Archiv

Erste öffentliche Gottesdienste
Ausgebuchter Messen-Marathon

In Sachsen gilt seit heute eine neue Corona-Verordnung. Gottesdienste sind wieder erlaubt. Allerdings nur für maximal 15 Gläubige. Ein katholischer Pfarrer nutzt die Chance. In Leipzig gab es am Morgen den bundesweit wohl ersten Gottesdienst nach Schließung der Kirchen in Corona-Zeiten.

Von Astrid Pietrus |
Der bundesweit erste öffentliche Corona-Gottesdienst am Montag, 20. April 2020 in der Leipziger Propstei-Kirche
Der erste öffentliche Corona-Gottesdienst in der Leipziger Propstei-Kirche (Deutschlandradio / Astrid Pietrus)
Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen, heißt es im Matthäus-Evangelium. In der Leipziger Propstei-Gemeinde haben sich heute Morgen gleich 15 Menschen versammelt, um am ersten öffentlichen Gottesdienst seit der Corona-Krise teilzunehmen. Das ist zugleich auch die maximale Teilnehmerzahl, die in Sachsen für Gottesdienste erlaubt ist. Sachsen ist das erste und bislang einzige Bundesland, das seit heute wieder Gottesdienste unter Wahrung der Sicherheitsmaßnahmen erlaubt.
"Kommt herbei, singt dem Herrn. Das beschreibt wunderbar, was jetzt nach fünf Wochen Unterbrechung wieder möglich ist. Diese kleine Zahl von 15 Gottesdienst-Teilnehmenden macht uns deutlich, dass solche Versammlungen nach wie vor ein Risiko darstellen und dass wir in Sachsen sozusagen als Vorreiter eine Art Experiment versuchen", sagt Propst Giele in seiner Ansprache.
Das letzte Mal hat er seine Gemeinde vor über fünf Wochen im Gottesdienst gesehen. Sechs Sonntage inklusive Kar-und Ostertage fanden keine Gottesdienste statt.
"Ein starkes Hoffnungszeichen"
"Das ist vor allem nicht nur eine quantitative Zeit, sondern vor allem eine qualitative Dimension, dass man also das zentrale Fest von uns Christen in völlig anderer Form feiern musste. Und deswegen finde ich den Wiedereinstieg mit 15 Gottesdienst-Teilnehmenden ein starkes Hoffnungszeichen. Man weiß, das wird - wenn alles gut geht – sich wieder aufbauen. Wir wissen aber auch um das Risiko, wenn das Experiment nicht gelingt, sich die Zahlen wieder erhöhen, werden die Gottesdienste wieder komplett abgesagt werden müssen."
Weit versprengt sitzen die 15 Gläubigen auf markierten Plätzen in der Leipziger Propstei-Kirche, die normalerweise Platz für 550 Menschen hat. Der Mindestabstand ist also gewahrt. Eine Teilnahme ist nur nach vorheriger Anmeldung möglich. Seit Samstag kann man sich auf der Gemeindewebseite registrieren. 160 Anmeldungen gibt es bislang. Das läuft auf einen Messen-Marathon hinaus.
"Wir haben ja auch die Zahl der Werktagsgottesdienste erhöht, um möglichst vielen die Möglichkeit zu geben, an einem Gottesdienst innerhalb einer Woche teilzunehmen, sodass wir bis zum Ende der Woche ungefähr 300 Menschen die Möglichkeit geben, an einer Messe teilzunehmen", so Giele.
Kommunion mit Gummihandschuhen
Gottesdienste zu Zeiten von Corona sind anders, denn eine normale katholische Messe bietet viele Infektionsmöglichkeiten: das Bekreuzigen mit Weihwasser, die Berührung beim Friedensgruß und die Kommunion.
Wie kann eine Messe hygienisch einwandfrei stattfinden? Der katholische Bischof des Bistums Dresden-Meißen, Heinrich Timmerevers, gibt in einer Dienstanweisung genaue Regeln an die Hand: Der Mindestabstand muss gewahrt bleiben, das Weihwasserbecken bleibt – wie auch schon in den Wochen vor der Kirchenschließung - leer, jeder Gläubige muss ein eigenes Gesangbuch mitbringen, beim Friedensgruß wird auf Handberührung oder Umarmung verzichtet. Für einige Teilnehmer ist das gewöhnungsbedürftig.
Propst Giele bei der Kommunion im ersten öffentlichen Corona-Gottesdienst in Sankt Trinitatis in Leipzig
Einmalhandschuhe und viel Abstand - die Kommunion in Corona-Zeiten (Deutschlandradio / Astrid Pietrus)
"Naja, auf der einen Seite das distanzierte Sitzen zu den Gemeindemitgliedern, beim Friedensgruß, das eben per Lächeln zu machen. Einfach diese ständige Distanz zu allen anderen drum herum, das war schon recht merkwürdig", sagt ein junger Mann.
Auch die Kommunion ist anders: Die Hostien verdeckt Propst Giele bei der Segnung und beim Verteilen der Kommunion trägt er Gummihandschuhe, auf Mundkommunion wird verzichtet.
Besser als nichts
Das Fazit nach der ersten hygienisch einwandfreien Messe nach wochenlangen Online-Gottesdiensten ist gemischt.
"Ich fand das ein großartiges Erlebnis. Nach so viel Wochen, wo wir nur Internet-Messen mitfeiern durften, war es schon etwas ganz Besonderes, mal wieder ganz konkret mit einer kleinen Gemeinde direkt in der Kirche mit dem Priester feiern zu können", sagt eine Frau.
"Also es war schon ein merkwürdiges Gefühl, weil es nicht so war wie sonst immer. Aber es ist halt schön, dass es überhaupt wieder stattfinden kann und es ist vielleicht so ein bisschen Normalität in dieser anderen Zeit", sagt eine andere Gottesdienstbesucherin.
Auch für Propst Giele war es eine ungewohnte Erfahrung.
"Zuallererst ist das natürlich eine große Freude gewesen. Wir haben Livestream-Gottesdienste übertragen, wo man unentwegt in eine Kameralinse geschaut hat. Jetzt wieder in Gesichter schauen zu können, das ist ein deutlicher Fortschritt. Aber die Feier ist gewöhnungsbedürftig. Gottesdienst will Nähe schaffen und wir müssen für Distanz sorgen, das passt optisch, theologisch, inhaltlich nicht zusammen. Deswegen ist mir wichtig, sich immer klarzumachen, dass, wenn wir uns am Normalfall orientieren, dann ist das natürlich eine Katastrophe, was wir hier feiern. Man sollte sich eher nach unten orientieren und sagen: Schön, dass diese Möglichkeit jetzt wenigstens existiert statt gar nichts."
Heute Abend wird es noch zwei weitere Messen in der Leipziger Propstei-Kirche geben, auch sie sind ausgebucht.