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Ernst-von-Siemens-Musikpreis an Beat Furrer
Mann der leisen Töne

Für ein Leben im Dienste der Musik erhält der österreichisch-schweizerische Komponist Beat Furrer in diesem Jahr den Ernst-von-Siemens-Musikpreis. Mit jedem neuen Werk erkunde er unbekanntes ästhetisches Terrain, so die Begründung der Jury. Ein Porträt.

Von Raoul Mörchen |
    Die undatierte Aufnahme zeigt den Komponisten Beat Furrer.
    Der wichtigste Preis der klassischen Musik geht 2018 an den 63-jährigen österreichisch-schweizerischen Komponisten Beat Furrer. (dpa-Bildfunk / EvS Musikstiftung / Manu Theobald)
    Die Welt in Tönen fest zu ordnen, wie das einst die Avantgarde wollte, dafür ist Beat Furrer der falsche Mann. Es fehlt ihm nicht an Beharrlichkeit, wohl aber an Hochmut. Wenn Furrer von seiner Musik spricht, sie zu erklären versucht, dann klingt das, als würde er sie schon aufführen: immer zögerlich, zweifelnd, stockend. Innehalten, Nachhorchen, Neuansetzen, Verharren – Furrers Musik lebt in einem Zwischenreich: zwischen Aufbau und Zersetzung, zwischen Erinnern und Vergessen, zwischen Innen und Außen, zwischen Stille, Geräusch und Klang. Nervosität ist ihr Grundzug.
    Musik, die Texte verdaut
    Der Hochmut der Nachkriegsavantgarde ist bei Furrer der Demut gewichen. Und die universelle Theorie der existentiellen Erfahrung des Einzelnen. In seinem umjubelten Musiktheater "Fama" baut Furrer mit Hilfe eines Architekten, eines Szenenbildners und eines vielköpfigen Ensembles zunächst einen großen Raum. Es ist der von Ovid beschriebene mythische Ort der Fama, in dem sich alles Gerede dieser Welt reflektiert. Doch aus dem Gerede der Welt dringt bei Furrer in diesem großen Raum dann doch nur eine einzige, einsame Stimme: Es ist die Stimme einer Frau, die sich nicht gegen diese Welt behaupten kann.
    Helden sind bei Furrer die, die versuchen, die Reste und Bruchstücke irgendwie noch zusammenzuhalten. So kann er von ihnen auch keine Geschichten mehr erzählen. Das halbe Dutzend Werke fürs Musiktheater täuscht, vor allem täuschen die Namen der großen Literaten, auf die Furrer zurückgreift oder die er eigens zum Schreiben animiert: Furrers Musik rezitiert keine Texte, sie verdaut sie.

    "Es ist bei mir auch der Produktionsvorgang eher der, dass ich von vielen klanglichen Konzepten, klanglichen Ideen komme und dann den Text suche. Ich gehe nie von einem Text aus und vertone den. Niemals."
    Reine Poesie, keine Gesellschaftskritik
    Man sollte hinter dem existenziellen Zittern dieser Musik keinen mutlosen Autor erwarten. Furrer ist das glatte Gegenteil. Zwar entstehen seine unendlich detailreichen Partituren in der Einsamkeit eines entlegenen steierischen Forsthauses, doch das ist reine Ökonomie.
    Es geht, so Furrer, nicht um Rückzug an sich, sondern um die Möglichkeit zur Konzentration und zur Kontinuität: ohne Hast, ohne Termine, ohne Anrufe. Dafür müsse er die Tür eben manchmal hinter sich abschließen.
    Wenn die Arbeit aber dann getan ist, öffnet Furrer die Tür wieder und stellt sich mitten ins Leben: als bei seinen Studenten äußerst beliebter Hochhochschullehrer, als Dirigent, als Gründer und langjähriger Leiter des heute weltberühmten Ensembles "Klangforum Wien", als Kollege, Freund und Mentor. Die "Leisheit" seiner Musik, das Fragmentarische, Zerbrechliche, das Geräuschhafte, das Entrückte – das ist Poesie, aber keine Kritik an der Welt und ihrer Gesellschaft. Die Wirklichkeit ist nicht Furrers Feind.