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Erstes offizielles Paralympics-Flüchtlingsteam
"Für unseren Platz müssen wir kämpfen"

In Tokio nimmt zum ersten Mal ein offizielles Flüchtlingsteam an den Paralympics teil. In der Gastgebernation Japan ist dies doppelt bemerkenswert. Denn das ostasiatische Land nimmt so gut wie keine Flüchtlinge auf.

Von Felix Lill |
Tokyo Paralympics: Opening Ceremony The refugee Paralympic team marches during the opening ceremony of the Tokyo Paralympics at the National Stadium in Tokyo on Aug. 24, 2021
Das Flüchtlingsteam bei der Eröffnungsfeier der Paralympischen Spiele in Tokio. (IMAGO / Kyodo News)
"Erstmal geht es um Inklusion. Wenn es für Olympia ein Flüchtlingsteam gibt, warum dann nicht auch für die Paralympics? Wir müssen genauso sichtbar sein. Wir brauchen Gleichheit."
Das ist der Diskuswerfer und Kugelstoßer Shahrad Nasajpour. Ohne den Nachdruck des 31-jährigen Iraners würde es heute kein Flüchtlingsteam bei den Paralympischen Spielen geben. Er selbst floh 2015 aus seinem Land in die USA. Nach vielen Emails von Nasajpour an das Internationale Paralympische Komitee gingen 2016 bei den Paralympics in Rio zum ersten Mal zwei sogenannte "unabhängige Athleten" ins Rennen, einer von ihnen war Shahrad Nasajpour.

Flüchtlingsteam präsentiert Stolz und Willensstärke

Bei den nun startenden Spielen von Tokio gibt es erstmals ein Flüchtlingsteam, das auch offiziell diesen Namen trägt. Sechs Athletinnen und Athleten aus Afghanistan, Burundi, Iran und Syrien gehören der Delegation an. Und unter ihnen herrscht Stolz, sagt Shahrad Nasajpour. Man repräsentiere nämlich nicht nur die weltweit zwölf Millionen Flüchtlinge mit einer Behinderung:
"Natürlich treten wir für alle Flüchtlinge auf der Welt an. Und wir wollen zeigen, dass wir gute Menschen sind. Für unseren Platz müssen wir kämpfen, weil es manchmal keine Strukturen für uns gibt. Aber dann darf man Ablehnung eben nicht einfach hinnehmen, sondern muss weiterkämpfen. Und dann kann man auch das kriegen, was man sich wünscht."
Es sind Worte, die gut zu dem passen, was gerade die Paralympics mit ihren Wettbewerben erzählen wollen: Dass für Menschen mit einem starken Willen keine Aufgabe zu groß ist.

Wenig Offenheit für Asylsuchende in Japan

Wobei das eine Botschaft ist, die gerade in der Gastgebernation Japan große Bedeutung hat – zumal dann, wenn es um Flüchtlinge geht. Weltweit gibt es kaum ein Land, das Asylsuchenden so deutlich die kalte Schulter zeigt. Im vergangenen Jahr nahm Japan 47 Flüchtlinge auf, nur 1,2 Prozent der Anträge wurden angenommen. Deutschland nahm 2020 mehr als Tausendmal so viele Menschen auf.
Zwar hat auch Japan die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 unterzeichnet, womit sich das Land dazu verpflichtet, verfolgten Personen Asyl zu gewähren. Behörden argumentieren aber oft, dass Asylbewerber keine ausreichenden Dokumente vorlegen können. Dieses Problem besteht allerdings auch anderswo – und man geht damit meist kulanter um als in Japan.

Flüchtlingsteam soll nachhaltig wirken

Das sechsköpfige Flüchtlingsteam in Tokio zählt so viele Personen, wie Japan im gesamten Jahr 2013 als Flüchtlinge aufnahm. Die Athleten sind also in einem Land, das ihr Asylgesuch höchstwahrscheinlich niemals akzeptiert hätte. Wie sich das anfühlt? Shahrad Nasajpour will nach vorne denken:
"Ich hoffe, dass das Privileg dieses Flüchtlingsteams und das der Olympischen Spiele, dass wir hier sein können, auch eine Hinterlassenschaft haben wird. Ich hoffe, dass unser Auftritt dazu beitragen kann, dass sich einige Denkweisen ändern und sich mehr Bewusstsein bildet."