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Erste Klimarekorde dieses Jahres

Meteorologie. - Die Berichtssaison läuft, nicht nur für Jahresabschlüsse der Wirtschaft, sondern auch für Klimarekorde. Schon im Juli meldete die US-Raumfahrtagentur Nasa, dass die Oberfläche des grönländischen Eispanzer zu 97 Prozent von Tauwasser bedeckt sei, jetzt berichtet die Schwesterbehörde für Ozean und Atmosphäre Noaa von Hitzerekorden für die 48 US-Bundesstaaten des Hauptgebiets der Vereinigten Staaten.

Von Volker Mrasek |
    Nur einige Zahlen, und es wird klar, wie ungewöhnlich das Wetter in den Vereinigten Staaten derzeit ist. Der Juli war der wärmste Monat seit Beginn der Aufzeichnungen vor fast 120 Jahren, mit einem Tagesmittelwert von über 25 Grad Celsius. Schon seit Januar ist es in den USA wärmer als jemals zuvor in den ersten sieben Monaten eines Jahres. Und dann die große Trockenheit: Am 24. Juli herrschte auf fast zwei Dritteln der Landesfläche leichte bis extreme Dürre – auch das ein neuer Rekordwert. Die Daten beziehen sich auf die 48 zusammenhängenden Bundesstaaten, ohne Alaska und Hawaii. Sie stammen von der Noaa, der Nationalen Behörde für Ozean und Atmosphäre. Mit einer Entspannung der Lage rechnet dort niemand so schnell. Am gestrigen Abend unserer Zeit schilderten Experten die aktuelle Lage. Ed O'Lenic aus dem Klima-Vorhersagezentrum der Noaa:

    "Diese Trockenheit wird nicht so schnell vorbei sein. Auch dann nicht, wenn ab sofort wieder normale Regenmengen fallen. Die Böden sind einfach zu sehr ausgedorrt. Es kann sogar sein, daß die Trockenheit stellenweise bis zum Frühjahr anhält."

    Offenbar läuft alles auf ein neues Rekordjahr in den USA hinaus. Jake Crouch aus dem Klimadatenzentrum der Noaa:

    "Auch wenn von August bis Dezember nur noch mittlere Temperaturen auftreten, wird 2012 das wärmste Jahr in den USA werden."

    Mit natürlichen Klimaschwankungen lasse sich das nur zum Teil erklären, so der US-Physiker:

    "Die Wärme in diesem Jahr hat zunächst einmal mit der Dürre zu tun. Wenn Böden austrocknen und kein Wasser mehr aus ihnen verdunstet, fehlt ein natürlicher Kühleffekt, und die Lufttemperaturen steigen. Zusätzlich gibt es aber einen anhaltenden Erwärmungstrend in den USA. Der kommt noch mal obendrauf. Dadurch konnte es erst zu den Rekordtemperaturen in vielen Teilen der USA kommen, die wir im Juli hatten."

    Das deckt sich mit den Ergebnissen einer neuen Studie von Klimaforschern der US-Raumfahrtbehörde Nasa. Sie wollten wissen, ob Hitzewellen, wie wir sie heute erleben, auch schon vor 30 oder 60 Jahren aufgetreten sind. Nach dem Ergebnis der Studie war das damals noch die große Ausnahme. Heute dagegen seien bis zu zehn Prozent der Landoberfläche von extremen Hitzeperioden betroffen. Dahinter stecke der Ausstoß von Treibhausgasen durch den Menschen. Ohne ihn seien so starke Hitzewellen wie 2010 rund um Moskau oder 2011 in Texas nicht zu erklären, so die Nasa-Forscher.

    Einen neuen Rekord melden Forscher auch aus Grönland. Marco Tedesco war verblüfft, als er jetzt Satellitenbilder vom riesigen Eispanzer der Insel auswertete. Der Italiener ist Assistenzprofessor für Erd- und Atmosphärenwissenschaften am City College in New York:

    "In den letzten Wochen war die Eisschmelze auf Grönland so stark, daß schon am 8. August ein neuer Jahresrekord aufgestellt wurde. Und es ist noch nicht Schluss! Das Eis wird weiter schmelzen - bis Ende des Monats oder sogar bis in den September hinein. Das heißt, der neue Rekord war schon rund vier Wochen vor dem üblichen Ende der Eisschmelze erreicht."

    Den Daten zufolge waren am Rekordtag 97 Prozent des grönländischen Eispanzers an der Oberfläche geschmolzen – so viel wie noch nie seit Beginn der Satellitenmessungen vor über 30 Jahren. Am Ende könnten es sogar 100 Prozent werden. Auch hier scheint klar, was die Ursache für die Rekordverluste ist: die globale Erwärmung. Tedesco:

    "Unsere Analysen sind noch nicht abgeschlossen, aber grundsätzlich kann man sagen: Auslöser der starken Eisschmelze sind gestiegene Oberflächentemperaturen."

    2012 – schon jetzt ein Jahr der neuen Klimarekorde. Das dürfte das Bewusstsein für die globale Erwärmung und ihre Risiken noch weiter schärfen.