"Also sie ham uns den Ferdinand erschlagen", sagte die Bedienerin zu Herrn Schwejk, ... "
Aber der "Brave Soldat Schwejk", der bald nach Erscheinen des Romans von Jaroslav Hasek zum Inbegriff der listigen Widersetzlichkeit gegen alle militärische und zivile Obrigkeit werden sollte, der "Herr Schwejk" will erst einmal wissen, von wem die Rede ist:
"Was für einen Ferdinand, Frau Müller?" fragte Schwejk. "Ich kenn zwei Ferdinande. Einen, der is Diener beim Drogisten Pruscha, und dann kenn ich noch den Ferdinand Kokoschka, der was den Hundedreck sammelt. Um beide is kein Schad."
"Aber gnä' Herr, den Herrn Erzherzog Ferdinand."
"Jesus Maria. Das ist aber gelungen. Und wo is ihm denn das passiert?"
"In Sarajewo ham sie ihn mit'm Revolver niedergeschossen, gnä' Herr. Er ist dort mit seiner Erzherzogin im Automobil gefahren."
"Aber gnä' Herr, den Herrn Erzherzog Ferdinand."
"Jesus Maria. Das ist aber gelungen. Und wo is ihm denn das passiert?"
"In Sarajewo ham sie ihn mit'm Revolver niedergeschossen, gnä' Herr. Er ist dort mit seiner Erzherzogin im Automobil gefahren."
Das Groteske dieses Dialogs entsprach der Absurdität des ihm zugrunde liegenden Ereignisses: Am 28. Juni 1914, einem sommerlich heiteren Sonntag, trafen früh morgens der habsburgische Thronerbe, der Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este, und seine Gemahlin, die Herzogin von Hohenberg, geborene Gräfin Chotek von Chotkowa und Wognin, in Sarajewo ein, nachdem der Erzherzog zuvor ein größeres Truppenmanöver inspiziert hatte. Sarajewo bildete das städtische Zentrum der zunächst von Österreich-Ungarn verwalteten, seit 1908 annektierten Provinzen Bosnien und Herzegowina.
Plötzlich springt ein Mann in der jubelnden Menge auf
Ein Zeitzeuge, der in der Wagenkolonne mitfahrende Ordonanz-Offizier Anton Köpáderkhy, berichtete, er habe plötzlich einen jungen Mann aufspringen sehen aus der jubelnden Menge.
"... und habe ich einen Schuss gehört, ein Knallen gehört, so einen einfachen Knall und gleich wieder einen anderen, einen zweiten Knall. Und da habe ich gesehen, wie der Erzherzog aufgesprungen ist im Auto, aufgesprungen ist, und in dem Moment hat er einen Schuss bekommen und ist zusammengesunken."
Gavrilo Princip, ein 19-jähriger Gymnasiast, war der Attentäter. Als Mitglied der revolutionären Studenten- und Schülergruppe "Mlada Bosna", Junges Bosnien, kämpfte er für die Befreiung Bosnien-Herzegowinas von Österreich-Ungarn und für den Anschluss an das Königreich Serbien. Er agierte an diesem Tag nur als einer von insgesamt sieben Attentätern. Sie befanden sich aber schon in Haft, nachdem ihre geplanten Selbstmorde ebenso kläglich gescheitert waren wie ihre Anschlagsversuche. Nur einem von Princips Freunden gelang es am Morgen, eine kleine Bombe auf den Fahrzeugkonvoi zu werfen. Sie verletzte indessen einzig einige Offiziere des Begleitkommandos, darunter besonders schwer den Oberstleutnant Merizzi, den Franz Ferdinand, kaum im Rathaus von Sarajewo eingetroffen, unbedingt im Krankenhaus besuchen wollte.
Wunsch nach Krankenbesuch führt zur verhängnisvollen Begegnung
Dieser Wunsch führte zu einer neuerlichen Fahrt durch die Stadt – und zur verhängnisvollen Begegnung. Gegen 10.50 Uhr fielen die tödlichen Schüsse. Später gab Princip seine letzten Gedanken davor zu Protokoll:
"Sollte ich schießen oder nicht? Ein sonderbares Gefühl veranlasste mich, dann doch auf den Thronfolger zu zielen, und zwar vom Trottoir aus, wo ich stand. Das war keine Kunst, weil das Auto in der Kurve seine Fahrt verlangsamte. Ich war aufgeregt und weiß nicht, wen ich traf und ob ich überhaupt jemanden traf, weil mich im selben Moment die Leute zu schlagen begannen."
Nach den Morden von Sarajewo beruhigten sich die von Extrablättern und Zeitungsberichten aufgewühlten Gemüter schnell wieder. Von den hinter den Kulissen ablaufenden Besprechungen und Arbeitsbesuchen, Depeschen und Noten, Dementis und Zusagen erfuhr die Bevölkerung so gut wie nichts.
Die Verantwortlichen aus Politik und Militär reisten in ihre Urlaubsorte, so auch Radomir Putnik, der serbische Generalstabschef. Putnik machte, wie die österreichische Schriftstellerin Bettina Balàka jüngst zu berichten wusste,
Die Verantwortlichen aus Politik und Militär reisten in ihre Urlaubsorte, so auch Radomir Putnik, der serbische Generalstabschef. Putnik machte, wie die österreichische Schriftstellerin Bettina Balàka jüngst zu berichten wusste,
"... ausgerechnet im österreichischen Graz eine Kur, bis zum 25. Juli 1914, dem Tag der Überreichung der serbischen Antwortnote auf das österreichisch-ungarische Ultimatum. Auf der Rückreise wurde er zwar verhaftet, eine wertvollere Geisel schien undenkbar. Doch Kaiser Franz Joseph selbst verlangte die Freilassung Putniks, da man sich noch nicht offiziell im Kriegszustand mit Serbien befand."
Das geschah erst am 28. Juli 1914, einen Monat nach Sarajewo und auf dem Höhepunkt der Juli-Krise. In deren Verlauf hatten die europäische Diplomatie und die Generalstäbe – in erster Linie in Deutschland und Österreich-Ungarn – nichts unversucht gelassen, um einen Krieg herbeizuführen. Wenig später war daraus ein Weltkrieg geworden.