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Erreger ohne Grenzen

Medizin. – Drei Menschen hat ein erneuter Ausbruch der Vogelgrippe in Vietnam in der vergangenen Woche das Leben gekostet, so haben es Labors der Weltgesundheitsorganisation WHO inzwischen bestätigt. Immer wieder zieht die Geflügelseuche durch die Länder Südostasien, verursacht dort den Tod von Millionen von Vögeln und springt ab und zu auch auf Menschen und andere Säugetiere über. Gerade wurde der erste Fall eines Schweins berichtet, das an Vogelgrippe starb. Ein Gemeinschaftsprojekt von Russland, China, Australien und Neuseeland soll jetzt klären, ob Zugvögel tatsächlich für die Seuchenzüge verantwortlich sind.

    Die Routen sind sich verdächtig ähnlich: Wo immer in Fernost Zugvögel wie Gänse oder Enten auf ihrem Weg zwischen Nord und Süd auftauchten, kam es auch zu Ausbrüchen der Vogelgrippe, die je nach den Verhältnissen auch Menschen und andere Säuger befiel. Nach Einschätzung der WHO handelt es sich bei den Infektionen mit Influenzaviren inzwischen um eine Pandemie – unter Geflügel wohlgemerkt. Doch die weite Verbreitung unter dem Federvieh sorgt auch bei den Humanmedizinern für Sorgenfalten, denn die Übertragung auf andere Tierarten geht bei dem derzeit grassierenden Grippevirus-Stamm H5N1 unter Umständen sehr rasch und problemlos. Daher wenden sich die Virologen verstärkt der Quelle der stetigen Neuinfektionen zu. Professor Robert Webster vom St. Jude Children's Research Hospital im amerikanischen Memphis: "Wir haben Sorge, dass dieses Virus in sein natürliches Reservoir zurückgekehrt ist, also in die wilden Wasservögel."

    In Enten, Gänsen oder Möwen haben die Forscher das Virus isolieren können, doch bei den Wildvögeln erwies sich der Stamm als unterschiedlich virulent. Manche Tiere starben wie die Zuchtvögel, manche überlebten, obwohl das Virus nichts von seiner Virulenz eingebüßt hatte. Webster: "Wenn wir das Virus wieder auf Hühner übertragen, sterben alle Hühner innerhalb eines Tages." Daher wird jetzt ein Gemeinschaftsprojekt von Russland, China, Australien und Neuseeland erkunden, ob Zugvögel tatsächlich für die Ausbreitung des Virus über den Erdteil sorgen, oder ob vielleicht noch ein anderer Mechanismus dahinter steckt.

    Eines ist bereits jetzt klar: Mit den geeigneten Vorkehrungen lässt sich auch eine grassierende Vogelgrippenepidemie in Schranken halten. Hongkong dient Webster als Vorbild für den Rest der Region: "Als in Hongkong die Vogelgrippe 1979 zum Problem wurde, wurden Enten, Gänse und Wildvögel noch gemeinsam auf den Märkten angeboten. Als Erstes haben die Behörden die Enten und Gänse von den Märkten ausgeschlossen. Dann haben sie die Hühner geimpft und das Marktsystem wurde geändert. Alle Märkte sind gleichzeitig für zwei Tage im Monat geschlossen und werden gereinigt." Dadurch macht die Epidemie einen Bogen um Hongkong, obwohl die benachbarten chinesischen Provinzen betroffen sind. Der Impfstoff, den Hongkongs Hühner bekommen, richtet sich zwar nicht gegen H5N1 direkt, sondern gegen einen älteren Stamm, aber der Schutz reicht aus. Ein neuer Impfstoff ist nämlich noch nicht in Sicht, denn, so Webster, "es ist unmöglich das Virus zu nutzen, um schnell einen Impfstoff herzustellen, weil es Menschen, Hühner und deren Embryonen tötet". Daher sind Webster und seine Kollegen zu einem gentechnologischen Ansatz übergegangen. Sie verwenden für einen Impfstoff nur das Gen eines Hüllproteins, das das Virus verwendet, doch solche Impfstoffe könnten in Staaten wie denen Europas auf Widerstand stoßen, stammen sie doch schließlich von genetisch manipulierten Organismen.

    [Quelle: Jo Schilling]