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Erste polnische Netflix-Serie "1983"
Überall lauert das Unheil

Die neue Netflix-Serie „1983“ zeigt Polen als dystopischen Überwachungsstaat in Folge von terroristischen Anschlägen. Zwischen George Orwell und 9/11 entspinnt sich eine anspielungsreiche Verschwörung, die zeigt: Der osteuropäische Serienmarkt ist zu beachten.

Von Julian Ignatowitsch |
    Netflix-Serie "1983"
    Szenenausschnitt aus der polnischen Netflix-Serie "1983" ((c)Netflix)
    Das Buch taucht gleich in der ersten Sequenz auf. In der Wohnung eines Widerständlers, der sich scheinbar selbst erhängt hat. Natürlich ist der Titel der Serie kein Zufall: "1983", ein Jahr vor George Orwells berühmten Dystopieklassiker "1984". Und so ist auch dieses kommunistische Polen ein Überwachungsstaat, ein totales Regime der Konformität, in dem die Justiz gleichgeschaltet ist und die Partei das Sagen hat.
    "Ich habe keine Angst vor einem Heer von Löwen, angeführt von einem Schaf. Ich habe Angst vor einem Heer von Schafen, das von einem Löwen angeführt wird."
    Totales Regime nach Terroranschlag
    1983 - in der Serie ist das Jahr eines verheerenden Terroranschlags, der den Weg in den Polizeistaat bereitet hat. Der Eiserne Vorhang ist nie gefallen, Polen wurde nicht demokratisch , die Sowjetunion und die USA stehen sich auch 20 Jahre später feindlich gegenüber. Jetzt, 2003, begegnen sich der idealistische Jurastudent Kajetan und der desillusionierte Ermittler Anatol.
    "Man sagte, diese Anschläge haben unser Land verändert. Leben wir nun in dem Land ihrer Träume?"
    Die Serie "1983" ist gleichermaßen ein Kommentar auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 und deren Folgen, als auch brandaktuell auf die neu entfachte Expansionspolitik von Putins Russland. Polizisten verfolgen ihre Bürger auf Schritt und Tritt, vermeintliche Regimegegner werden unterdrückt und brutal ermordet, die Freiheit verschwindet im Namen der Sicherheit:
    "Man wird für uns keine Denkmäler errichten, wir bekommen ein Grab."
    Und dennoch ist die Serie im düsteren Umfeld der Diktatur mehr ein wendepunktreicher Ermittlungsthriller als eine großangelegte Dystopie. Denn die Handlung bleibt stark auf ihre beiden Hauptfiguren beschränkt: Kajetan und Anatol müssen eine Verschwörung aufdecken. Wird der Aufstand zur Revolution?
    "Denk dran, was sie uns angetan haben. Heute nehmen wir ihnen was."
    Alternative Geschichtsversion
    Der Erfolg solcher alternativer Historienerzählungen, sogenannter Uchronien, hat sich bereits bei Amazons "The Man in the High Castle" oder "SS-GB" gezeigt. Allerdings immer mit dem "Nazi"-Gruselfaktor, der sich natürlich gut verkauft. Qualitativ kann es diese Serie aus Osteuropa mit den Vorbildern in jedem Fall aufnehmen.
    "Vergiss nicht, dass dein Volk aus Schafen besteht und sie alle suchen eines: einen Löwen."
    Mit Robert Więckiewicz ist einer der bekanntesten Schauspieler des Landes an Bord. Die Regisseurinnen Agnieszka Holland und Kasia Adamik, Mutter und Tochter, haben bereits bei mehreren "House-of-Cards"-Folgen mitgewirkt und 2017 auf der Biennale einen Silbernen Bären für ihren Film "Pokot" gewonnen.
    Überhaupt ist Polen seit dem Film "Ida", dem Oscar-Gewinner 2013, kein unbeschriebenes Blatt im Filmgeschäft mehr. Und jetzt auch auf dem Serienmarkt im Vormarsch. Gerade hat Netflix mit den Dreharbeiten zur Serie "The Witcher" begonnen, einer überaus erfolgreichen polnischen Bücher- und Videospiel-Reihe. Spätestens sie soll ein globaler Erfolg werden. Im Falle von "1983" dürfte die Thematik dafür noch etwas zu speziell sein.
    So oder so: Der Markt in Osteuropa hat großes Potenzial. Allein im letzten Jahr hat sich die Zahl der Netflix-Abonnenten in Polen auf gut 1,2 Millionen verdoppelt. Bis 2022 soll der Umsatz bei Video-on-Demand hier von 88 auf fast 150 Millionen Euro steigen. Für Streaming-Anbieter also alles gute Argumente für Hochglanzserien "Made in Poland". Und auch die Zuschauer kommen auf ihre Kosten.