Schriftsteller und Lyriker Eugen Gomringer eröffnet das erste Festival für Visuelle Poesie mit lautmalerischen Worten: "Ping pong – enter a room and cry out: ping! You will see, all the answer is pong."
Ein deutsches Ping, ein englisches Pong oder umgekehrt: So einfach funktioniert der Austausch in der Konkreten Poesie – und das seit 1953. In diesem Jahr legte Eugen Gomringer seine "Konstellationen" vor, bis heute ein Standardwerk dieser oft als l'art pour l'art missverstandenen Kunstgattung. Nun verzückte der 95-jährige schweizerisch-bolivianische Dichter mit Wohnsitz Oberfranken das Publikum im Münchner Lyrik-Kabinett – mit einem Selbstbekenntnis:
"Avenidas y flores y mucheres e un admirador. Und dieser Admirador, das ist eigentlich mein Zeichen. Ich glaube, ich bin ein Bewunderer, wo immer ich bin, wo immer ich mitmachen kann, wenn's mir gefällt, dann bewundere ich es. Also, Dichter sein und Bewunderer sein, das ist ungefähr eines, das ist eine Person."
Gewaschene Buchstaben
Das Mitmachen stand im Zentrum des ersten britisch-deutschen Festivals für Visuelle Poesie, das vom British Council und dem Lyrik-Kabinett gemeinsam ausgerichtet wurde. Einer der Moderatoren war Steven J. Fowler, der in einer Bauchtasche bunte Buchstaben mit sich führte. Umständlich packte er sie auf der Bühne aus, wusch sie dann in einer Schale mit gluckerndem Mineralwasser, um schließlich das Wort "Troublemaker" zu bilden, Störenfried – eine Anspielung auf den Brexit?
"Meine Damen und Herren, mein Name ist Steven Fowler, und nachdem ich so oft erwähnt wurde, bin ich sicher eine Enttäuschung für Sie. Nun erleben wir zwölf sehr kurze Performances der erwähnten Dichter-Teams, die in den nächsten drei Tagen hier sind und "Klang Farben Text" gestalten. Wäre ich nicht selbst einer von ihnen, täten sie mir leid, denn sie müssen nun an Eugens unglaubliche Zwanzig-Minuten-Performance anschließen. Wir sind jetzt alle ruiniert, weil du so gut warst."
Das Dichterdutzend, das sich inmitten der bibliophilen Schätze des Lyrikkabinetts traf, verbindet vor allem eins: die Abneigung gegen die Semantik. In der Konkreten Poesie wird alles wörtlich genommen, wird das Wort selbst zum Material. Das demonstrierte die sehr visuell arbeitende Gerhild Ebel aus Halle.
"Das Gedicht kann mit süßen Vokalen oder mit in Würfeln geschnittenen Objekten verfeinert werden. Um Ihnen eine bessere Rezeption zu ermöglichen, habe ich diesen Text mitgebracht, und Jeder kann sich einen Teil davon nehmen."
Verständigungsschwierigkeiten werden zu Kunst
So sprach sie und verteilte Russisch Brot im Publikum. Die Wiener Dichterin mit dem Künstlernamen Falkner und ihr Kollege Barry Tullett, der als Grafiker darauf beharrt, kein Poet sein zu wollen, machten aus ihren Verständigungsschwierigkeiten Kunst.
"Barry und ich haben in einem sehr frühen Stadium unserer Kooperation beschlossen, dass wir damit arbeiten wollen, dass Barry kein Wort Deutsch spricht und mein Manifest nicht verstehen wird. Wir haben es nicht übersetzt, es war für ihn von Beginn an erst einmal Struktur und Rhythmus."
Barry Tullet entgegnet: "Ich kann mich nicht zurückhalten, die diakritischen Zeichen des ,Manifests 55' zu performen."
Das britische Gegenstück zum Lyrik-Kabinett mit seiner 60.000 Medien umfassenden Bibliothek bildet die National Poetry Library in London. Dort arbeitet Chris McCabe, der mit charmantem Liverpooler Akzent spricht. Im Dialog mit Michael Lentz setzte McCabe den furiosen, beifallumtosten Schlusspunkt des Festivals. Eine Fortsetzung in London soll folgen:
"So confabulating and easy is English / So zusammengebrautes leichtes Englisch / So samen on the heights is English / So ein Samen heizt das Englisch / So eggs and ham is English / So Wurst und Käse ist Englisch / So we exted the folk for English / So fällen wir die Leute fürs Englisch / So we fell and delayed English / So wir fallen eine Lady Englisch / So we are the fallen Lady of English. So, wir sind die gefallene Lady in Englisch."