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Ernst-Fall

Die Linkspartei zitiert die Werbe-Ikone Verona Pooth, Parteivorsitzende Gesine Lötzsch veröffentlicht Wege zum Kommunismus. Jacqueline Boysen sieht die Entscheidung über die Zukunft der Partei am Samstag kommen. Eine Glosse.

Von Jacqueline Boysen |
    "Von der Zukunft erwarte ich, dass sie so wird, wie sie bis jetzt war."

    Wer glaubt, es sei ein marxistischer Klassiker, der die Neujahrskarte eines Bundestagsabgeordneten der Linken ziert, der irrt gewaltig. Der junge, ambitionierte Realpolitiker Jan Korte erlaubt sich, einen Sinnspruch von Medienphänomen Verona Pooth, geborene Feldbusch, zu zitieren.

    Wie viel die Ex-Gattin von Dieter Bohlen an der tiefgründigen Weihnachtsbotschaft verdient, ist ebenso offen wie die Frage, ob die einstige Schauma-Werbeträgerin nun von links außen das politische Geschäft in Deutschland aufmischen will. Immerhin scheinen Frau Pooth und Herr Korte mit prophetischen Gaben gesegnet. Als die sinnige Karte in den Druck ging, war noch längst nicht klar, wie viel Wahrheit sie enthielt.

    Nicht nur, dass die Linke ihre Superstars bisweilen ähnlich brutal abmeiert wie Bohlen seine Kandidaten, wovon der vor einem Jahr entmachtete vormalige Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch ein Lied singen kann. Auch parteigeschichtlich beginnt die Zukunft im Jahr 2011 wie bisher, die Linke ist gespalten, der Spalt wird größer. Während die Ex-PDS im Osten die Wählergunst hält, aber kontinuierlich Mitglieder verliert und an der Saar, dem westdeutschen Kernland der Anti-SPD, eine Karteibereinigung die Zahl der Mitglieder um ein Drittel schwinden lässt, können ihre Funktionäre vor Kraft kaum laufen. Parteichef Klaus Ernst wird allenthalben viel Böses unterstellt.

    Als Lafontaines Marionette treibe den bayerischen Gewerkschafter - dem Luxus nicht abhold - die Macht- und Geldgier. Von seiner Abwahl wird geraunt, einer Abspaltung der ostdeutschen Genossen - kein Wunder, denn politische Pflöcke einschlagen konnte der kasperhafte Ernst bisher nicht. Das hat nunmehr auf das originellste seine ostdeutsche Ko-Vorsitzende Gesine Lötzsch erledigt.

    Frau Lötzsch ist geschmeidig, sphinxhaft und alles andere als revolutionär - gerade das hat sie vor Oskar Lafontaines Gnaden an die Parteidoppelspitze katapultiert. Die Parteichefin ließ nun im urlinken Organ "Junge Welt" die hellrote Maske des Opportunismus fallen: Die 49-jährige Philologin eröffnete in einem kruden vierseitigen Erguss Wege zum Kommunismus - ein Vorgriff auf ihren Beitrag zu einer Rosa-Luxemburg-Konferenz und eine dem Wähler hilfreiche, ja geradezu richtungweisende Positionsbestimmung in einem Jahr mit sieben Landtagswahlen.

    Vor dem Parteilehrgang der SED, der Gesine Lötzsch seit ihrem 23. Lebensjahr angehörte, hätte sie mit ihren Plattitüden nicht reüssiert. Doch, Genossin Lötzsch, die Zeiten haben sich geändert: Heute ertönt ein schriller antikommunistischer Aufschrei, wenn Sie als Vorsitzende einer ohnehin zwischen dubiosen Radikalen und übertölpelten Realpolitikern zerrissenen Bewegung von Gysi-Fans wörtlich postulieren:

    "Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren, ob in der Opposition oder in der Regierung""

    Zitat Ende. Die Wegbeschreibung ins neuerliche Experiment ist unmissverständlich, zumal Verweise auf die gescheiterte Diktatur des Proletariats oder auf den vergreisten und brachial durchgesetzten Realsozialismus SED-scher Prägung fehlen. Jetzt hilft auch die Dialektik einer halbherzig formulierten Presseerklärung nicht: Nein, die in den vergangenen zwanzig Jahren wohl kaum aus der Übung gekommene Theoretikerin Lötzsch hat sich nicht bloß in der komplizierten Terminologie geirrt. Sie muss nicht den Weg zum Kommunismus beschreiben, wenn sie doch eigentlich im "demokratischen Sozialismus" die Zukunft sieht - die ja laut Verona Pooth, ohnehin "so wird, wie sie bis jetzt war".

    Am Samstag erfahren wir vielleicht genauer, wie es um Zukunft und geschichtliche Gesetzmäßigkeiten steht - dann diskutiert Gesine Lötzsch unter anderem mit der einstigen RAF-Terroristin Inge Viett über das historische Spannungsverhältnis zwischen "Linkem Reformismus und revolutionärer Strategie."

    So trägt denn auch die Ko-Vorsitzende endlich unerschrocken zur Parteilinie der Linken bei. Oder zu deren Entzauberung.