Archiv


Eröffnung der größten und teuersten Fischtreppe Europas

Vor einhundert Jahren war der Rhein noch ein weitgehend naturbelassener Fluß mit Überschwemmungsgebieten und vielen kleinen gewundenen Seitenarmen. Doch mit der zunehmenden wirtschaftlichen Nutzung des Flusses änderte sich das Erscheinungsbild des Rheins - der Flußlauf wurde begradigt und Staustufen gebaut. Den wandernden Fischen, wie zum Beispiel den Lachsen, versperrten Wasserkraftwerke ihren Weg stromaufwärts zu den Laichgebieten. Schon 1987 hatte eine deutsche-französische Expertenkommission deshalb eine Fischtreppe gefordert, die helfen soll, diese Sperren künstlich wieder aufzuheben. Heute geht dieser Wunsch zum Teil in Erfüllung. Europas größte und teuerste Fischtreppe am Rhein wird in der Nähe von Straßburg offiziell eingeweiht.

Von Frank Schweikert |
    Günther Lehmann: "Wie darf ich's sagen, also, in Abwandlung der Mondlandung - ein kleiner Schritt für die RKI, aber ein großer Schritt für die Lachse. Ich öffne hiermit den Fischpass." - Wasserrauschen -

    Projektleiter Günther Lehmann öffnet das Hauptwehr - über eine Tonne Wasser rauscht pro Sekunde durch den Fischpass bei der Staustufe in Iffezheim am Rhein. Nutznießer des Fischpasses in Iffezheim ist vor allem der Lachs, der zum Ablaichen den Rhein hinauf bis in die kleinsten Nebenflüsse schwimmen muss, um seine ursprünglichen Brutstätten wieder zu finden. Aber auch andere Rheinbewohner sollen nach Ansicht von Diplom-Biologe Hartmut Kiekäfer, der als Fischereiexperte die Planung der Fischtreppe mit beaufsichtigt hat, von der neuen Anlage profitieren.

    Hartmut Kiekäfer: "Die Fischtreppe ist konzipiert eigentlich für alle Fischarten, die bei uns im Rhein vorkommen. Also nicht nur für die Lachse und die Meerforellen, sondern für alle Fische und auch für das so genannte Zoobenthos oder das Makrozoobenthos. Also auch die kleinen Lebewesen, die da auf'm Boden 'rumkriechen oder so, die sollen auch wandern können. Deswegen haben wir einen Extra-Eingang für diese Tiere in dieser Fischtreppe."

    Nur mit einer korrekt dosierten kräftigen Strömung gelingt es, Wanderfische, insbesondere starke Schwimmer wie den Lachs, in den Fischpass zu locken. Das bisher einzigartige Herzstück der Anlage ist - so Projektleiter Günther Lehmann - eine spezielle Turbine, die einen veränderbaren Gegenstrom im Fischpass erzeugt:

    Günther Lehmann: "... Und dieser Lockstrom wird heute bei diesem Typ Fischpass über eine Lockstromturbine bereit gestellt, indem wir aus dem Oberwasser des Kraftwerkes etwa 13 Kubikmeter Wasser pro Sekunde entnehmen, führen dieses Wasser über eine Wasserturbine und leiten es dann quer zu dem vorhandenen Kraftwerkswasser und bieten den Fischen nun einen neuen Weg."

    Auf einer Strecke von 300 Metern müssen sich die Fische durch insgesamt 37 genau berechnete Wasserbecken bis zur 10 Meter höheren Seite der Staustufe stromaufwärts kämpfen. Doch nach Ansicht von Professor Emil Dister, Leiter des WWF-Auen-Instituts in Rastatt, haben nicht alle im Rhein vorkommenden Fische Vorteile durch den neuen Fischpass.

    Emil Dister: "... Und bei den Fischen kann man auch sagen, dass nicht nur die Langdistanzwanderfische berücksichtigt werden müssen, sondern auch die Standfische, die ja ihrerseits kleinere Wanderungen bis über 100 Kilometer hinweg ja machen. Und dazu wäre es sinnvoll gewesen, ein Umgehungsgerinne zu machen. ..."

    Parallel zum Rhein verlaufende Altwässer und Auen hätten nach Ansicht von Dister für nicht so kräftige Schwimmer wie den Stör oder den Nordseeschnäpel mit einem weitaus geringeren Aufwand genutzt werden können. Größtes und weitgehend ungelöstes Problem ist - trotz einer Investition von 17 Millionen Mark - immer noch die Rückwanderung des abgelaichten Fischnachwuchses. In diesem Punkt sind sich die Fischereiexperten uneinig. Diplom-Biologe Hartmut Kiekäfer rechnet nicht mit Verletzungen der Fische, wenn sie auf ihrem Weg flussabwärts unausweichlich durch die riesigen Turbinen des Wasserkraftwerkes gedrückt werden:

    Hartmut Kiekäfer: "... Sie können einmal durch die Schleusen, sie können zum anderen durch die Turbine. Das hört sich schlimm an. Aber die Turbinen hier haben, ich weiß nicht, vier Meter neunzig oder was Kammerdurchmesser, also wenn wir sehr große Fischschäden hätten durch diese Turbinen, dann hätten wir's bisher bemerkt. ... Also, da sind die schon flexibel, die Tierchen."

    Für rund 47 Millionen D-Mark wurden bisher Junglachse im Rhein ausgesetzt, von denen allerdings nachweislich erst 184 - vor Inbetriebnahme des Fischpasses - zurück gekehrt sind. Das sind umgerechnet 260.000 D-Mark, pro zurückgekehrten Lachs, die künftig über den Fischpass in ganzen Scharen wieder aufsteigen sollen. Mit großer Spannung erwarten die Experten von einem deutsch/französischen Wissenschaftlerteam Rückmeldungen über den Erfolg des neuen Fischpasses bei Iffezheim. Aber nur eine ganze Kette von funktionsfähigen Fischpässen im Rhein wären nach Ansicht von Professor Emil Dister notwendig, um den halbwegs natürlichen Zustand wieder herzustellen:

    Emil Dister: "Wenn diese Fischtreppe sich als ausreichend wirksam erweist, dann wird man an den nächsten Schritt gehen, nämlich die nächste Staustufe Gambsheim zu überwinden, um dann auch in andere Gewässer, wie etwa die Kinzig, andere Nebengewässer und Laichgewässer, hinein zu kommen. Und man müsste im Grunde zehn Staustufen überwinden bis man in Basel angelangt ist und damit auch eine Reihe von weiteren Nebenflüssen erreicht. Dann kämen noch die Staustufen am Hochrhein, und das ist allerdings ein ziemlich umfangreiches Programm."