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Erreger im Schlafrock

Südlich der Sahara sterben jedes Jahr rund 10.000 Menschen an einer Infektion mit Trypanosomen. Der Erreger der Schlafkrankheit wird von der Tsetse-Fliege übertragen. Lange Zeit fehlten den Wissenschaftlern die technischen Mittel, um den Verwandlungskünstler Trypanosoma zu entzaubern. Forscher der Uni Würzburg und des Max-Planck-Instituts für Biochemie sind dabei jetzt einen großen Schritt weitergekommen.

Von Joachim Budde | 15.08.2012
    Trypanosomen sind Verwandlungskünstler. Mehrmals im Laufe ihres Lebens wechseln sie den Wirt. Einen Teil verbringen sie in der Tsetse-Fliege, dann ziehen sie in einen Menschen oder ein Rind um, um sich weiterzuentwickeln und erneut in die Fliege zurückzukehren. Die Lebensbedingungen für die Parasiten unterscheiden sich extrem zwischen Insekt und Säugetier. Die Trypanosomen müssen ihren Stoffwechsel umstellen und sich gegen ein völlig anderes Immunsystem zur Wehr setzen.

    Was genau dabei vonstattengeht, konnten Forscher bislang nur vermuten. Zu komplex sind die Veränderungen bei der Verwandlung. Auch die Sequenzierung des Trypanosoma-Genoms mit seinen rund 5000 Genen im Jahr 2005 hat daran wenig geändert, sagt Professor Christian Janzen von der Universität Würzburg:

    "So ein Genom an sich sagt einem natürlich nicht sofort viel aus. Es ist im Prinzip nur ein Buch in einer fremden Sprache, von dem man nicht wirklich weiß, was es bedeutet, man kann es nicht wirklich lesen."

    Wichtig ist vielmehr zu wissen, welche Proteine der Organismus konkret in den beiden Stadien bildet. Das sind jeweils vier- bis sechstausend - um die zu vergleichen, fehlte noch bis vor wenigen Jahren die technische Ausstattung.

    Die Lösung stammt aus Martinsried bei München: Stable isotope labeling by amino acids in culture, kurz SILAC, heißt die Methode; Matthias Mann vom Max-Planck-Institut für Biochemie hat dafür Anfang des Jahres den Leibniz-Preis bekommen. Mit SILAC können die Biologen diejenigen Proteine identifizieren, bei denen sich tatsächlich beim Übergang vom einen Stadium ins andere etwas verändert.

    Dazu haben Christian Janzen und seine Kollegen Trypanosomen gezüchtet, deren Proteine aus Aminosäuren mit unterschiedlich schweren Kohlenstoffisotopen zusammengesetzt sind: die Trypanosomen aus der Fliege mit normalem Kohlenstoff, die aus dem Säugetier mit dem schweren Isotop - und zur Kontrolle noch einmal andersherum.

    Proteine mit unterschiedlich schweren Aminosäuren zu benutzen, hat den Vorteil, dass die Forscher mit einem einfachen Vergleich im Massenspektrometer darstellen können, welche Proteine in welcher Menge in welchem Stadium gebildet werden.

    "Das Schöne ist: Man kannte ja schon einige Sachen, die sich ändern während dieses Differenzierungsprozesses und die haben wir dann auch gefunden, das heißt, das war eine gute Kontrolle, dass unser Ansatz funktioniert. Wir können jetzt mit diesem Datensatz die Lücken füllen, Lücken füllen heißt, dass wir Proteine sehen, die unterschiedlich reguliert sind, obwohl die RNAs nicht reguliert sind. Und das ist natürlich eine ganz wichtige Information, weil wir jetzt wirklich lückenlos die ganzen Bausteine dieser beiden unterschiedlichen Formen haben und jetzt direkt vergleichen können: Was ändert sich."

    Die Würzburger Biologen interessieren sich besonders für den Aufbau des Kerns der Trypanosomen. Aber sie haben natürlich aus allen Bereichen des Parasiten Proteine gefunden.

    "Wir haben jetzt ungefähr 250 Proteine gefunden, die hochreguliert werden in Blutstromform, und das sind natürlich viel zu viele, damit können wir nicht arbeiten, dafür ist die Gruppe zu klein, und wir werden uns natürlich auf die Sachen konzentrieren, die uns interessieren. Es gibt andere Kollegen, die interessieren sich für unterschiedliche Morphologien, und die können sich natürlich bedienen an diesem Datensatz, der wird zur Verfügung gestellt im Internet für alle, und das ist, glaube ich, was, was diesen Datensatz so wichtig macht."

    Ein Protein, das bei der Verwandlung eine große Rolle spielt, haben die Forscher schon identifiziert. Janzen sieht darin einen Ansatzpunkt, um den Entwicklungskreislauf des Erregers zu unterbrechen.

    "Wenn man weiß, was der Parasit macht, dann möchte man natürlich auch irgendwas finden, das das verhindert, und wenn man diese Differenzierung von dem einen Stadium ins nächsten verhindern könnte, durch ein Medikament, dann könnte man im Prinzip auch Menschen oder auch die Tiere heilen."