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Ernst Krenek: "Karl V."

Beim selben Label ORFEO ist im vergangenen Herbst auch eine zweite Opernaufnahme erschienen, die gleichfalls historisch zu nennen ist. Es handelt sich um Ernst Kreneks Zweiteiler "Karl V." - ein theatralisches Schlüsselwerk der 30er Jahre, das auf den Spielplänen heute leider immer noch fehlt. Das Stück, in Auftrag gegeben einst von Clemens Krauss, seines Zeichens Direktor der Wiener Staatsoper, kreist um eine historische Herrscherfigur, die Mitte der 30er Jahre geeignet für politische Gleichnisse ist. Karl V., der 1558 in einem spanischen Kloster verstirbt, scheitert bei seinem Versuch, ein christliches Weltreich eigner Fasson zu gründen. Er unterliegt der Machtgier, politischem Opportunismus, religiösen und nationalistischen Eiferern. Librettist Krenek skizziert all dies als szenisches Mosaik. Karl, zwischen Rücktritt und Tod, passiert sterbend sein Leben Revue. Rückblenden, Erinnerungsszenen, Visionen beleuchten die intrigante Verflechtung von Politik und Privatraum und darin geradezu zwingend das Scheitern der Einzelperson. Karls schließlicher Tod bedeutet den Abschied von Humanität und Vernunft, so suggeriert das Libretto am Schluss mit aktuellem Bezug - Zukunft heißt Zwist, Leid und Betrug, Barbarei.

Frank Kämpfer |
    Musikdramatisch wirkt die Zwölfton-Partitur streng - gleichwohl erstaunt ihr theatralisches Potential. Von Prosa und Melodram bis zur Arie, vom Dialog bis zum großen Opernensemble birgt dieses Werk eine große Formenvielfalt. Krenek setzt auf Kontrast, baut Spannungen auf - und komponiert ein episch-dramatisches Opus mit Sprengstoff, gleichwertig Pfitzners "Palestrina", Bergs "Wozzeck" oder Hindemiths "Mathis". Vorausgesetzt, es würde gespielt. Statt in Wien oder Zürich wurde "Karl V." in Prag uraufgeführt - im Juni 1938. 20 Jahre darauf, nach dem Krieg, kam die zweite Fassung heraus - mit allerdings nur begrenztem Erfolg. In Kreneks Geburtsland kam die Oper erst 1980 bei den Salzburger Festspielen heraus. Dies zwar nur konzertant, aber in opulenter Besetzung mit Sena Jurinac als Schwester Eleonore, Thomas Moser als Bruder Ferdinand, Hanna Schwarz als Mutter Juana und Siegfried Vogel als Martin Luther.

    Der österreichische Rundfunk hat diese Aufführung seinerzeit dokumentiert, beim Label ORFEO gibt es den Mitschnitt nun auf CD. Wir hören zum Abschluss der Sendung daraus die Sterbe-Szenerie Karls mit den vier Uhren und Theo Adam in der Titelpartie. Gerd Albrecht dirigiert den ORF-Chor und das Radio Symphonie Orchester Wien. * Musikbeispiel: Ernst Krenek - aus: "Karl V." Das Finale aus Ernst Kreneks Oper "Karl V." - ein Live-Mitschnitt von den Salzburger Festspielen 1980, der im vergangenen Herbst beim Münchener Label ORFEO in der Reihe 'Festspieldokumente' auf CD erschien.