Mehr als 15 Monate lang blieben die Temperaturen der Weltmeere bis zum Juli 2024 auf einem historisch hohen Niveau. Obwohl sie seitdem etwas gesunken sind, liegen sie weiterhin deutlich über dem Normalwert. Forscherinnen und Forscher sind wegen der anhaltend hohen Meerestemperaturen besorgt.
Wissenschaftler berichten nun, dass sie rund um das berühmte Great Barrier Reef in Australien die höchsten Wassertemperaturen seit 400 Jahren gemessen haben. Das Alfred-Wegener-Institut (AWI) stellte zudem fest, dass sich die Nordsee in den letzten 60 Jahren fast doppelt so stark erwärmt hat wie die Ozeane.
Wie kommt es zu den Rekordtemperaturen in den Weltmeeren? Wie bedrohlich ist das Phänomen für Fische und andere Bewohner der Meere? Und wie verändern die warmen Ozeane das Wetter bei uns in Europa? Ein Überblick.
Inhalt
- Wie ist die aktuelle Situation in den Ozeanen?
- Welchen Einfluss hat der Klimawandel auf die Rekordtemperaturen?
- Was sind weitere Ursachen, die zur Erwärmung der Meere beitragen?
- Welche Auswirkungen hat die Erwärmung der Meere auf die Natur?
- Welche Folgen haben die warmen Meere auf uns Menschen?
- Was erwartet uns in den kommenden Monaten?
Wie ist die aktuelle Situation in den Ozeanen?
Die Ozeane waren 2023 so warm wie nie zuvor in den vergangenen 65 Jahren: Das zeigt der Klimastatusbericht der Weltwetterorganisation WMO. In 90 Prozent der Ozeanregionen hat es demnach eine Hitzewelle gegeben, also einen deutlichen Temperaturanstieg über einen kurzen Zeitraum. Bereits in den Jahren 2020, 2021 und 2022 lagen die Ozeantemperaturen deutlich über dem langjährigen Durchschnitt.
Im März 2023 erreichte die Temperatur einen neuen Rekordwert von durchschnittlich 20,98 Grad Celsius – das ist über ein halbes Grad höher als üblich für diese Jahreszeit. Im August stieg die Temperatur sogar auf 21,09 Grad Celsius.
Seit Juli 2024 haben sich die Meere wieder etwas abgekühlt - im Vergleich zum vergangenen Jahr. Doch die Temperaturen sind auch weiterhin deutlich höher als der vorherige Höchstwert aus dem Jahr 2016.
Welchen Einfluss hat der Klimawandel auf die Rekordtemperaturen?
Der menschengemachte Klimawandel ist der Hauptgrund für die Erwärmung der Ozeane, erklärt der Klimaforscher Dirk Notz von der Universität Hamburg. Man könne einen langfristigen Erwärmungstrend der Weltmeere in den vergangenen Jahren deutlich erkennen.
Ozeane spielen außerdem eine wichtige Rolle im globalen Klimasystem. Sie speichern mehr als 50-mal so viel Kohlenstoff wie die Atmosphäre und haben bislang ein Viertel der durch menschliche Aktivitäten verursachten CO2-Emissionen aufgenommen. Sie mildern somit erheblich die Auswirkungen des Klimawandels.
Ozeane speichern extrem viel Wärme
Ozeane sind gigantische Wärmespeicher. Von der gesamten Wärme, die wir durch den Klimawandel im Erdsystem erzeugen, gehen rund 90 Prozent in die Ozeane. Allein die oberen zehn Meter der Ozeane speichern laut Notz so viel Wärme wie die gesamte Atmosphäre.
Durch Wind, Gezeiten und Meeresströmungen werden die Wassermassen gemischt und ständig in Bewegung gehalten. Dadurch wird die Wärme sowohl in größere Tiefen als auch von den wärmeren Regionen in Richtung der Pole transportiert. Je mehr Wärme das Meer aufnimmt, desto stärker steigen die Wassertemperaturen, zuerst an der Meeresoberfläche und dann in zunehmender Tiefe.
„Die Meere nehmen im Moment in sechs Stunden so viel Wärme auf, wie ganz Deutschland an Energie in einem Jahr verbraucht“, sagt Notz. Und: Nicht nur die Ozeane erwärmen sich, auch an Land werden immer neue Hitzerekorde gebrochen. So lag die globale Durchschnittstemperatur vergangenes Jahr an der Erdoberfläche bei 1,45 Grad über dem vorindustriellen Referenzwert. 2023 war damit das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen.
Auch die Gletscher haben 2023 laut WMO-Bericht mehr Eis verloren als in jedem anderen Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1950 und die Meereisausdehnung in der Antarktis hat einen historischen Tiefpunkt erreicht.
Was sind weitere Ursachen, die zur Erwärmung der Meere beitragen?
Neben diesem langfristigen Trend der Erwärmung treten zudem regelmäßig kleinere und größere Extremereignisse auf, sagt Notz. In der Kombination führe das vermutlich zu den Rekordtemperaturen, die man immer wieder beobachten könne.
Die WMO nennt beispielsweise das Klimaphänomen El Niño als eine Ursache für die starke Erwärmung des östlichen Pazifiks. Es entwickelte sich im Jahr 2023 und erreichte im September vergangenen Jahres seinen Höhepunkt. Dieses natürliche Klimamuster tritt alle zwei bis sieben Jahre auf, dauert etwa zwölf Monate und führt zu einer Wärmeanomalie im Ostpazifik. Es kann die Auswirkungen des Klimawandels verstärken. El Niño ist allerdings nur eine von mehreren Ursachen für die Erwärmung der Meere, da gerade die starke Erhitzung des nordöstlichen Atlantiks nicht typisch für El-Niño-Jahre ist.
Für die hohen Temperaturen des Nordatlantiks könnten unter anderem veränderte Windverhältnisse in der Atmosphäre verantwortlich sein, vermuten Forschende. Ein weiterer möglicher Grund: Im Jahr 2020 senkte die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) der Vereinten Nationen den Schwefelgehalt im Treibstoff von Schiffen, wodurch die weltweiten Schwefelemissionen reduziert wurden.
Diese Maßnahme verringerte einerseits die Luftverschmutzung durch Schwefel, andererseits aber auch den kühlenden Effekt der Schwefel-Aerosole. Die Folge: Die Meere können mehr Energie aufnehmen. Allerdings ist es schwierig, eben diesen Effekt zu messen.
Welche Auswirkungen hat die Erwärmung der Meere auf die Natur?
Die Rekordtemperaturen haben vielfältige Auswirkungen auf die marine Lebenswelt. Durch die erhöhten Temperaturen sind beispielsweise die Seegraswiesen im Mittelmeer zunehmend gefährdet. Seegraswiesen bieten eine ökologische Nische für eine Vielzahl mariner Tierarten.
In der Nordsee kommen viele Organismen mit der Geschwindigkeit, mit der sich ihr Lebensraum verändert, nicht mehr zurecht, erklärt Meeresforscher Christian Buschbaum. Die Nordsee ist in den vergangenen 60 Jahren fast zwei Grad wärmer geworden. Darunter leiden unter anderem Arten wie der Kabeljau. Gleichzeitig breiten sich wärmeliebende, eingeschleppte Arten aus, die den Lebensraum verändern, aber bisher noch keine heimischen Organismen bedrohen.
Auch Korallen sind durch die Erwärmung stark bedroht. Im August 2024 stellten Forschende fest, dass die Wassertemperaturen am Great Barrier Reef in Australien auf einem Höchststand seit über 400 Jahren sind. Bereits im März verkündeten australische Behörden nach Luftaufnahmen, dass das Great Barrier Reef erneut eine Massenbleiche erlebt. Seit 2023 sind Korallenriffe auf der ganzen Welt betroffen, es ist die vierte globale Massenbleiche seit Beginn der Aufzeichnungen und die zweite innerhalb von zehn Jahren.
"Das Ausmaß ist riesig", sagt der Biologe Christian Wild. Das Phänomen an sich sei nichts Ungewöhnliches, aber die Häufigkeit und das Ausmaß hätten zugenommen - sodass die Nesseltiere wenig Zeit hätten, sich zu erholen. Bei dieser Geschwindigkeit könnten sie sich auch nicht den neuen Umweltbedingungen anpassen.
An diesem Problem arbeitet die Biologin Maren Ziegler. Mit ihrem Team untersucht sie die Symbiose zwischen Korallen und Algen und versucht mit Experimenten herauszufinden, welche Kombinationen aus den beiden Lebensformen besonders resistent sind. Noch handelt es sich dabei aber nur um Laborexperimente.
Darüber hinaus gibt es sogenannte Superkorallen, die Hitze besser ertragen. Diese benutzt man, um Riffe wieder aufzuforsten. Diese leisten laut Ziegler zwar einen wichtigen Beitrag, reichen aber nicht aus, um die Riffe zu retten. "Wir verlieren auch einen großen Teil der Biodiversität innerhalb dieser Arten, mit denen Aufforstung betrieben wird."
Globale Massenbleiche der Korallen droht
"Korallen haben eine relativ geringe Temperaturtoleranz", sagt Klimaforscher Mojib Latif. Beim Bleichen setzen hitzegestresste Korallen die farbigen Mikroalgen frei, die in ihrem Gewebe leben und ihre Nahrungsquelle darstellen. Wenn die Ozeantemperaturen zu lange zu hoch bleiben, können die Korallen sterben. Die Riffe haben eine große Artenvielfalt. Sie beherbergen und ernähren rund ein Viertel des marinen Lebens, obwohl sie weniger als ein Prozent der Meeresböden bedecken.
Daten des Coral Reef Watch-Tools der Nationalen Ozean- und Atmosphärenbehörde NOAA zeigen, dass das Problem weit über Australien hinausgeht und die Welt in den kommenden Monaten mit einem neuen globalen Massenbleichen von Korallen konfrontiert sein könnte. Christian Wild plädiert dafür, nicht nur den Klimawandel schnell anzugehen, sondern die Riffe auch besser zu schützen, indem man Überdüngung und Überfischung in den Griff bekommt. Innovative Ansätze aus der Wissenschaft können den Korallen helfen, sich anzupassen.
Warmes Oberflächenwasser hat außerdem eine geringere Dichte. Dadurch wird es schwieriger für das kältere Wasser von unten, nach oben zu gelangen. Dies führt dazu, dass sich das Wasser weniger gut durchmischt und die Schichten im Ozean stabiler werden. Zugleich verringert sich mit den steigenden Temperaturen die Löslichkeit von Sauerstoff im Wasser, was zu einer geringeren Verbreitung von Sauerstoff in den verschiedenen Wasserschichten führt.
Die Folge: Es breiten sich immer mehr sauerstoffarme Gebiete aus, sogenannte Sauerstoffminimumzonen, erklärt Geomar-Forscher Sunke Schmidtko. Die zunehmende Sauerstoffarmut reduziere die Lebensräume bestimmter Arten. So haben sich etwa Lebewesen in der Tiefsee über mehrere Jahrhunderte und Jahrtausende an sehr stabile Temperaturen angepasst. „Wenn sich deren Lebensraum nur um ein halbes Grad Celsius verändert, kann das für gewisse Arten zu Konsequenzen führen und das dynamische und biologische System Ozean durcheinanderbringen“, sagt Schmidtko.
Welche Folgen haben die warmen Meere auf uns Menschen?
Die negativen Auswirkungen auf das marine Leben haben auch unmittelbar Auswirkungen auf uns Menschen. Ein Beispiel: das Sterben der Korallenriffe. Als natürlicher Küstenschutz verringern sie die Wucht von Sturmfluten. Das Fehlen dieser Strukturen würde die Auswirkungen des steigenden Meeresspiegels drastisch verschärfen. Rund 400 Millionen Menschen sind nach Abschätzung des Alfred-Wegner-Instituts weltweit direkt oder indirekt auf Korallenriffe angewiesen – vor allem in Ländern des globalen Südens. Viele Millionen Menschen leben dort von der Fischerei und vom Tourismus.
Und dann wäre da noch der Anstieg des weltweiten Meeresspiegels. Dieser erreichte 2023 bereits den höchsten Stand seit Beginn der Satellitenmessungen im Jahr 1993, heißt es im Bericht der WMO. Ursachen seien zum einen die Schmelze von Gletschern und Meereis, aber auch die thermische Ausdehnung des wärmeren Wassers.
Was erwartet uns in den kommenden Monaten?
„Dadurch, dass wir es bislang nicht geschafft haben, die Treibhausgase zu reduzieren, werden sich die Ozeane weiter erwärmen“, prognostiziert Sunke Schmidtko. Prognosen zeigen, dass die zunehmende Erwärmung der Meere in den kommenden Monaten auch bei uns in Europa zu verstärkten Extremwetterereignissen führen könnte. Gerade das Mittelmeer und der Atlantik haben einen starken Einfluss auf das Wetter hierzulande. Je mehr sich die Meere aufheizen, desto höher ist die Verdunstung, was wiederum zu heftigeren Wetterphänomenen wie verstärkten Regenfällen, extremen Gewittern und Überschwemmungen führt.
Meteorologen der NOAA prognostizieren, dass El Niño bald endet und La Niña möglicherweise schon im Sommer, aber wahrscheinlicher im Herbst 2024 eintreffen könnte. La Niña ist ein klimatisches Phänomen, bei dem die Oberflächentemperatur des Pazifiks im äquatorialen Bereich unterdurchschnittlich ist. La Niña könnte also etwas Abkühlung bringen.
Unklar ist jedoch, wie es mit den Rekordtemperaturen im Atlantik weitergehen wird. La Niña bringt meist auch viele Hurrikane im tropischen Atlantik mit sich. Aufgrund der außergewöhnlich warmen Temperaturen im Nordatlantik könnten möglicherweise nicht nur mehr und stärkere Hurrikane entstehen, sondern auch einige Stürme ihren Weg bis nach Westeuropa finden.
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