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Ernst und zugleich leicht

Eigentlich gilt die Operette als Inbegriff des unterhaltsamen Musiktheaters. Dass in diesem Genre allerdings auch gesellschaftliche und historische Spannungen tragische Konsequenzen haben können, war das Thema eines internationalen Kongresses im Lehár-Schlössl in Wien-Nußdorf.

Von Frieder Reininghaus |
    Das Lehár-Schlössl in Nußdorf liegt, umringt von Heurigen-Lokalen, am Rand der Weinberge nördlich von Wien. Durch private Initiative hat sich das Palais mitsamt dem parkähnlichen Garten als Gedenkstätte für den Komponisten Franz Lehár und dessen einst als Offizier tätigen Bruder Anton authentisch erhalten – von einer Erinnerungswand an das Uraufführungsteam der "Friederike" bis zu zufällig aufbewahrter Fan-Post und einem leise schollernden braunen Flügel. Dieser herrschaftliche Landsitz war der denkbar günstigste Ort, um über das Verhältnis der Operette zum Tragischen Nachzudenken.

    Auch Lehár gehörte zu jener besseren Hälfte von Operettenschaffenden, die nach 1933 erst aus der deutschen, dann auch der tschechoslowakischen, österreichischen und französischen Musikkultur vertrieben und verfolgt wurden. Exemplarisch erläuterte dies Marie-Therese Arnbom von der Musikuniversität Wien anhand von "tragischen" Biografien wie der des Sängerdarstellers Paul Morgan, der bis 1938 noch am Karlsbader Stadttheater auftreten konnte, dann aber wegen seiner ironischen Kommentare unter anderem zur Nazi-Politik besonders gequält und umgebracht wurde. Von den "Säuberungen" des Musikbetriebs und des Repertoires, vom Verlust des Ironiegehalts und weniger betulicher "Herztöne" hat sich die Operette nach 1945 nicht erholt. Dem Überalterungsprozess und drohenden Aussterben begegnete dann seit den 80er-Jahren exemplarisch das, was Regisseure wie Herbert Wernicke und Christoph Marthaler gerade auch der Operette angedeihen ließen.

    Deren Tragik meldete sich seit dem frühen 20. Jahrhundert vornehmlich in Künstler-Operetten – in Werken wie dem "Dreimäderlhaus", das Werk und Liebesleid Franz Schuberts ausweidete, oder in vergleichbaren Arbeiten, die Paganini, Chopin oder Goethe gewidmet wurden (der Liebesverzicht, den Goethes Studentenliebchen um seiner Karriere willen zu leisten hat, bildet das tragische Potenzial der "Friederike").

    Auch die Fortsetzungsgeschichte fürs "Dreimäderlhaus", in der die Tragik durch biedermeierlich-bürgerliches Eheglück kontrapunktiert wird, wurde höchst anschaulich vorgeführt: Da von Carl Lafites "Hannerl" keine Aufnahme verfügbar war, interpretierte die Referentin Franziska Feuerstein die wichtigsten Songs selbst (sie übernahm dabei praktischerweise die Rollen von Mutter und Tochter).

    Ein eher unfreiwillig grotesk-tragisches Kapitel bilden die ‘lustigen Kriegsoperetten’ – Werke wie "Immer feste druff" und "Derfflinger" von Walter Kollo oder "Gold gab ich für Eisen" von Imre Kálmán.

    Es ging, da dieser Konferenz nun einmal in Wien stattfand, nicht ohne gelegentliche Verbeugung vor Sigmund Freud ab. Bezüglich des Librettos zum Walzertraum von Oscar Straus diagnostizierte Stefan Schmidl zum Beispiel das "halluzinatorische Besetzen einer Befriedigungserinnerung".

    In erfreulicher Weise wurde ganz überwiegend der gesellschaftliche Kontext der einzelnen Werke berücksichtigt und häufig auf die Theaterpraxis hin reflektiert. Da die Wiener Volksoper die kommende Saison mit besagtem "Walzertraum" eröffnet, rückte er in der Tagung an die zentrale Stelle und erhielt viel Aufmerksamkeit vom Probenbesuch bis zum Dramaturginnengespräch. Überhaupt gilt der Reformbemühung in Verbindung mit dem Praxisbezug das Hauptaugenmerk:

    "Unser Bild der Operette ist geprägt eigentlich von der Nachkriegszeit – von diesem sehr spezifischen Inszenierungsstil der Filmoperetten mit Peter Alexander, Waltraud Haas oder Rudolf Schock; das ist aber eine Spätform der Operette. Die war im 19. Und noch im frühen 20. Jahrhundert ein viel drastischeres, satirischeres, parodistischeres, frecheres, frivoleres, auch durchaus erotischeres Genre, als es dann in der Film-Version des Weißen Rößl am Wolfgangsee vorgeführt wird","
    meint Wolfgang Fuhrmann vom Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Wien, einer der Vordenker und Organisatoren der Tagung.

    ""Zu diesen verschütteten Traditionen der Operette gilt es einerseits zurückzukehren, anderseits muss man eine neue Generation von Darstellern und Schauspielerinnen heranziehen und wir brauchen junge RegisseurInnen, die gewillt sind, das umzusetzen, sowie Dirigenten, die bereit sind, wieder auf die ursprünglichen Notenmaterialien zurückzugehen und die seifigen Umorchestrierungen des fortschreitenden 20. Jahrhunderts hintanzustellen."

    Die Operette hat, so das Fazit, also eine Zukunft – wenn sie ihre Sache wieder auf die richtige Weise ernst und zugleich leicht nimmt.