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Erste Kunstausstellung von Peaches
Masturbieren für eine bessere Welt

Penis-Prothese oder Ganzkörper-Vagina-Anzug: Die Kanadierin Peaches provozierte schon immer gern mit ihrer Kunst. Zu ihrem 20-jährigen Bühnenjubiläum zeigt sie nun ihre erste Einzelausstellung aus queer-feministischer Perspektive, die allerdings nicht besonders subtil und tiefgründig erscheint.

Von Juliane Reil |
Auf dem Bild ist die Musikerin Peaches zu sehen. Hinter ihr befinden sich viele Sexpuppen.
Musikerin Peaches alias Merrill Beth Nisker in der Ausstellung "Whose Jizz is This?" (Kunstverein in Hamburg)
Peaches: "Wir dürfen nicht vergessen, wir leben in einer Blase. Die Welt ist groß, und sie wächst exponentiell in jede Richtung – Liebe und Hass. Wir müssen auf der Seite der Liebe bleiben. Aber wenn man mich fragt, wie ich die Ausstellung in nur ein, zwei Worten beschreiben würde, sage ich: #Fuckhumans. Die Menschen müssen endlich erwachsen werden und es auf die Reihe bekommen."
Peaches. Um klare Worte ist die zierliche Krawall-Electropunk-Lady aus Kanada und Wahlberlinerin bis heute nicht verlegen. "Fuck The Pain Away" aus ihrem Debütalbum von 2000 ist der populärste Song der mittlerweile 52-Jährigen mit dem blondierten Irokesen. Drastisch und provokant ist auch ihre Inszenierung auf der Bühne – von rosa Hotpants mit umgehängter Penis-Prothese bis zum Ganzkörper-Vagina-Anzug. Dagegen ist Madonna eine Pastorentochter. In der Ausstellung "Whose Jizz Is This" - zu deutsch "Wessen Wichse ist das?" - geht es um Masturbatoren. Sexspielzeuge, die ein Eigenleben entwickeln.
"Sie sagen den Menschen: 'Ihr könnt uns mal. Wir wollen nicht zugewichst und benutzt werden, wie ihr es tut.' Sie sagen sich gegenseitig: 'Wir haben einen Mund, eine Vagina oder einen Schwanz – alles, was wir wollen – damit können wir uns selbst befriedigen. Wir brauchen keine Menschen, die uns nicht gut behandeln'."
Emanzipation der Masturbatoren
Zu Beginn der Ausstellung sieht man im Video einen Mann, der mit seinen Fingern relativ lieblos zeigt, wie man einen Doppel-Masturbator benutzt – an der einen Seite sieht der Gegenstand wie ein Mund, an der anderen Seite wie eine Vagina aus. In einer Art Parcours aus vierzehn Stationen wird die Emanzipation dieser Masturbatoren erzählt: Sie selbst nennen sich "Fleshies" - von "Flesh" für "Fleisch" im Englischen - und beginnen, ihre Geschichte neu zu schreiben: Das Objekt der Begierde entwickelt eigene Wünsche und Begierden, die es auch artikuliert.
"We never see any light but we will take it no more, we gonna do it it tonight ... Don´t wanna feel you at all, we make our own kind of Sound, so don’t expect us to come, we make it on our own."
In einer Mischung aus Sounddesign, Licht, Film, Fotografie und Skulptur entwirft Peaches eine Art begehbare Installation, die stark von ihrer Bühnenbild-Ästhetik geprägt ist. Zum Beispiel eine Art Monster-Fleshy - so groß und häßlich wie eine Muräne, die gleich beißen könnte. Oder Fleshies ineinander verschlungen als Springbrunnen, der fröhlich Wasser – beziehungsweise im übertragenen Sinne Sperma – speit.
Humorvolles Spiel mit Obszönitäten
Das teilweise humorvolle Spiel mit Obszönitäten kennt man von Peaches. Richtig schockierend ist das nicht mehr, dafür wirkt die gezeigte Kunst zu naiv. Die Fleshies stehen für eine Reduktion des Menschen, wie Peaches erklärt:
"Weil es sich für viele Leute so anfühlt, als ob sie keinen eigenen Körper haben – und das obwohl sie eigentlich alle Körperteile besitzen. Sie fühlen sich körperlos. Sie fühlen sich nicht als Ganzes wahrgenommen, als ob man durch sie hindurchsieht.
In ihrer Ausstellung erzählt Peaches eine Fabel mit einfacher Moral, die in ihrem allegorischen Gehalt wenig subtil erscheint. Inhaltlich knüpft die Künstlerin an die "Body Politics" der 80er-Jahre und queer-feministische Theorien in der Tradition von Judith Butler an. Ganz neu sind diese Gedanken also nicht. In den damaligen Theorien spielte unter anderem die Degradierung des Menschen – insbesondere der Frau – zum Objekt eine Rolle.
Fehlende Tiefgründigkeit
In "Whose Jizz is This?" dreht Peaches den Spieß um: Die Dinge stellen der menschlichen Gesellschaft ein Armutszeugnis aus und bilden ihre eigene neue Gemeinschaft. Das ist nicht wahnsinnig tiefgründig. Aber es wird dem Ruf der Kanadierin gerecht, für eine queer-feministische Perspektive zu kämpfen, deren Dreh-und Angelpunkt nach wie vor der Körper ist.
"Das ist unser Gefäß. Wenn wir uns darin nicht wohl fühlen, wie kann man dann ein gutes Leben führen? Jeder muss sich in seinem Körper wohlfühlen können. Es gibt viele verschiedene Körper, und es gibt viele verschiedene Wege von Genuss, Liebe und Beziehung. Heute sind diesen Dingen gegenüber aufgeschlossener, aber nach wie vor müssen wir uns von einem Denken in binären Strukturen befreien."