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Erste US-Metropole ohne Tageszeitung

Sie ist eine der bekanntesten Tageszeitungen in den USA und mit 175 Jahren ein echtes Fossil. Doch ab jetzt erscheint die "Times Picayune" nur noch drei Mal in der Woche. Eine Nachricht, die auch die Kollegen der großen Fernsehsender aufschreckte.

Von Bettina Schmieding |
    Das Thema war hauptnachrichtenfähig: die erste US-Metropole ohne eine tägliche Zeitung. Es trifft die Stadt im Süden der USA, mit der es das Schicksal in den letzten Jahren nicht allzu gut gemeint hat. Als Hurrikan Katrina New Orleans 2005 heimsuchte, verließen die Menschen in Scharen die Stadt. Ein Viertel der ehemaligen Einwohner ist auch sieben Jahre nach der Katastrophe, die 1800 Menschenleben forderte, noch nicht zurückgekehrt. Und wer nicht in New Orleans wohnt, der hat natürlich auch kein Abonnement der "Times Picayune".

    Aber trotzdem, so schien es zumindest, ging es der Zeitung gut. Sie ist eine Institution seit sie vor 175 Jahren zum ersten Mal in Druck ging. Umso empörter waren die New Orleanians, als es im Frühsommer hieß, ab Oktober ist Schluss mit der täglichen Berichterstattung. Die Einwohner der Stadt taten das, was sie immer tun, wenn sie etwas stört: Sie stellten sich Protestschilder in die Vorgärten und gingen – begleitet von lauter Jazz-Musik – auf die Straße, um zu demonstrieren.

    Wie viel und ob die Zeitung überhaupt Verlust macht, das erfahren die Leser von den Eigentümern des Blattes nicht. Der Medienkonzern Advance Publications gab lediglich bekannt, dass die Anzeigenumsätze in diesem Jahr schon zehn Prozent hinter dem Vorjahresergebnis zurückliegen. Und noch eine Zahl wird zurzeit in New Orleans heiß diskutiert. Ein Drittel der Bewohner hat überhaupt keinen Internetanschluss. Ob diese Menschen also davon profitieren werden, dass die Times Picayune ihren Onlineauftritt ausweiten will, ist fraglich. Der Chefredakteur Jim Amoss betont im nichtkommerziellen Fernsehprogramm von PBS, dass es keine Verluste bei der Qualität der Berichterstattung geben werde, nur weil sich vieles in Zukunft im Netz abspielen soll.

    "Wir werden uns besonders auf die Reportagen vor Ort konzentrieren, weil wir daran glauben, dass genau das die Leute auf unsere Internetseite aufmerksam machen wird. Und wir bleiben dem seriösen und investigativen Journalismus treu. Der war immer unser Markenzeichen und dort werden wir nicht nachlassen."
    Aber zunächst einmal hat der Konzern zweihundert Mitarbeiter entlassen – darunter viele altgediente Reporter. Die meisten von ihnen sollen in der neuen Firma Nola Media Group wiedereingestellt werden – zu neuen und nicht unbedingt besseren Konditionen. Ob der Internetauftritt, der bislang mehr als verstaubt war, die Beliebtheit der Printausgabe in die digitale Welt übertragen kann, bezweifeln viele. Auch David Carr, der Medienexperte der New York Times.

    ER meint, dass die Zeitung das Gedächtnis der Stadt aufs Spiel setzt, wenn sie ihre Reporter entlässt. Und die Konkurrenz schläft nicht: Der Advocat, das Blatt der Nachbargemeinde Baton Rouge, nutzt die günstige Gelegenheit und plant eine Lokalausgabe in New Orleans – und zwar an sieben Tagen die Woche. Womit sich die Picayune auf einmal einem Mitbewerber gegenübersieht, nachdem sie 50 Jahre lang das Tageszeitungsmonopol in der Stadt hatte.
    Nachdem der Eigentümer das Angebot eines ortsansässigen Multimillionärs, die Zeitung an ihn zu verkaufen, abgelehnt hatte, sieht es so aus, als werde das Blatt morgen zum letzten Mal als echte Tageszeitung erscheinen. Und das trotz aller Demonstrationen, landesweiter Appelle und der Facebookseite "Save the Picayune". Nur bei den Footballfans sind die Herausgeber weich geworden. Entgegen ihres ursprünglichen Plans "montags nie mehr" wird es in der Footballsaison zum Wochenanfang etwas Gedrucktes aus der Redaktion geben. Gegen die Footballfans in der Stadt am Mississippi kommt auch der hartgesottenste Zeitungsverleger nur schwer an.