"Also hier, das ist das Büro der Generaldirektorin. Damals zur Bauzeit war natürlich an eine Leitung durch eine Frau kaum zu denken, also war es das Büro des Generaldirektors."
Die Generaldirektorin der Staatsbibliothek, Barbara Schneider-Kempf, muss damit leben, von Männern umringt zu sein. Im frisch restaurierten, historischen Besprechungsraum, der an ihr Büro anschließt, hängen die großen Ölgemälde und Fotografien ihrer illustren Vorgänger an der Wand.
Die Generaldirektorin der Staatsbibliothek, Barbara Schneider-Kempf, muss damit leben, von Männern umringt zu sein. Im frisch restaurierten, historischen Besprechungsraum, der an ihr Büro anschließt, hängen die großen Ölgemälde und Fotografien ihrer illustren Vorgänger an der Wand.
Dafür hat sie die vielleicht schönsten Büroräume der Stadt – dunkle Wandregale, farbige Holz-Kassettendecken, mit dem Original-Schreibtisch, Sesseln und Kamin von Adolf von Harnack, dem ersten Bibliotheksdirektor, der 1914 in das fertiggestellte Gebäude einzog. Jeanette Lamble, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit, führt durch das Haus.
Einst größte Kulturbaustelle Deutschlands
"Das ist einer der Grimmschränke, wir haben von den Brüdern Grimm den Nachlass bekommen, und da waren auch zwei große Schränke, in denen die Brüder Grimme ihre eigenen Materialien aufbewahrt haben, der eine steht hier und den anderen sehen wir hier gleich um die Ecke."
Die Staatsbibliothek Unter den Linden war lange die größte Kulturbaustelle Deutschlands. 15 Jahre lang wurde das riesige Gebäude saniert – da ist die Bauzeit in den 90er-Jahren noch nicht mal eingerechnet, als bei laufendem Betrieb unter dem Gebäude 2.700 morsche Holzpfeiler ausgetauscht werden mussten, auf denen das Haus ruhte. Ein eingeholtes Gutachten hatte ergeben, dass die Bibliothek zu 95 Prozent nicht mehr standsicher war.
2005 begann dann die Grundsanierung durch den Architekten HG Merz. Das Ergebnis ist eine überaus gelungene, ästhetisch hochansprechende Mischung aus Alt und Neu. Auch technisch wurde das Gebäude auf den neusten Stand gebracht - mit einer modernen Buchtransportmaschine - und mit einer Klimaanlage.
Sanierung meist bei laufendem Betrieb
"Also neugebaute Bibliotheken sind ohne Klimaanlage undenkbar. Aber bei denen, die älteren Datums sind, ist das die große Aufgabe, das nachträglich reinzufädeln in ein bestehendes Gebäude. Und das war zum Beispiel in den Magazinen sehr schwer, denn dort stehen die Regale dicht an dicht."
Erstmals seit vielen Jahren kann das Gebäude jetzt wieder durch den Haupteingang betreten werden. Im weinbewachsenen Innenhof sprudelt ab Sommer eine Fontäne im großen Wasserbecken, rechts und links davon zwei restaurierte Skulpturen des Bildhauers Werner Stötzer aus dem Jahr 1961: Dem "Lesenden Arbeiter" steht ein Relief gegenüber, das auf Bertolt Brechts Gedicht "Fragen eines lesenden Arbeiters" Bezug nimmt.
470 Millionen Euro hat die gesamte Sanierung gekostet – nicht viel weniger als der Schlossneubau gegenüber. Der Großteil der Arbeiten fand allerdings bei laufendem Betrieb statt. Ein riesiger Kraftakt für alle Beteiligten. Nicht von ungefähr stellte Generaldirektorin Barbara Schneider-Kempf bei der heutigen digitalen Eröffnung fest:
"Dieses Haus hat als größtes Kapital immer das Vertrauen gehabt, das man ihm entgegengebracht hat. Den Glauben an seine ungebrochene Zukunft."
Bibliotheken verzeichnen steigende Nutzerzahlen
Dabei gab es zwischendurch auch Zeiten, in denen schon der Abgesang der Bibliotheken gesungen wurde. Mit aufkommendem digitalen Zeitalter sahen viele die alten Büchertempel bereits als Auslaufmodelle. Das Gegenteil trat ein: Bibliotheken verzeichnen überall steigende Nutzerzahlen. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble als Ehrengast der Eröffnung sieht ihre Bedeutung ungebroche, ihre Aufgabe gerade darin, in Zeiten des digitalen Informationsüberflusses der beliebigen Verfügbarkeit von echtem und angeblichem Wissen ein solides Ordnungssystem entgegenzusetzen.
"Gerade in einer digitalisierten Öffentlichkeit brauchen wir neutrale und verlässliche Institutionen, die Wissen dokumentieren, zugänglich machen - ja, auch filtern - und die Leser in die Lage versetzen, Informationen kritisch zu bewerten."
"Gerade in einer digitalisierten Öffentlichkeit brauchen wir neutrale und verlässliche Institutionen, die Wissen dokumentieren, zugänglich machen - ja, auch filtern - und die Leser in die Lage versetzen, Informationen kritisch zu bewerten."
Eines ist klar: Wenn die sieben Lesesäle der Staatsbibliothek nach der Pandemie wieder öffnen können, wird man hier so schön forschen können, wie wohl noch nie zuvor. In den alten, liebevoll wieder hergerichteten Sonderlesesälen mit den dunklen Holzregalen ebenso wie in dem großen, hellen, modernen Saal des Architekten HG Merz mit seinem orangefarbenen Fußboden, für dessen schillernde, geschliffene Glasfassaden extra ein Glaskünstler beauftragt wurde. Vom alten Lesesaal, der im Krieg zerstört wurde, ist nur die große Uhr erhalten geblieben. Ihre goldenen Zeiger, die durch Zufall im Bauschutt gefunden wurden, sind auf 22.25 Uhr eingestellt. Das war der Zeitpunkt am 15. Februar 1944, als die Fliegerbombe fiel.