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Erstes Länderspiel zwischen Israel und Deutschland auf deutschem Boden

Zagatta: Herr Stein, für Paul Spiegel, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, grenzt es sogar fast an ein Wunder, dass dieses Spiel heute in Deutschland stattfinden kann - so sagt er -, nur 57 Jahre nach dem schlimmsten Menschheitsverbrechen. Sehen Sie das auch so? Sind die israelischen Vorbehalte gegen Deutschland immer noch so groß, dass dieses Spiel einen solchen Stellenwert hat?

    Stein: Ja. Das Spiel Deutschland gegen Israel hat immer einen Stellenwert. Allerdings muss ich sagen, das ist ja nicht das erste Länderspiel zwischen einer israelischen Nationalmannschaft und der deutschen Nationalmannschaft. Auch auf deutschem Boden fand schon ein Spiel statt. Immerhin ist das Anlass zur Freude. Die guten Beziehungen zwischen dem israelischen Fußballverband und dem DFB sind auch schon seit Jahren zu erwähnen. Insofern wollen wir uns alle freuen, dass das Spiel qualitativ gut sein wird. Die beste Mannschaft soll gewinnen. Hoffentlich wird es heute Abend die israelische Mannschaft sein.

    Zagatta: Das wollen wir im Deutschlandfunk natürlich nicht unbedingt hoffen, aber diese Begegnung heute fällt ja in eine ganz schwierige Zeit für Israel, nicht nur wegen der zunehmenden Gewalt im Nahen Osten, auch die Vorgänge heute Nacht, sondern auch weil Verbündete auf Distanz gehen zum Vorgehen Israels. Die UNO hat sich gerade beschwert, die USA ebenfalls und in der EU, sogar in Deutschland gibt es jetzt heftige Kritik. Belastet dies das deutsch-israelische Verhältnis oder ist das ein normaler Vorgang für Sie?

    Stein: Das ist kein normaler Vorgang. Es sind Leute, die heute in ihrer Kritik laut geworden sind. Nach meinem Geschmack ist Kritik, wenn sie konstruktiv und glaubwürdig sein soll, auch angemessen. Diese kann man auch von Freunden erwarten. Manche Töne von Kritikern, die heute etwas lauter als vorher sind, sind nach meinem Geschmack allerdings auch einseitig. Ich gehe davon aus, dass sich die Mehrheit der Deutschen heute nicht mehr mit uns solidarisieren. Es gibt auch eine ganze Reihe von anderen, die durchaus große Sympathie und Mitleidenschaft mit der israelischen Bevölkerung haben. Wir befinden uns in Israel in einer sehr, sehr schwierigen Lage. Solidarität und Verständnis ist auch hier sehr, sehr angemessen.

    Zagatta: Herr Stein, die schwierige Lage, das ist eine Sache. Jetzt hat aber selbst die Bundesregierung ganz klar kritisiert, dass Israel mit Geldern aus Deutschland gebaute Projekte wie beispielsweise den Flughafen in Gaza, zerstört. Haben Sie für diesen Unmut Verständnis?

    Stein: Ich habe auch nicht Verständnis dafür. Allerdings habe ich auch nicht die deutsche Bundesregierung in dieser Sache offiziell gehört, die Bundesregierung mit dem Bundeskanzler und dem Außenminister. Wenn sie dazu etwas sagen, dann finden sie auch andere Kanäle, andere, die hier öffentlich dazu etwas gesagt haben. Diese Diskussion scheint mir etwas bizarr. Wir befinden uns leider in einem Krieg, der uns aufgezwungen ist. Es ist auch wahr, dass in einem Krieg Symbole und Gebäude der palästinensischen Behörde ein Ziel für uns sind. Allerdings diejenigen, die uns hier in diesen Sachen kritisieren, letzten Endes in Sachen von Immobilien, sollen auch ein Wort über die Toten, die unschuldigen israelischen Zivilisten, Kinder, Mütter und andere, die zum Opfer wurden, finden. Häuser, Gebäude, Sender und Flughäfen kann man wieder aufbauen, aber das Leben derjenigen, die es jetzt verloren haben, werden wir leider vermissen. Das gilt übrigens nicht nur für Israelis; es gilt auch für Palästinenser. Deshalb soll mit diesem Wahnsinn aufgehört werden. Die Adresse dafür ist ganz klar. Sowohl die Amerikaner und wir sagen, die Adresse sind diejenigen, die damit angefangen haben. Die sollen sich weitgehend und umgehend bemühen, den Terror einzustellen.

    Zagatta: Aber was hat das denn noch mit Selbstverteidigung zu tun, wenn Sie Schulen zerstören oder beispielsweise einen Flughafen, der ohnehin kaum benutzt wird? Macht es Sinn, auf Terror mit Terror zu reagieren?

    Stein: Ich glaube was wir mit allem Verständnis tun ist ja eben nicht Terror. Wir treffen Maßnahmen, um unsere Bevölkerung zu verteidigen. Wir treffen ja nicht bewusst und absichtlich unschuldige Zivilisten. Eine Mutter und ihre elfjährige Tochter, die mitten in der Nacht umgebracht wurden, ist ein Terror. Die Antwort darauf ist angemessen, wo wir versuchen, absichtlich die große Bevölkerung von den Terroristen zu trennen. Es gelingt uns ja nicht immer, aber die ausgesprochene Absicht ist ja nicht die unschuldige Bevölkerung. Das ist der große Unterschied zwischen dem, was die Terroristen uns gegenüber tun und was die israelische Regierung versucht zu tun. Das sind gezielte Maßnahmen gegen Symbole der palästinensischen Behörde, die ja auch in den Terror verwickelt wird. Man soll eben nicht so tun, als ob nur Hamas und Dschihad verantwortlich sind. 50 Prozent der Terroranschläge kommen von Organisationen, die Arafat unterstellt sind.

    Zagatta: Aber auch heute Nacht sind ja wieder palästinensische Polizisten bei dem israelischen Gegenschlag nach einem Raketenangriff getötet worden. Die Palästinenser sprechen von Mord. Ist das in der Tat nicht schwer nachzuvollziehen? Sie fordern von Arafats Autonomiebehörde, gegen Terroristen vorzugehen, und gleichzeitig attackieren Sie seine Einrichtungen, attackieren Sie seine Polizei, schwächen also diese Behörde. Ist das nicht auch irgendwo widersinnig?

    Stein: Lassen Sie mich kurz etwas zum Hintergrund der Attacke sagen. Ich verstehe, dass man heute wie immer sehr gespannt auf die Auswirkungen schaut. Aber was sind die Ursachen für die Maßnahme, die Israel heute und gestern getroffen hat? Seit Wochen warnen wir die palästinensische Behörde und die Terroristen, sollten diese Kassam-II-Raketen gegen uns benutzt werden, so werden wir Maßnahmen treffen. Seit Wochen weiß man genau, was Israel tun wird. Die neue qualitative Zuspitzung mit den neuen Raketen wird neue Kreise der israelischen Bevölkerung dem Terror aussetzen. Wenn diese Raketen gegen uns verwendet werden, dann haben wir gesagt und das werden wir auch tun, das ist qualitativ eine neue Zuspitzung der terroristischen Gefahr. Die israelische Regierung genauso wie die deutsche Regierung, sollte die deutsche Bevölkerung dieser Gefahr ausgesetzt werden, dann wird auch die deutsche Regierung dieselben Maßnahmen treffen, um die Bevölkerung zu sichern. Das ist unsere Aufgabe. Sollten diese Raketen nicht gegen uns verwendet werden, so werden wir das nicht unternehmen, was wir heute Morgen und gestern unternommen haben.

    Zagatta: Aber macht es dann Sinn, gegen die Polizei von Arafat vorzugehen? Müssen Sie sich dann nicht entscheiden, entweder mit Arafat die Zusammenarbeit einzustellen oder ihn tatsächlich zu bekämpfen? Was macht denn Ihre Regierung im Moment? Sharon sagt ja, er will Arafat isolieren. Von Ihrem Außenminister Peres kamen gestern wieder ganz andere Töne. Er sagt, ohne Arafat geht es gar nicht. Was gilt dort für Ihre Politik?

    Stein: Lassen Sie mich kurz etwas zu der sogenannten Polizei sagen. Das ist eine der großen Ironien. Die Europäische Union genauso wie die israelische Regierung hat diese Polizei ausgebildet, übrigens auch mit europäischen Geldern. Das ist die Polizei, die heute diese Waffen gegen Zivilisten in Israel eigentlich benutzt. Wie ich schon gesagt habe, 40 Prozent der Terroranschläge kommen von Einheiten, die Arafat unterstellt sind. Insofern glaube sollte man eigentlich nicht so tun, als ob es hier um eine harmlose Polizei geht, die die Aufgabe erfüllt wie in Deutschland, Israel und anderswo. Das ist eine Polizei, das sind Einheiten, die heute direkt am Terror beteiligt sind. Arafat hat hier die Macht, wenn er will, den Terror einzustellen. Zu Ministerpräsident Sharon und Außenminister Peres möchte ich folgendes sagen: Auch wenn es zwischen ihnen Meinungsunterschiede gibt, beide sind sich darin einig, dass der Terror für uns die große Gefahr ist. In einer Umgebung, wo die israelische Bevölkerung tagtäglich dem Terror ausgesetzt ist, kann man nicht vernünftige Verhandlungen führen. Es gibt kein einziges Beispiel auf der ganzen Welt für ein solches Verfahren. Deshalb soll man eigentlich nicht von uns erwarten, was man anderswo auch nicht erwarten kann. Sollten wir den Terror einstellen, dann werden wir auch bereit sein, gemeinsam mit den Amerikanern, auch über die Implementierung des Mitchell-Berichtes und hoffentlich vom Waffenstillstand dann wieder in die Gespräche einzugehen.

    Zagatta: Shimon Stein, der Botschafter Israels in Berlin. - Herr Stein, ich bedanke mich für das Gespräch!

    Link: Interview als RealAudio