""Wir eliminieren Terroristen, die wir als antinationalistische Elemente bezeichnen. Kurz ANIS. Wenn ich anfange, darüber nachzudenken, ob der Typ vielleicht unschuldig ist oder ob da Frauen und Kinder drin sind, kann ich weder kämpfen noch siegen."
"Hier ist ein anderer Patient mit einer für den damaligen Krieg sehr typischen Verletzung. Ihm wurden beide Hände abgehackt."
"Das System dient dazu, feindliche Lenkwaffen und Granaten abzufangen, bevor sie das zu schützende Objekt treffen. Damit können wir Leben retten."
Drei Stimmen, drei Berufe: Ein indischer Oberleutnant der Luftwaffe, ein Chirurg von "Ärzte ohne Grenzen", der Manager eines internationalen Rüstungskonzerns erzählen: sachlich, lakonisch, unaufgeregt, ohne moralischen Impetus. Der Manager spricht natürlich nicht von "Rüstung", sondern über die "Auslieferung von Abwehrsystemen". Aber klar wird auch: Alle diese Berufe haben Folgen.
"Ich habe meine Mission nach einem Monat beendet und bin nach Berlin zurückgekehrt; in der Zeit habe ich zweihundert Operationen durchführen können. Die Geschehnisse haben mich zu Hause in meinen Träumen verfolgt, so dass ich nachts aufstehen musste, um mich davon zu überzeugen, ob meine Kinder noch ihre Hände hatten."
Das Besondere an "Situation Rooms": Der Zuschauer wird zum Mitspieler, er verkörpert diese Stimmen, diese Menschen. Ausgestattet mit einem iPad und Kopfhörern ist er Subjekt eines Films, der auf dem Tablet abläuft und ihn durch unterschiedliche Räume führt. 20 Menschen machen die Tour gleichzeitig, begegnen sich in den unterschiedlichen Welten und müssen sogar handeln: Ich bin der Chirurg, der den Soldaten mit der Schusswunde an der rechten Hüfte mit einem gelben Aufkleber als "aufzuschiebende OP" markiert; ich bin die Kantinenchefin einer russischen Munitionsfabrik, die nur knapp einer Explosion entging und doch zuverlässig ihren Arbeitern Borschtsch serviert. Im Film begegne ich sogar der ganzen Flüchtlingsfamilie aus Libyen im Asylantenheim.
Die Gruppe "Rimini Protokoll" hat für dieses faszinierend perfekt gemachte Multiplayer-Video-Stück ein ganzes Haus mit verschachtelten kleinen Räumen gebaut. Von der Terrasse in Pakistan geht es auf den mexikanischen Friedhof, die Schule in Sierra Leone oder in das Büro des Rüstungsmanagers mit dessen persönlicher Ausstattung:
"In meinem Büro empfange ich oft Vertreter von Lieferanten und Kundendelegationen. Die Übergabe von kleinen Geschenken gehört dabei zur Geschäftskultur. Das in Glas gelaserte Kampfflugzeug habe ich bekommen, als EADS in der Schweiz war, um den Eurofighter der Schweizer Armee anzupreisen."
Der "Situation Room", den John F. Kennedy 1961 nach dem Desaster in der Schweinebucht bauen ließ, ist im Mai 2011 wieder ins Bewusstsein gerückt, als Barack Obama mit Hillary Clinton und anderen Regierungsmitgliedern hier die Erschießung Osama bin Ladens in Pakistan verfolgte. Das Bild aus dem "Situation Room" vermittelte Perfektion, Überblick und Macht.
"Situation Rooms" dröselt die hier zusammenlaufenden Fäden des Kriegshandwerks nun wieder in seine Einzelteile auf. Das Markenzeichen von "Rimini Protokoll", die Experten des Alltags, sind noch da, nur eben jetzt im Film, und sie machen uns als ihre Stellvertreter zu Experten des Krieges - ob als linker Abgeordneter, der deutsche Produkte auf einer Waffenmesse aufspürt oder am Joystick eines Drohnenkriegers.
Der Effekt ist brutal, aber gerade nicht durch Katharsis, nicht durch Mitleid oder Grauen. Dazu sind die Erzählungen – trotz mancher brutaler Bilder - zu sachlich, dazu verlangt die Tour mit gebanntem Blick auf das iPad viel zu viel Konzentration. Aber die Zerlegung der Wirklichkeit bringt so viele subjektive Wahrheiten ans Licht dass "die eine Wahrheit" oder auch nur eine "Überzeugung" zu haben am Ende schlicht unmöglich scheint.
Die Waffentechnik ist aber nur ein winziger Teil im Kreislauf der Gewalt, der in Ägypten und Syrien gerade wieder erschütternd eskaliert. Dieses Theater ist unglaublich aktuell:
"Wir wollten diese Revolution nicht, wir wurden dazu gezwungen. Jetzt bin ich behindert, weil die Kugel brennbares Material hatte und explodierte. Ein Nerv wurde versengt."
"Situation Rooms" lässt uns die Akteure des Krieges erschreckend nahekommen, auf allen Seiten. Man geht sehr nachdenklich und voll erschütterter Gewissheiten aus diesem Kriegs-Theater der besonderen Art.
"Hier ist ein anderer Patient mit einer für den damaligen Krieg sehr typischen Verletzung. Ihm wurden beide Hände abgehackt."
"Das System dient dazu, feindliche Lenkwaffen und Granaten abzufangen, bevor sie das zu schützende Objekt treffen. Damit können wir Leben retten."
Drei Stimmen, drei Berufe: Ein indischer Oberleutnant der Luftwaffe, ein Chirurg von "Ärzte ohne Grenzen", der Manager eines internationalen Rüstungskonzerns erzählen: sachlich, lakonisch, unaufgeregt, ohne moralischen Impetus. Der Manager spricht natürlich nicht von "Rüstung", sondern über die "Auslieferung von Abwehrsystemen". Aber klar wird auch: Alle diese Berufe haben Folgen.
"Ich habe meine Mission nach einem Monat beendet und bin nach Berlin zurückgekehrt; in der Zeit habe ich zweihundert Operationen durchführen können. Die Geschehnisse haben mich zu Hause in meinen Träumen verfolgt, so dass ich nachts aufstehen musste, um mich davon zu überzeugen, ob meine Kinder noch ihre Hände hatten."
Das Besondere an "Situation Rooms": Der Zuschauer wird zum Mitspieler, er verkörpert diese Stimmen, diese Menschen. Ausgestattet mit einem iPad und Kopfhörern ist er Subjekt eines Films, der auf dem Tablet abläuft und ihn durch unterschiedliche Räume führt. 20 Menschen machen die Tour gleichzeitig, begegnen sich in den unterschiedlichen Welten und müssen sogar handeln: Ich bin der Chirurg, der den Soldaten mit der Schusswunde an der rechten Hüfte mit einem gelben Aufkleber als "aufzuschiebende OP" markiert; ich bin die Kantinenchefin einer russischen Munitionsfabrik, die nur knapp einer Explosion entging und doch zuverlässig ihren Arbeitern Borschtsch serviert. Im Film begegne ich sogar der ganzen Flüchtlingsfamilie aus Libyen im Asylantenheim.
Die Gruppe "Rimini Protokoll" hat für dieses faszinierend perfekt gemachte Multiplayer-Video-Stück ein ganzes Haus mit verschachtelten kleinen Räumen gebaut. Von der Terrasse in Pakistan geht es auf den mexikanischen Friedhof, die Schule in Sierra Leone oder in das Büro des Rüstungsmanagers mit dessen persönlicher Ausstattung:
"In meinem Büro empfange ich oft Vertreter von Lieferanten und Kundendelegationen. Die Übergabe von kleinen Geschenken gehört dabei zur Geschäftskultur. Das in Glas gelaserte Kampfflugzeug habe ich bekommen, als EADS in der Schweiz war, um den Eurofighter der Schweizer Armee anzupreisen."
Der "Situation Room", den John F. Kennedy 1961 nach dem Desaster in der Schweinebucht bauen ließ, ist im Mai 2011 wieder ins Bewusstsein gerückt, als Barack Obama mit Hillary Clinton und anderen Regierungsmitgliedern hier die Erschießung Osama bin Ladens in Pakistan verfolgte. Das Bild aus dem "Situation Room" vermittelte Perfektion, Überblick und Macht.
"Situation Rooms" dröselt die hier zusammenlaufenden Fäden des Kriegshandwerks nun wieder in seine Einzelteile auf. Das Markenzeichen von "Rimini Protokoll", die Experten des Alltags, sind noch da, nur eben jetzt im Film, und sie machen uns als ihre Stellvertreter zu Experten des Krieges - ob als linker Abgeordneter, der deutsche Produkte auf einer Waffenmesse aufspürt oder am Joystick eines Drohnenkriegers.
Der Effekt ist brutal, aber gerade nicht durch Katharsis, nicht durch Mitleid oder Grauen. Dazu sind die Erzählungen – trotz mancher brutaler Bilder - zu sachlich, dazu verlangt die Tour mit gebanntem Blick auf das iPad viel zu viel Konzentration. Aber die Zerlegung der Wirklichkeit bringt so viele subjektive Wahrheiten ans Licht dass "die eine Wahrheit" oder auch nur eine "Überzeugung" zu haben am Ende schlicht unmöglich scheint.
Die Waffentechnik ist aber nur ein winziger Teil im Kreislauf der Gewalt, der in Ägypten und Syrien gerade wieder erschütternd eskaliert. Dieses Theater ist unglaublich aktuell:
"Wir wollten diese Revolution nicht, wir wurden dazu gezwungen. Jetzt bin ich behindert, weil die Kugel brennbares Material hatte und explodierte. Ein Nerv wurde versengt."
"Situation Rooms" lässt uns die Akteure des Krieges erschreckend nahekommen, auf allen Seiten. Man geht sehr nachdenklich und voll erschütterter Gewissheiten aus diesem Kriegs-Theater der besonderen Art.