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Documenta
Erneut Antisemitismus-Vorwurf - diesmal gegen Mitglied der Findungskommission

Erneut gibt es Antisemitismus-Vorwürfe gegen einen wichtigen Protagonisten der Kunstaustellung Documenta. Dem Inder Ranjit Hoskoté wird vorgeworfen, im Jahr 2019 eine judenfeindliche Petition mit dem Titel "BDS India" unterzeichnet zu haben - BDS steht für "Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen" gegen Israel.

    Vor dem Fridericianum in Kassel hängt ein Poster von der letzten Documenta 15.
    Die letzte Documenta 15 hatte wegen Antisemitismusvorwürfen für viel Aufregung und erbitterte Diskussionen gesorgt. (Getty Images / Thomas Lohnes)
    Der indische Schriftsteller ist Mitglied der Findungskommission für die künstlerische Leitung der Documenta 16, die 2027 in Kassel stattfinden soll. Hoskoté wehrt sich: Er erklärte, er sei "zutiefst betroffen von der indirekten Anschuldigung" des Antisemitismus. Tatsächlich lehne er die Ziele der BDS-Bewegung ab. Hoskoté erläuterte, mit der Unterzeichnung der BDS-Erklärung habe er sich damals insbesondere gegen den "Hindutva-Extremismus" gestellt, der erklärtermaßen von Nazismus und Faschismus inspiriert sei. Er habe sein Leben der Ablehnung autoritärer Ideologien gewidmet. "Hindutva" bezeichnet ein politisches Konzept, das die autoritäre Ausrichtung Indiens nach den Vorstellungen eines primär politisch-kulturell verstandenen Hinduismus zum Ziel hat.

    Roth: "Erklärung klar antisemitisch"

    Die Einschätzung von Kulturstaatsministerin Roth ist eine ganz andere: Die von Hoskoté unterzeichnete Erklärung sei "ganz klar antisemitisch und strotzt vor israelfeindlichen Verschwörungstheorien", teilte die Grünen-Politikerin mit. Sie drohte der Documenta mit finanziellen Konsequenzen: Eine finanzielle Beteiligung des Bundes werde es künftig nur geben, wenn es einen gemeinsamen Plan und sichtbare Reformschritte gebe. Nötig seien klare Verantwortlichkeiten, eine "echte Mitwirkungsmöglichkeit für den Bund" und Standards zur Verhinderung von Antisemitismus und Diskriminierung, forderte Roth. Hier sehe sie bislang noch keine Grundlage.

    Documenta geht auf Distanz

    Der Geschäftsführer der "documenta Gmbh", Hoffmann, ging auf Distanz zu Hoskoté: Er bezeichnete die Unterzeichnung der Erklärung aufgrund ihrer "explizit antisemitischen Inhalte" als "nicht im Ansatz akzeptabel". Die Unterschrift Hoskotés sei derDocumenta bis Donnerstag nicht bekannt gewesen. Hoffmann betonte, die Aufarbeitung der antisemitischen Verfehlungen auf der Documenta 15 sei ein sehr ernstes Anliegen. Damals war unter anderem ein Kunstbanner wegen teils antisemitischer Bildsprache abgehängt worden.
    Hoskoté war im März neben fünf weiteren Mitgliedern von ehemaligen künstlerischen Documenta-Leiterinnen und -Leitern für die Findungskommission ausgewählt worden. Die Gruppe soll bis Ende 2023 oder Anfang 2024 einen Kurator, eine Kuratorin oder ein Kollektiv für die kommende Ausgabe der Documenta vorschlagen. Die Schau gilt neben der Biennale in Venedig als wichtigste Ausstellung für Gegenwartskunst.
    Diese Nachricht wurde am 11.11.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.