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Erst spielen, dann zahlen

Spiele.- Der Einstieg in viele Online-Games ist kostenlos. Allerdings gelangt der Spieler schnell an einen Punkt, an dem er ohne kostenpflichtige Zusatzleistungen nicht weiterkommt. Zudem wollen auch Hacker gerne mitmischen: Oft wollen sie nichts geringeres als das komplette Spiel kontrollieren.

Von Maximilian Schönherr | 18.08.2012
    Stephan Payer ist Programmierer. Er schrieb vor 15 Jahren ein Computerrollenspiel, gründete mit dieser Idee dann seine eigene Firma, CipSoft in Regensburg. Ein Spiel heißt Tibia. Rund 300.000 Spieler schlüpfen mehr oder weniger gleichzeitig in die Rollen von Zauberern und Druiden, um gemeinsam oder gegeneinander Abenteuer zu erleben. Das Spielen ist zunächst kostenlos, macht aber erst richtig Spaß, wenn man einige Euro bezahlt hat. Auf seiner Problemliste ganz unten steht der Missbrauch von Kreditkarten. Das kommt häufig vor, aber es ist letztendlich ein Problem der Kreditinstitute.

    Was das mittelständische Unternehmen direkt und täglich zu spüren bekommt, sind Angriffe auf die Rechenzentren, also die "Server" in Deutschland und den USA, auf denen das Spiel läuft. Da gibt es den System-Hack, wo der Angreifer versucht, direkt auf den Server zu gelangen, um die totale Kontrolle über das Spiel zu bekommen. Zweitens den Angriff auf Konten einzelner Spieler. Der läuft typischer Weise so:

    Stephan Payer:

    "Zum Beispiel, indem man sich gegenüber diesen anderen Spielern als Mitarbeiter des Betreibers ausgibt und sagt, man braucht das Passwort, um irgendetwas nachzuprüfen, also das klassische Phishing."

    Und drittens spielt der Denial-of-Service-Angriff eine Rolle, wo viele anonyme Computer gleichzeitig mit sinnlosen Anfragen auf die Server des Spielebetreibers einstürmen, um sie in die Knie zu zwingen.

    "Die Stärke der Attacken variiert. Also schwache Angriffe, die wir zwar als Angriffe registrieren, die das Spiel selbst aber nicht beeinflussen, weil unsere Schutzwälle entsprechend hoch sind, die passieren eigentlich wöchentlich."

    Der Grund: Meistens, so Stephan Payer, hat sich ein Spieler geärgert, ist vielleicht rausgeflogen. Pro Monat werden von den Cipsoft-Betreuern einige Tausend Spieler wegen Fehlverhaltens zwangsweise abgemeldet. Das größte Problem ist der Cheat – zu Deutsch: der Betrug. Früher war das ein Code, mit dem der Spieler ein kostenpflichtiges Spiel cracken konnte, um es dann kostenlos zu spielen, oder anders zu spielen, mit mehr Luxus, mehr Leben, mehr Waffen. Heute funktionieren diese Aushebelungen des normalen Spielbetriebs auf höherem Niveau:

    "Da geht es zum Beispiel darum, dass man mit Programmen seine Spielfigur steuert und nicht mehr selber, und damit 24 Stunden am Tag spielen und 24 Stunden am Tag seinen Character verbessern kann und sich dadurch Vorteile gegenüber den anderen Spielern verschafft. Manche reizt auch einfach die technische Herausforderung. Sie versuchen, mit analytischen Methoden an das Spiel heranzugehen, und freuen sich, wenn sie irgendwo einen Weg gefunden haben, den wir bei der Erstellung vielleicht nicht berücksichtigt haben, und diesen Weg dann ausnutzen. Zunächst einmal wird er von anderen Spielern bemerkt, dass er eben sehr lange online ist, sich sehr gleichmäßig verhält, also sich immer an der gleichen Stelle aufhält, immer nur im Kreis herumläuft, keine Interaktion mit anderen Spielern hat. Da gehen dann natürlich Beschwerden ein. Wir haben die Möglichkeit, uns den Spieler selber einmal anzuschauen, indem wir in dem Spiel dort an die entsprechende Stelle hinspringen. Ansonsten versuchen wir auch, die Verhaltensmuster automatisch zu analysieren und dadurch Cheater zu entdecken."

    Manfred Kloiber: Auch Stephan Payers Spiel Tibia ist "Free 2 play", ist also ein Kostenlos-Spiel, das dann hinterher erst die Kosten verursacht. Ist das ein Trend, der sich durchsetzen wird? Verdrängen diese kostenlosen Spiele die "Boxed Games", die man für rund 50 Euro auf DVD kauft, Maximilian Schönherr?

    Maximilian Schönherr: Zumindest machen sich alle Hersteller dieser teueren, auch "AAA" genannten Spiele, durchaus Gedanken darüber. Und zwar alle. Da gibt es technische Fragen zu lösen, was ich dem Browser, über den die meisten Free-2-Play-Spiele laufen, zumuten kann, übrigens auch den immer leistungsfähigeren Grafikkarten in Mobiltelefonen und auf Tablets. Aber gegen Free 2 Play gibt es auch gefühlsmäßige Vorbehalte, ja Vorurteile. Zum Beispiel erzählte der Russe Victor Kislyi, dass seine Programmierer aufschrien, als er ihnen antrug, ihr Panzerkriegsspiel kostenlos zu machen.

    Kloiber: Warum sind die da so gegen?

    Schönherr: Weil sie damit chinesischen Schund verbinden, Aber russisch-europäische Hochästhetik herstellen wollen. Victor Kislyi hängt die Abhängigkeit von den Sponsoren, dem Verlag, dem Vertrieb zum Hals heraus; er nennt es abfällig die "Nahrungskette". Und er fühlt sich da als letztes Glied in der Kette. Bei Free 2 Play hat er den Spieler direkt an der Leine. Es gibt keine Zwischenhändler mehr, keinen Laden, in dem eine schlecht beworbene DVD verstaubt. Das Direkte gefällt ihm, aber er sagt: Zehn Millionen Spieler, die man bei Free 2 Play leicht ganz kriegt, bedeutet auch zehn Millionen Support-Anfragen. Und er scherzte ins Publikum rein: Zehn Millionen täglich. Wenn das Spiel in den USA läuft, müssen Amerikaner den Support machen – teuer. Und wenn der Support nur an einigen Stellen versagt, geht das direkt in die Bewertungen ein, und die sind ein Thema für sich, eine Art Metawährung, die die Spielehersteller ganz besonders und immer ernster nehmen.

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    Sonderseite zur gamescom