Zu gewaltigen Blumenkelchen geformtes dunkles Mahagoni-Holz umfängt geschliffene Spiegel, die wogender Schilf aus Messing zu halten scheint. Schwere Blumenranken als Teppichmotive fließen die Treppenstufen hinunter. Im Pariser Nobelrestaurant Maxim's dominiert noch heute die florale Üppigkeit des Jugendstils. Doch war es einst die erlesene Schar von Gästen, die den Mythos Maxim's begründete, wie sich die Ballerina, Varieté-Tänzerin und Muse Edgar Degas', Cléo de Mérode, Mitte des 20. Jahrhunderts erinnerte:
"Maxim’s war in der Zeit zwischen 1900 und 1914, als ich dort fast jeden Abend verbrachte, das internationale Restaurant des Vergnügens. Es war der einzige Ort, wo reiche, mit Perlen und Diamanten behängte Kurtisanen in schicken Automobilen vorfuhren. Sie hatten alle viel Humor und waren durchaus geistreich. Das Maxim’s galt als Treffpunkt von Leuten, die wirklich Esprit besaßen. Alle internationalen Persönlichkeiten, die sich in Paris aufhielten, kamen hierher. Wenn sie dann in ihre Heimatländer zurückkehrten, nahmen sie so etwas wie ein Diplom für das Leben im großen Stil mit nach Hause."
Am 23. April 1893 hatte Maxime Gaillard nur wenige Schritte von der Place de la Concorde entfernt in der Rue Royale Maxim’s Bar eröffnet, die vor allem von Kutschern frequentiert wurde. Zwei Jahre später verwandelte der neue Besitzer Eugène Cornuché das Lokal in einen Tempel des Jugendstils. Hector Guimard, der gerade die Eingänge zur neuen Pariser Metro entworfen hatte, und Louis Majorelle aus Nancy, beides renommierte Architekten des Jugendstils, lieferten die Entwürfe. Das neue Restaurant avancierte schnell zum Treffpunkt der Reichen und Schönen. Hier dinierten die Windsors, Marlene Dietrich, Orson Welles, Grace Kelly oder Rita Hayworth ebenso wie Aristoteles Onassis mit Maria Callas. Barfüßig und mit ihrem dritten Ehemann Gunter Sachs an der Seite, sicherte sich Brigitte Bardot einen legendären Auftritt. Den meisten Zeitgenossen flößte das Maxim‘s jedoch größten Respekt ein, wie sich Albert, der langjährige Maître d’hôtel, später erinnerte:
"Ich glaube, am schwierigsten ist es, ins Maxim’s hineinzukommen. Man stellt sich vor, dass man sofort abgewiesen wird und fühlt sich ständig beobachtet. Wenn man einmal drinnen ist, dann geht‘s."
Die Kochkunst im Maxim’s wurde nach dem Zweiten Weltkrieg mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet. 1978 verlor das Maxim’s jedoch seinen dritten Stern und wurde auf Wunsch der Familie Vaudable, damalige Besitzer des Maxim’s, gleich ganz aus dem renommierten Gourmet- Führer gestrichen. Eine Nachricht in Radio France, die ganz Paris erschütterte: "Maxim’s, der Tempel der Belle Epoque, das berühmteste Restaurant der Welt, ist auf das Niveau einer Pizzeria abgestiegen."
"Das Maxim’s ist ein Theater"
Louis Vaudable beeilte sich zu erklären, dass der Michelin-Führer nie eine Rolle für sein Restaurant gespielt hätte: "Es gibt kein Restaurant, das dem Maxim’s ähnelt. Das Maxim’s ist ein Theater, hier verbringt man einen Abend."
1981 schließlich übernahm ein Stammgast das Regiment im Maxim’s, Pierre Cardin. Er erwarb zunächst nur das Restaurant von den Vaudables und kaufte kurze Zeit später die gesamten 1200 Quadratmeter der noblen Adresse auf:
"Ich habe das Maxim’s gekauft und es so davor bewahrt, dass es in arabischen Besitz überging. Es blieb französisch. Rentabel war es allerdings nie. Ich habe die Marke Maxim’s kreiert und diese seitdem in vielen Ländern positioniert. Es gibt Maxim’s in Peking, Rio und New York, in Singapur und Mexiko."
In der Rue Royale tanzt heute die Jeunesse dorée, smarte junge Pariser mit viel Geld, in den oberen Etagen, während im Jugendstil-Ambiente des großen Salons im Erdgeschoss die Menüpreise immer noch bei 110 Euro beginnen. Doch der Mythos lebt weiter. Schon Rudolf Schock sang in Franz Lehars Operette "Die Lustige Witwe" über das Maxim’s : "…dann kann ich leicht vergessen mein teures Vaterland."