112.000 Menschen fanden damals in dem riesigen Fußballtempel Platz. In Rekordzeit hatten 800 Bauarbeiter das größte Fußballstadion der Welt an den Südrand der Acht-Millionen-Metropole geklotzt. Fast zwei Millionen Tonnen Lavagestein, Überreste eines längst vergangenen Vulkanausbruchs auf dem Gebiet der einstigen Azteken-Hauptstadt Tenochtitlan mussten erst beseitigt und 100.000 Tonnen Beton angerührt werden, bevor diese majestätische, aus drei größtenteils überdachten Tribünenrängen bestehende Fußballschüssel am 29. Mai 1966 auf dem Terrain der indigenen Ureinwohner eröffnet werden konnte.
"Sie zogen hinaus, zu Fuß in einem kilometerlangen Marsch im Hitzedunst, der nichts von der für diese Wochen angekündigten Regenzeit spüren ließ."
Fast auf den Tag genau vier Jahre später berichtet der legendäre Sportjournalist Ernst Huberty in dem Buch "Fußballweltmeisterschaft 1970" über die Begeisterung der Mexikaner vor dem Eröffnungsspiel, das die Gastgeber gegen die Auswahl der Sowjetunion bestreiten.
"Chromblitzende Straßenkreuzer, vollklimatisierte Omnibusse, aber auch die von zusammengepferchten Menschenleibern fast berstenden Busse, in denen die Mischung von Schweiß und Knoblauch einer europäischen Nase schier unerträglich sein dürfte, quälten sich auf der vielspurigen Autobahn in endlosen Schlangen dahin."
Schwaches Einstandsspiel der mexikanischen Mannschaft
Trotz aufopferungsvoller Hingabe des Publikums, das Signalhörner, Trompeten, Indianertrommeln, Rasseln und andere Utensilien zur frenetischen Unterstützung der Mannschaft einsetzt, endet das schwache Spiel 0:0. Elf mexikanische Nervenbündel, traditionell in Grün-Weiß gekleidet, stehen sich in sengender Mittagssonne meist gegenseitig im Weg. Dennoch schaffen es die Gastgeber bis ins Viertelfinale des Turniers, wo sich jedoch Italien als mindestens eine Nummer zu groß erweist. Auch Deutschland beißt sich an den Azzuri im Halbfinale, dem sogenannten Jahrhundertspiel, das mit 3:4 nach Verlängerung im Aztekenstadion verloren geht, die Zähne aus. Doch im Endspiel wartet Brasilien:
"Das Aztekenstadion war eine brausende Schale, randvoll mit 100.000 Menschen, die lärmend und voller Ungeduld ein Drama erhofften. Es warteten die Millionäre in ihren luxuriösen Logen, es warteten die namenlosen Unbekannten aus den endlosen neuen und grauen Vorstädten des riesigen Mexiko City. Italien war der Feind. Italien hatte das ehrgeizige, stolze Mexiko aus dem Turnier geworfen."
Und die Männer in den zitronengelben Trikots enttäuschen das Publikum nicht. Angeführt vom genialen Pelé, der zum vierten Mal an einer Weltmeisterschaft teilnimmt und nach 18 Minuten zum 1:0 trifft, lässt Brasilien den ausgepumpten Italienern keine Chance. 4:1 endet das Spiel. Brasilien ist zum dritten Mal Weltmeister.
Die imposante Kulisse des Aztekenstadions mit seinen steilen Tribünen ist für den mexikanischen Historiker León Krause einzigartig.
"Für mich ist es das schönste Fußballstadion des Planeten. Es gibt andere große wie das Camp Nou in Barcelona. Aber das Aztekenstadion ist nur für den Fußball gemacht und hat eine Atmosphäre wie nur wenige auf der Welt. Hier wurde die La-Ola-Welle während der WM '86 geboren, ein Riesenspektakel, das im Aztekenstadion wirklich beeindruckend ist."
Inzwischen wird das riesige Stadion, dessen Kapazität mittlerweile aus Sicherheitsgründen auf 95.500 Plätze reduziert worden ist, auch für andere Zwecke genutzt. Der Papst hat hier schon mit Gläubigen gefeiert, Michael Jackson bescherte den Konzertveranstaltern an vier Abenden hintereinander ein ausverkauftes Haus.
"Unsere gerechten Forderungen sind unverrückbar; deshalb rufen wir dazu auf, standhaft zu bleiben."
Und als vor 15 Jahren die Zapatisten zum Marsch auf die Hauptstadt aufriefen, um auf die Situation der zum Teil immer noch benachteiligten indigenen Bevölkerung Mexikos aufmerksam zu machen, gab es im Stadion ein großes, landesweit übertragendes "Konzert für den Frieden" und Kundgebungen.
"Wir, die Zapatisten, die Kämpfer ohne Gesicht und Namen, werden unsere Ziele nicht aufgeben. Wir werden weiterkämpfen im Sinne unserer Losung: für ein gerechtes Vaterland zu leben oder für die Freiheit zu sterben."