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Erste Stunde Mathe, zweite Stunde Fußball

In einem Stuhlkreis sitzen zwölf Kinder. Sie lernen Englisch. In einem Spiel müssen sie sich kleine Kärtchen mit Zahlen drauf zustecken und daraus Sätze bilden. Ihre Mentorin Berit Werner leitet das Spiel.

Von Christina Selzer | 13.09.2008
    Die Ganztagsgrundschule im Bremer Norden ist eine besondere Schule. Hier gibt es keinen Frontalunterricht und auch keine Klassen, sondern Lernhäuser, die nach Farben benannt sind und in denen verschiedene Jahrgänge gemeinsam lernen. Keine Klassenlehrer stehen vorne am Pult, sondern Mentoren begleiten die Kinder beim Lernen. Es gibt außerdem kein starres Lernprogramm, erklärt Referendarin Berit Werner:

    "Der Grundunterschied ist das individuelle Lernen, dass jedes Kind arbeitet, wo es arbeiten kann, hier haben wir Kinder zwischen acht und elf Jahren. Sie sind sehr weit auseinander, einige weit, wenn man in Mathe gut ist und in anderen nicht, jedes Kind da arbeiten lassen, wo es gerade steht."

    Jedes Kind hat seinen eigenen Wochenplan, in dem festgelegt wird, welche Aufgaben es machen soll. Rhythmisiertes Lernen, so heißt das Konzept der Ganztagsgrundschule Borchshöhe: Das bedeutet, dass Lernen und Leben miteinander im Einklang stehen, dass nicht nach starren Regeln gepaukt wird, erklärt die Schulleiterin Petra Köster-Gießmann:

    "Es gibt ja eine Tagestruktur. Der erste Block ist den Mentoren vorgesehen, da bleiben die Mentorengruppen zusammen, Arbeitszeit an den Tagesplänen. Im mittleren Block ist Projektarbeit, wird durchzogen mit Fachangeboten, die andere Zeit ist Projektzeit."

    Die Idee der Projekte: Die Kinder sollen lernen, sich die Zeit selbst einzuteilen, ein Gefühl dafür zu bekommen, was sie schon können und wo sie noch üben müssen. Hier wird nichts auswendig gepaukt, sondern in Zusammenhängen gelernt, betont die Mentorin Birte Behrmann:

    "Wir hatten jetzt gerade das Thema Bremen als Großprojekt. Stadtführungen, Vorträge erarbeitet, oder Turmhöhen berechnet. Nicht den typischen Unterricht, alles im Projekt eingebunden."

    Morgens arbeiten die Kinder an ihren Wochenplänen, nachmittags stehen dann Bewegung oder Basteln auf dem Programm. Das Vorbild für die Grundschule Borchshöhe kommt aus Schweden. Dort geht die Pädagogik schon lange neue Wege, erzählt Petra Köster-Gießmann:

    "Wenn man dort in eine Schule kommt, da ist die Atmosphäre ganz anders. Respekt und Wertschätzung ist, was da vorherrscht. Das heißt nicht, dass es dort keine schwierigen Kinder gibt, doch der Anteil ist sehr gering."

    Das Entscheidende am rhythmisierten Lernen: Jedes Kind bekommt die Zeit, die es braucht. So gelingt die Verbindung von Lern- und Lebensraum.

    Im sogenannten türkisen Lernhaus sitzen die Kinder an runden Tischen und arbeiten an ihren Aufgaben.

    "Ich mach Großschreibung."

    "Ich mach Mathe. Diese muss ich noch machen."

    Ob sie jetzt Mathe oder lieber Deutsch machen möchten, können sie selbst entscheiden, auch das ist rhythmisiertes Lernen. Jeder arbeitet nach seinem eigenen Rhythmus. Dieses Konzept funktioniert aber nur in einer gebundenen Ganztagsschule, betont Schulleiterin Petra Köster-Gießmann. Denn nur so können sich alle darauf einlassen. Sie hat auch schon einen Ausbau der sechsjährigen Ganztagsschule bis zur Klasse 10 beantragt.