es muss auch eine voll belastbare Straße an der Seite gebaut werden, um das Baumaterial zufahren zu können. Also man muss da wissen: diese Leitungsrollen, die werden ja so groß gemacht wie es möglich ist, vom Gewicht her. Und so eine Leitungsrolle, die hat 25 Tonnen, das heißt also: das wird eine Straße, auf der mindestens ein 40-Tonnen-LKW fahren können muss."
Wenn das Stromkabel in der Erde verlegt ist, wird die Straße wieder abgebaut und der Graben zugeschüttet. Auf der Fläche darüber dürfen die Bauern flach wurzelnde Pflanzen wie Getreide oder Raps anbauen. Aber Jörg Marth fürchtet, dass sich der Boden dort, wo das Stromkabel in der Erde liegt, um mehrere Grad aufheizen könnte. Dass sich der Boden über Erdstromkabeln erwärmt, ist erwiesen. Umstritten ist, um wie viel Grad.
"Im schlimmsten Fall haben wir dann wirklich einen 15 bis 20 Meter breiten Trockenstreifen quer durchs Land. Und das kann ja letztendlich nicht das Ziel von so einem Infrastruktur-Projekt sein, dass man da nachhaltig über Jahrzehnte die Flora und Fauna in der Art und Weise zerstört."
Proteste gegen Freileitungen, Widerstand gegen Erdkabel – TenneT-Geschäftsführer Tim Meyerjürgens betrachtet das ganz nüchtern-sachlich: "Letztendlich reden wir ja über Nutzungskonflikte, und ich verlagere halt nur den Protest von einer Gruppe, die sich mehr bisher auf das Landschaftsbild fokussiert hat, dann auf eine andere, gerade die Landeigentümer. Wenn ich mit einem Landwirt spreche, der sagt mir in der Regel, er möchte lieber einen Freileitungsmast auf seinem Feld haben – da kann er drum herum arbeiten – als eine Leitung im Boden, wo er nicht weiß, was sind das langfristig für Auswirkungen für ihn. Also – für uns ist das tägliches Geschäft, und wir waren daher auch nicht überrascht."
Zu diesem "täglichen Geschäft" gehört auch die Diskussion über Entschädigungszahlungen. Die Vermutung, TenneT wolle sich damit Akzeptanz für die Projekte erkaufen, sei aber falsch.
"Wir bauen langfristig Netze in Deutschland und nicht nur in einem einzelnen Projekt. Das heißt, wir sind nicht so getrieben, dass wir sagen, wir können uns irgendwo rauskaufen, sondern es geht schon da drum, Bedingungen zu schaffen, die für alle am Ende auch gleich sind und fair sind."
"Nicht immer alles als persönliche Belastung betrachten"
Für Zahlungen an Einzelpersonen findet sich im Energieleitungsausbaugesetz ein grober Orientierungsrahmen – alles Weitere ist Verhandlungssache. "Und es gab ein weiteres Element, dass man auch Zahlungen an Gemeinden richten kann, die betroffen sind, um eben eine größere Akzeptanz zu kriegen – nicht einzelnen Betroffenen Geld zur Verfügung zu stellen, sondern letztendlich der Gemeinheit vor Ort, damit jeder partizipiert."
Und auf Nachfragen zu konkreten Summen reagiert Tim Meyerjürgens eher zurückhaltend. "Über Summen im Konkreten zu reden ist immer sehr schwierig, weil es natürlich davon abhängt – habe ich jetzt eine Überspannung an der Freileitung, habe ich einen Maststandort, habe ich ein Umspannwerk, bin ich in einem Industriegebiet oder bin ich auf der freien Fläche – also deswegen machen Summen wenig Sinn."
Auch Niedersachsens Minister für Umwelt und Energie, Olaf Lies, warnt davor, die Akzeptanz für den Netzausbau vorrangig über die Höhe eines möglichen finanziellen Ausgleichs zu definieren. Es gehe schließlich um Klimaschutzziele, die nur mit einer konsequenten Energiewende erreichbar seien, betont der SPD-Minister.
"Man wird den Klimaschutz und die Energiewende sehen - fertig.Man sieht sie durch Windenergieanlagen, man sieht sie durch Photovoltaik und man sieht sie durch Stromleitungen - auch fertig! Wir müssen einfach in der Gesellschaft auch für Akzeptanz werben, dass eine Stromleitung und eine Windenergieanlage etwas Positives ist, weil es Teile des Klimaschutzes sind und Generationenverantwortung – und wir dürfen nicht immer alles als persönliche Belastung betrachten."
Das 1200-Einwohner-Dorf Leupoldsgrün bei Hof in Oberfranken liegt gleich neben der Autobahn 9 - auf halber Strecke zwischen München und Berlin. Bürgermeisterin Annika Popp – 33, CSU – ist eine der jüngsten Bürgermeisterinnen Bayerns. Und eine der lautesten. Mit ihrer "Bürger-Initiative gegen Monstertrassen" heizte sie vor sieben Jahren der großen Politik ein. Denn die Trasse sollte an Leupoldsgrün vorbeiführen.
"Da hat sich natürlich dann damals - 2013 war das schon - großer Widerstand geregt. Auch bei uns in Leupoldsgrün. Weil wir uns da übergangen gefühlt haben in den Planungen. Weil plötzlich kam das auf den Tisch und haben gedroht 200 Meter hohe Masten da aufzustellen. Also da war eine große Aufregung. Mit der Zeit gottseidank konnte – auch, denke ich, durch den großen Widerstand in der Bevölkerung – erreicht werden, dass diese Kabel unter die Erde kommen."
Und auf Nachfragen zu konkreten Summen reagiert Tim Meyerjürgens eher zurückhaltend. "Über Summen im Konkreten zu reden ist immer sehr schwierig, weil es natürlich davon abhängt – habe ich jetzt eine Überspannung an der Freileitung, habe ich einen Maststandort, habe ich ein Umspannwerk, bin ich in einem Industriegebiet oder bin ich auf der freien Fläche – also deswegen machen Summen wenig Sinn."
Auch Niedersachsens Minister für Umwelt und Energie, Olaf Lies, warnt davor, die Akzeptanz für den Netzausbau vorrangig über die Höhe eines möglichen finanziellen Ausgleichs zu definieren. Es gehe schließlich um Klimaschutzziele, die nur mit einer konsequenten Energiewende erreichbar seien, betont der SPD-Minister.
"Man wird den Klimaschutz und die Energiewende sehen - fertig.Man sieht sie durch Windenergieanlagen, man sieht sie durch Photovoltaik und man sieht sie durch Stromleitungen - auch fertig! Wir müssen einfach in der Gesellschaft auch für Akzeptanz werben, dass eine Stromleitung und eine Windenergieanlage etwas Positives ist, weil es Teile des Klimaschutzes sind und Generationenverantwortung – und wir dürfen nicht immer alles als persönliche Belastung betrachten."
Das 1200-Einwohner-Dorf Leupoldsgrün bei Hof in Oberfranken liegt gleich neben der Autobahn 9 - auf halber Strecke zwischen München und Berlin. Bürgermeisterin Annika Popp – 33, CSU – ist eine der jüngsten Bürgermeisterinnen Bayerns. Und eine der lautesten. Mit ihrer "Bürger-Initiative gegen Monstertrassen" heizte sie vor sieben Jahren der großen Politik ein. Denn die Trasse sollte an Leupoldsgrün vorbeiführen.
"Da hat sich natürlich dann damals - 2013 war das schon - großer Widerstand geregt. Auch bei uns in Leupoldsgrün. Weil wir uns da übergangen gefühlt haben in den Planungen. Weil plötzlich kam das auf den Tisch und haben gedroht 200 Meter hohe Masten da aufzustellen. Also da war eine große Aufregung. Mit der Zeit gottseidank konnte – auch, denke ich, durch den großen Widerstand in der Bevölkerung – erreicht werden, dass diese Kabel unter die Erde kommen."
Damals, vor sieben Jahren, wurde sogar Bayerns damaliger Ministerpräsident Horst Seehofer auf die junge Frau aufmerksam. Seehofer entschied, dass der bayerischen Bevölkerung keine Freileitungs-Stromtrasse zuzumuten sei. Der damalige CSU-Chef, dessen Partei den Ausbau der Windenergie in Bayern durch strenge Bauvorschriften ausbremst setzte auf Bundesebene durch, dass der SuedOstLink in Bayern größtenteils unter der Erde verläuft. Das verursacht Zusatzkosten von mehreren Milliarden Euro, die Stromkunden über höhere Preise bezahlen. Annika Popp ist überzeugt, dass nur der Protest der Bürgerinnen und Bürger die Monstertrassen verhindert habe.
"Ja, auf jeden Fall. Ohne Widerstand bei uns aber auch anderswo hätten wir jetzt große Masten dastehen, die unsere ganze Region durchschnitten hätten und die natürlich nicht sehr werbewirksam gewesen wären für unsere Heimat Fichtelgebirge und Frankenwald. Die Optik und die ganze Atmosphäre, denke ich, das hätte sich auf jeden Fall sehr negativ ausgewirkt."
Annika Popp ist auch heute noch skeptisch, ob es den SuedOstLink wirklich braucht. Auch wenn er jetzt unterirdisch verlaufen soll. Seit 2018 importiert Bayern Strom, weil die eigene Erzeugung nach dem Abschalten von Block B des Kernkraftwerks Grundremmingen nicht mehr reicht. Eine aktuelle Studie des Öko-Institutes prognostiziert, dass der Import-Strom-Anteil in den kommenden Jahren auf 40 Prozent steigen wird. Die bayerischen Grünen wollen deshalb mehr Strom aus Erneuerbaren Energien vor Ort in Bayern produzieren, und CSU-Politikerin Popp stimmt zu. Sie weiß, dass sie mit dieser Position in ihrer Partei aneckt.
"Es gibt in jeder politischen Gruppierung – oder sagen wir mal fast in jeder politischen Gruppierung – Leute, die einen gesunden Menschenverstand haben und welche, die sich vielleicht auch eher von ja Einflüssen leiten lassen und die nicht mehr so viel mit der Bodenhaftung und den Leuten vor Ort zu tun haben. Also das muss man immer differenzieren, man muss bei den Leuten sein, man muss ihnen zuhören. Und wichtig ist halt, man braucht für jede Entscheidung eine Erklärung, die die Leute auch verstehen."
So sieht das auch Hedi Weigel im 50 Kilometer entfernten Brand. Vor einigen Jahren hatte sie Hoffnung in die Freien Wähler in Bayern gesetzt. Deren Vorsitzender Hubert Aiwanger ist heute bayerischer Wirtschaftsminister. Damals war er in der Opposition und kritisierte die CSU scharf für ihr Festhalten am SuedOstLink. Bayern könne sich weitgehend selbst mit eigener Energie versorgen, sagte Aiwanger damals.
"Er war hier im Ortsteil Brand, wir hatten ihn eingeladen. Er hat sehr gute Versprechungen gemacht, leider ist davon im Koalitionsvertrag nichts mehr aufgetaucht. Wir sind sehr enttäuscht. Er hat auch am 09.07.2020 in der Presse verkündet: er ist für Solar-Energie, Bio-Energie, Kraft-Wärme-Kopplung und für Windenergie. Was findet aber jetzt bei uns statt? Die Erdverkabelung. Also, es passt nicht zusammen mit dem, was er bei uns damals hier in Brand gesagt hat: ‚Mit mir wird es keine Stromtrasse geben‘."
Der Deutschlandfunk hatte Hubert Aiwanger schon vor Wochen um ein Interview gebeten – doch der bayerische Wirtschaftsminister schickte nur ein schriftliches Statement: "Wenn Großprojekte wie der SuedOstLink nicht zu vermeiden sind, müssen sie gemeinsam mit der betroffenen Bevölkerung umgesetzt werden. Es ist jedoch keine Lösung, einfach nur dagegen zu sein oder nach dem St.-Florians-Prinzip vorzugehen und Projekte aus der eigenen Gemeinde in die Nachbarregion verschieben zu wollen."
Beim Landesverband Erneuerbare Energien Niedersachsen/Bremen lösen diese eher dürren Statements von Politikern Irritation aus. Sie wünsche sich schon ein bisschen mehr inhaltliche Substanz, kritisiert die Verbandsvorsitzende Bärbel Heidebroek.
"Dazu gehören verlässliche Ausbaupfade für die Erneuerbaren und natürlich auch ein Netzausbaukonzept. Und dass man nun völlig überrascht davon ist, dass es Bürger gibt, die eine Hochspannungsleitung nicht nur schön direkt in ihrem Vorgarten finden, das kann mir keiner erzählen – also man hat ja gewusst, dass es da auch natürlich Widerstand gibt. Und dann muss man aber einfach sagen, wenn es denn eine Notwendigkeit ist, diesen Netzausbau voranzutreiben, dann muss ich das auch wirklich politisch mit Mut tun, und … da hat man schon das Gefühl, dass sich da Politik auch ganz gerne mal weg duckt."
"Wird ohne Ausbau von Stromnetzen nicht gehen"
Das wiederum will sich Niedersachsens Umwelt- und Energieminister Olaf Lies nicht nachsagen lassen. Er hat nie die Notwendigkeit des Netzausbaus in Frage gestellt. Die vom Land verantworteten Projekte sieht er auch einigermaßen im Zeitplan, aber…
"Wir machen uns große Sorgen um die großen Bundesprojekte, die Stromautobahnen. Da haben wir natürlich unglaublich Zeit verschenkt, als wir eine lange Debatte über die Frage der Erdverkabelung geführt haben. Also – wir waren recht weit, dann haben wir entschieden, wir wollen die komplett in Erdverkabelung machen – jetzt fangen wir nochmal von vorne an, an vielen Stellen." Und das helfe nicht dabei, die für 2030 anvisierten Klimaschutzziele auch wirklich zu erreichen. Die längste der großen Stromautobahnen, der SuedLink, werde deshalb erst 2026 fertig, also drei Jahre später als geplant.
"Und wenn wir es dann ganz nüchtern betrachten, dann ist das, was wir gerade bei SuedLink bauen, zu wenig! Wir wissen also schon, dass wir, wenn wir fertig sind, eigentlich den nächsten SuedLink schon wieder bauen müssen. Und das muss uns beim Netzausbau gelingen: wir müssen weiter in die Zukunft deutlich machen, was an Herausforderung auf uns zukommt, damit wir nicht mehrmals die Menschen mit dem Netzausbau konfrontieren, sondern einmal richtig und konsequent!"
Dafür gibt es Rückendeckung von TenneT-Geschäftsführer Tim Meyerjürgens. Man habe schon vor Jahren ausgerechnet, was nötig wäre, um die globale Erwärmung bis zum Jahr 2100 auf unter zwei Grad begrenzen zu können.
"Und wir sind darauf gekommen, dass wir in der Größenordnung etwa 250 Gigawatt zusätzlich Offshore-Wind benötigen für Zentraleuropa, und haben dann erste Studien angefertigt – gemeinsam mit Partnern – und haben einen Plan entwickelt, wie man etwa 180 Gigawatt Potenzial in der Nordsee tatsächlich heben könnte. Und wir sehen uns jetzt auch bestätigt mit den neuesten Plänen aus Brüssel, die ja von insgesamt etwa bis zu 450 Gigawatt an zusätzlich Erneuerbaren sprechen und eben auch gerade auf Offshore setzen."
Eigentlich müsste jedem klar sein, dass diese Strommengen eine enorme Herausforderung für die Übertragungsnetze in ganz Europa werden, meint Olaf Lies – weitere Verzögerungen beim Netzausbau dürfe es deshalb nicht geben.
"Es wird ohne Ausbau von Stromnetzen nicht gehen – und man wird die auch sehen. Aber ein Stromnetz und eine Windenergieanlage ist mir x-mal lieber, als das, was wir erleben, wenn wir weiter auf fossile Energien setzen."
"Und wenn wir es dann ganz nüchtern betrachten, dann ist das, was wir gerade bei SuedLink bauen, zu wenig! Wir wissen also schon, dass wir, wenn wir fertig sind, eigentlich den nächsten SuedLink schon wieder bauen müssen. Und das muss uns beim Netzausbau gelingen: wir müssen weiter in die Zukunft deutlich machen, was an Herausforderung auf uns zukommt, damit wir nicht mehrmals die Menschen mit dem Netzausbau konfrontieren, sondern einmal richtig und konsequent!"
Dafür gibt es Rückendeckung von TenneT-Geschäftsführer Tim Meyerjürgens. Man habe schon vor Jahren ausgerechnet, was nötig wäre, um die globale Erwärmung bis zum Jahr 2100 auf unter zwei Grad begrenzen zu können.
"Und wir sind darauf gekommen, dass wir in der Größenordnung etwa 250 Gigawatt zusätzlich Offshore-Wind benötigen für Zentraleuropa, und haben dann erste Studien angefertigt – gemeinsam mit Partnern – und haben einen Plan entwickelt, wie man etwa 180 Gigawatt Potenzial in der Nordsee tatsächlich heben könnte. Und wir sehen uns jetzt auch bestätigt mit den neuesten Plänen aus Brüssel, die ja von insgesamt etwa bis zu 450 Gigawatt an zusätzlich Erneuerbaren sprechen und eben auch gerade auf Offshore setzen."
Eigentlich müsste jedem klar sein, dass diese Strommengen eine enorme Herausforderung für die Übertragungsnetze in ganz Europa werden, meint Olaf Lies – weitere Verzögerungen beim Netzausbau dürfe es deshalb nicht geben.
"Es wird ohne Ausbau von Stromnetzen nicht gehen – und man wird die auch sehen. Aber ein Stromnetz und eine Windenergieanlage ist mir x-mal lieber, als das, was wir erleben, wenn wir weiter auf fossile Energien setzen."