Sigrid Fischer: Vermutlich sind Sie oft auf der Berlinale, aber nicht mit eigenem Film, der auch noch im Wettbewerb läuft, wie fühlt sich das an?
Bjarne Mädel: Irgendwie unrealistisch fühlt sich das an, weil man immer über diesen Film spricht, aber gar nichts vom Festival mitbekommt. Ich habe ja noch gar keinen anderen Film gesehen, außer meinen eigenen. Ich hatte schon verschiedene Erfahrungen mit Berlinalen. Eine war, da habe ich mir so viel angesehen, wie es eben ging, ganz viele furchtbare Sachen auch, den schlechtesten brasilianischen Film aller Zeiten, glaube ich, also solche Erfahrungen. Und dann hatte ich eine Berlinale, wo ich fast jede Party mitgenommen habe, aber keinen einzigen Film geguckt habe, das war dann so die Feier-Berlinale. Als Schauspieler denkt man, musst dich mal blicken lassen. Und ist dann von Empfang zu Empfang gegangen. Eine lustige Geschichte ist, dass ich einen Schauspielkollegen getroffen habe, den ich sehr mag und wir uns beide gefreut haben, dass wir uns sehen, wir haben uns umarmt und gesagt: Mensch, endlich treffen wir uns mal wieder, was machst du denn so? Und dann haben wir überlegt, woher wir uns kennen. Und er kannte mich aus dem Fernsehen. Und ich kannte ihn aus dem Fernsehen. Wir haben noch nie zusammen irgendwas gedreht oder gespielt. Das war ganz blöd, der Klassiker, dass man denkt, man kennt sich, weil man sich schon so oft gesehen hat. Da haben wir beide begriffen: So geht das den Zuschauern, wenn die uns auf der Straße sehen. Und sagen: Wir kennen uns. Ja eh, aber nur in eine Richtung.
Fischer: Ist dieses Netzwerken, sich blicken lassen, auf Empfänge gehen, tatsächlich hilfreich. Kann dabei beruflich etwas rumkommen?
Mädel: Berlinale hilft bei Besetzungen
Mädel: Ja, es ist so, dass die Caster auch nicht immer alle Kollegen im Kopf haben können. Die haben vielleicht zufällig gerade etwas zu besetzen und denen fehlt noch ein bestimmter Typ, den sie noch nicht auf dem Zettel haben. Und dann sieht man auf der Party jemand und denkt: Der könnte das eigentlich machen. Insofern kann das schon eine Arbeit bedeuten, wenn man sich zeigt. Ich habe ja jetzt gerade das Glück, durch die letzten Jahre oder den Erfolg, dass ich das gerade nicht so nötig habe, mich überall blicken zu lassen. Das ist auch ganz angenehm.
Fischer: Stecken Sie in einer Schublade, Bjarne Mädel? Sodass Sie denken: Seht mich doch bitte mal anders, als immer nur witzig, zum Beispiel so, wie in dem Berlinalefilm "24 Wochen"? Sie sind ja schließlich ein vollausgebildeter Schauspieler.
Mädel: Ja, ich weiß ja, dass es diese Schublade gibt, aber ich selber empfinde mich ja gar nicht so. Ich nehme ja die komischen Arbeiten, die ich mache, genauso ernst, wie jetzt den Film "24 Wochen". Ich mache da gar keinen großen Unterschied. Ich nicht, aber die anderen, Insofern ist das ganz toll, das ist der erste wirklich dramatische Film, den ich mache, zack bumm, Berlinale, Wettbewerb, das ist Granate, dass das stattfindet. Und ich freue mich da auch, dass alle sehen: Ach guck mal, er kann auch ernst. Ich selber weiß das ja, aber dass die anderen das jetzt auch mal sehen, freut mich natürlich.
Fischer: Aber das Drehbuch hat Ihnen schon auch zugesagt? Nicht nur, weil es mal die ernste Rolle war?
Mädel: Drehbuch mit echten Dialogen
Mädel: Ich fand das Drehbuch sofort gut in dem Sinne, dass die Dialoge echt sind. Dass ich fand, dass ein modernes Paar so miteinander sprechen könnte. Oft krieg ich Drehbücher, das sind dramaturgische Inhalte, das man Sachen sagen muss, damit die Geschichte transportiert wird, aber echte Menschen reden so nicht miteinander. Ich frage mich auch immer, warum das so ist, man muss das ja nur einmal laut vorlesen, dann würde jeder sagen: Der Plot ist gut, aber so spricht man ja nicht. Also wenn die Drehbuchautoren Freunde hätten, dann würde das nicht passieren. Die könnten denen das einfach laut vorlesen und die würden sagen: Ja, super Geschichte, aber mach doch mal so, wie man spricht im echten Leben. Mit abgebrochenen Sätzen, nicht zu Ende gedacht und so. Aber so schreiben ja die wenigsten. Und weil die Frage nach meiner Schublade war: Mir war klar nach dem Tatortreiniger, wenn ich was Ernstes mache, dann muss das was sein mit Substanz. Ich kann jetzt nicht nur einfach mal drei Drehtage den fiesen Mörder spielen, damit ich das auch mal gemacht habe, sondern wenn ich was mache, was ernst ist, dann möchte ich, dass es was zu erzählen und was zu sagen hat. Und da war dieses Buch ein Geschenk.
Fischer: Ein Geschenk, aber auch eine Herausforderung vermutlich?
Mädel: Ich muss immer wieder – er hat es gar nicht verdient – Matthias Brandt erwähnen, weil er mal in einem Porträt gesagt hat: Er bekommt ein Drehbuch. Und wenn er das Gefühl hat, ich habe keine Ahnung, wie ich das spielen, soll, dann sagt er zu. Dann fängt seine Arbeit an, weil er denkt: Oh Gott, jetzt habe ich das zugesagt, wie soll ich das machen. Und dann muss er sich damit auseinandersetzen, Tabori hat das genannt: gefährlich arbeiten, nämlich mit der Möglichkeit, zu scheitern. Und das bewundere ich wahnsinnig an Matthias Brandt, dass er das macht. Und ich habe mir das so ein bisschen auf meine Fahne geschrieben, nicht was anzunehmen, wo ich sowieso weiß, wie ich das spielen soll, sondern was anzunehmen, wo ich nicht weiß, wie ich das hinkriegen soll. Und das war bei diesem Buch so.
Fischer: Wie verträgt sich denn das Seriengeschäft mit anderen Projekten, man ist ja dann auch etwas blockiert ...
Mädel: Das kann sein, also es gab schon mal den Fall, dass natürlich, wenn man eine Fernsehserie hat, ist man oft für ein halbes Jahr blockiert. Dann wird man gar nicht erst angefragt. Also insofern stimmt es ein bisschen. Aber ich weiß nicht, ob ich sonst mit Angeboten überschüttet worden wäre. Man braucht ja auch erst mal die Bekanntheit, um Aufmerksamkeit zu haben, insofern ist das alles schon sehr gut gelaufen bis jetzt.
Fischer: Es gab ja schon früher Kinoprojekte mit Bjarne Mädel - die Könige der Nutzholzgewinnung Schimmelreiter, beste Freunde. Wenn man dann in der Fernsehserie sitzt und immer wieder die gleiche Rolle spielt, ist das dann irgendwann etwas unterfordernd?
Mädel: Lust auf andere Herausforderungen
Mädel: Ja und nein, das sind verschiedene Projekte gewesen: Das war bei "Mord mit Aussicht" so, dass ich irgendwann dachte, das hab ich jetzt – wie oft haben wir das eigentlich gemacht? – 39 mal gespielt, 39 mal 45 Minuten, also fast 20 Spielfilme lang, habe ich immer den trotteligen Polizisten gespielt. Und da gab's schon den Punkt, wo man dachte, ich habe mal Lust auf eine andere Herausforderung. Eben auf so etwas, was ich jetzt hier machen durfte. Und beim Tatortreiniger ist es noch ein bisschen anders, weil ich da mit Schauspieler aussuchen darf. Und das viel mehr mein Kind ist, dieses ganze Projekt. Und das immer ein Geschenk ist, was unsere Autorin da für uns fabriziert. Da bin ich noch nicht an dem Punkt, wo ich denke, das habe ich jetzt genug gemacht. Da freue ich mich noch drauf, auf diese Figur. Mit der bin ich noch nicht ganz durch.
Fischer: Man hat sich ja schon gefragt, warum die ARD "Mord mit Aussicht" absetzt bei den tollen Quoten am Vorabend.
Mädel: Das hat bestimmt auch Gründe, die auf Schauspielerseite liegen, weil ich eben auch sage, ich habe gerne andere Herausforderungen. Und ich bin da nicht der einzige. Es wurde so etwas auf meine Schultern abgewälzt, weil es mal ein Interview in der Süddeutschen gab, wo ich über Bedingungen beim Fernsehen gesprochen habe. Und dass ich 39 mal dasselbe gemacht habe. Und Lust auf etwas anderes habe. Das wurde dann zusammengemengt und es hieß, der hört jetzt auf, weil die Bedingungen schlecht sind. Das stimmte so nicht, aber ich wollte das auch nicht ewig dementieren. Und man sagt ja auch, man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Wir haben dann noch den Film gemacht als Experiment, um noch mal was anders zu wagen mit diesen Figuren. Ich fand das sehr gelungen, mir hat das großen Spaß gemacht. Ich sage auch nicht, dass das nie wieder kommt, aber im Moment gibt es andere Herausforderungen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Über Bjarne Mädel:
"Stromberg", "Mord mit Aussicht", der "Tatortreiniger" sind die bekannten Rollen des Schauspielers Bjarne Mädel. Auf der Berlinale war er mit "24 Wochen" nun in einem sehr ernsten Film zu sehen. Er und seine Partnerin (Julia Jentsch) müssen entscheiden, ob sie ein Kind mit Downsyndrom und schwerem Herzfehler zur Welt bringen wollen, oder es in der 24. Woche abtreiben lassen.
"Stromberg", "Mord mit Aussicht", der "Tatortreiniger" sind die bekannten Rollen des Schauspielers Bjarne Mädel. Auf der Berlinale war er mit "24 Wochen" nun in einem sehr ernsten Film zu sehen. Er und seine Partnerin (Julia Jentsch) müssen entscheiden, ob sie ein Kind mit Downsyndrom und schwerem Herzfehler zur Welt bringen wollen, oder es in der 24. Woche abtreiben lassen.