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Erste deutsche Netflix-Serie
"Dark" verbreitet globalisierten Horror

Ab 1. Dezember läuft "Dark", die erste deutsche Netflix-Produktion. Sehr rätselhaft und düster kommt "Dark" daher, Fernsehgewohnheiten werden gebrochen. Am Ende bleibt dennoch der Eindruck, dass einiges nicht so richtig gelungen ist. Und dafür gibt es mehrer Gründe.

Von Julian Ignatowitsch |
    Netflix-Serie "Dark"
    Louis Hoffmann (l), Jantje Friese und Baran Bo Odar setzen bei "Dark" vor allem auf "German Angst" (Deutschlandradio / Anna Wollner)
    Ein Selbstmord, eine Kinderleiche, ein Glückspfennig aus dem Jahr 1986 und eine geheimnisvolle Höhle im Wald: Die neue deutsche Netflix-Serie "Dark" gibt gleich in der ersten Folge, in den ersten Minuten, zahlreiche Rätsel auf und man merkt schnell - hier ist nichts, rein gar nichts in Ordnung.
    "Gestern, heute und morgen folgen nicht aufeinander. Sie sind in einem ewigen Kreis miteinander verbunden. Alles ist miteinander verbunden."
    Im Städtchen Winden, zwischen Wald und Atomkraftwerk, ist die Zeit aus den Fugen. Kinder verschwinden: "Keine Spur. Nichts. Als hätte er sich in Luft aufgelöst."
    Und tauchen - vielleicht - wieder auf.
    "Alles ist genauso wie vor 33 Jahren. Alles wiederholt sich."
    Anspruchsvoller als "You Are Wanted"
    "Dark" fordert den Zuschauer, seine Sinne, sein Realitäts-, Raum- und Zeit-Verständnis heraus - die Serie weicht von den Fernsehgewohnheiten ab, erzählt nonlinear und mit Zeitsprüngen. Das ist anspruchsvoller als zum Beispiel Amazons erste deutsche Produktion "You Are Wanted" mit Matthias Schweighöfer. "Dark" verstört und fesselt, fixt mit seinen geschickt platzierten Cliffhangern zum Weitergucken an. Genau darum geht es ja bei den vielen neuen Serienproduktionen, die zum "Bingewatching", zum exzessiven Immerweiter, animieren sollen.
    Noch so ein Rätsel: Ein tiffanyblaues Kinderzimmer im Nirgendwo, ein Fernseher im Eck, Nena singt und ein Junge hält sich die Ohren zu. "Dark" erinnert nicht nur in dieser Szene an den Serienklassiker "Twin Peaks" - Dorf, Wald, übersinnliche Kräfte, David Lynchs berüchtigter Red Room, hier eben Türkis. Und gleichzeitig denkt man an den neuesten Netflix-Hit "Stranger Things" - die 80er, Kinder als Protagonisten, Provinz und Parallelwelt.
    Die Macher Baran bo Odar und Jantje Friese orientieren sich allzu deutlich an Vorbildern. Und so kommt die deutsche Serie alles in allem doch wie ein Abklatsch daher. Dort, wo die Serie eine eigene Bildsprache und einen eigenen Ton finden könnte, tut sie sich schwer. Kiffende Jugendliche, überforderte Mütter oder fremdgehende Väter sind hier eben nicht das Fundament zum durchaus gekonnt inszenierten Horror, sondern nur gängiges Beiwerk.
    "Dark" und seinen Figuren fehlt es an psychologischer Tiefe, was am Drehbuch, nicht am gut besetzten Cast liegt. Das Label "German Angst", mit dem man wohl im Ausland punkten möchte, bedeutet hier nur: dichter Wald, dunkle Höhle und möglichst mittelalterlich aussehende Folterinstrumente.
    Universalismus als Antwort auf die Europa-Quote
    Als erste deutsche Netflix-Produktion bleibt die Serie - abseits der Klischees - relativ Deutschland-unspezifisch, was wiederum zeigt, wie sich der Streaming-Anbieter seine Inhalte vorstellt: nämlich international und globalisiert. Ein Texaner soll sich mit dem Stoff genauso identifizieren können wie jemand in Rio de Janeiro, Seoul oder Berlin-Kreuzberg.
    Universalismus als Antwort auf die Europa-Quote. Bald müssen Streaming-Dienste nach einem EU-Beschluss mindestens 30 Prozent ihres Programms mit europäischen Produktionen bestücken. Der Trend ist bereits erkennbar, zuletzt erschienen bei Netflix zum Beispiel die Mafia-Serie "Suburra" aus Italien oder das Retro-Drama "Las chicas del cable" aus Spanien. Klischees auch hier inklusive.
    Im Falle von "Dark" jedenfalls funktioniert der Plan mit Abstrichen. Suchtpotenzial, ja. Spannend und handwerklich gut gemacht, ja. Aber neue Ideen, psychologische Tiefe oder Überraschungsmomente fehlen. Alles schon da gewesen - vielleicht nicht hierzulande, aber in der großen weiten Serien-Welt allemal.
    "Dark" ist ab dem 1. Dezember 2017 auf Netflix abrufbar.