2003 standen die Vereinigten Staaten noch unter dem Eindruck des 11. Septembers und der Milzbrand-Briefe. Um Terroranschläge mit biologischen Waffen früh zu erkennen, startete die Regierung das System "BioSense".
BioSense sammelte zentral Daten zu Symptomen der Patienten in 1500 großen Krankenhäusern. Bei Auffälligkeiten, die auf Biowaffen-Anschläge hindeuten könnten, schickte das System einen Alarm an die lokalen Gesundheitsbehörden.
Ein solcher Alarm ging 2004 zwei Tage vor Thanksgiving in New Jersey ein. Das System hatte Anzeichen für einen Pocken-Ausbruch entdeckt. Wie die Investigativjournalistin Katherine Eban schreibt, war jedoch lediglich eine allergische Reaktion auf eine Pockenimpfung der Auslöser. Kein Einzelfall: Bei einer Untersuchung in New York stellten Forscher fest, dass das System in zwei Monaten fast 200 Hinweise ausgab. Bei keinem davon handelte es sich um eine Gefahr für die Öffentliche Gesundheit. Dieser frühe Big-Data Ansatz scheiterte daran, die wenigen relevante Signale vom Rauschen des Gesundheitssystems zu trennen.
Google Flu Trends
2008 dann nutzte Google ebenfalls Hinweise auf Symptome, um Grippewellen vorhersagen. Wer Grippesymptome hat, der googlet mitunter nach "Fieber", "Halsweh" oder "Husten". Mit dem Projekt "Google Flu Trends" wollte der Konzern aus diesen Suchanfragen, eine Grippe-Prognose berechnen.
Das Ergebnis war ziemlich ungenau. 2009 erkannte das System die erste Welle der Schweinegrippe-Pandemie nicht. 2011 und 2012 waren die Schätzungen in den meisten Wochen zu hoch. Drei Jahre später stellte Goolge das System ein.
Flu Trends hat anscheinend Suchanfragen in Betracht gezogen, die gar nichts mit der Grippe zu tun hatten, sondern nur zeitlich mit der Grippe-Saison korrelierten. Außerdem bot die Suchmaschine im Laufe der Jahre neue Funktionen an. Das änderte das Suchverhalten, was wiederum die Auswertung der Suchanfragen durcheinanderbrachte. Doch das sind technische Probleme. Der Epidemiologie Marcel Salathé weist auf ein grundlegendes hin: Weil die Daten einem privaten Unternehmen gehörten, konnten die Ergebnisse nicht von unabhängiger Seite reproduziert und bewertet werden.
Die App "FluPhone"
Um eigene Daten zu bekommen, ließen sich Forscher in Cambridge 2009 etwas einfallen. Sie erstellten die App "FluPhone". Auf dem Handy installiert, erkannte sie andere Handys in der Nähe über Bluetooth – in etwa so wie die Corona-Tracking-Systeme heute. Mit diesen Daten wollten die Forscher das Sozialverhalten von Menschen ermitteln und so die Ausbreitung der Grippe untersuchen.
Erste Tests mit Studenten und Angestellten der Universität von Cambridge zeigten, dass das System grundsätzlich funktioniert, aber: Eine größere Studie scheiterte, weil nicht mal ein Prozent der Bevölkerung Cambridges mitmachen wollten – zu wenig für diese Art von digitaler Epidemiologie.