Karin Fischer: Und wir schließen gleich an mit der Frage an den Chef des Hanser-Verlags, Michael Krüger. Herr Krüger, wie beurteilen Sie die dramatischen Veränderungen, die im Verlagswesen zu Gange sind und auch im Buchhandel, und welche sind die beunruhigendsten für Sie?
Michael Krüger: Alles ist beunruhigend, seitdem es Bücher gibt. Seit dem 13. Jahrhundert ...
Fischer: Seitdem wir wissen dürfen!
Krüger: Seitdem wir wissen, ist alles in Unruhe. Petrarca hat eine große Suada gegen zu viele Bücher geschrieben, die wortwörtlich heute in der "Zeit" stehen könnte, oder im Deutschlandradio Kultur, meinem Lieblingssender, gesendet werden könnte. Das wird auch immer so bleiben. Wenn sie sich die Statistik angucken, dann liest jeder Deutsche im Jahr – Sie wissen es besser – acht oder neun Bücher. Er will nicht eine Million Bücher haben, er will acht oder neun Bücher haben, und die muss er irgendwo finden. Ich finde die im Buchhandel und wenn ich sie nicht finde, dann bestelle ich sie mir. Andere möchten in diesen Bücherbergen wühlen, wie der Onkel von Donald Duck im Geld, möchten all das um sich herum haben in elektronischer Form. Die müssen dann in Zukunft eben diese elektronischen Möglichkeiten nutzen.
Fischer: Ist das ein Plädoyer für den kleinen Buchhändler als Nischenkultur?
Krüger: Ja ich liebe den kleinen Buchhändler und wir müssen sehr viel für den tun, weil das sind ja Leute, die selber lesen und eben empfehlen können. Das heißt, sehr viele der kleinen Buchhändler, in Köln Klaus Bittner, oder in München die Lehmkuhle, das sind ja Buchhändler, die passionierte Leser sind, und Lesen weitergeben heißt ja, dass man etwas gelesen haben muss. Das ist der Lehrer an der Schule, das ist der Universitätsprofessor, aber das ist auch der normale Leser. Wenn der gut über ein Buch redet, dann ist das die bessere Reklame als jede Anzeige in der Zeitung.
Fischer: Und die Buchhändler vermitteln Orientierungswissen. – Um mal auf die andere Seite zu gucken, auf die Verlegerseite. Sie haben neulich in der FAZ am Sonntag einen sehr amüsanten Vergleich angestellt zwischen einem hoch spekulativen Börsengeschäft und diesem Wettbieten auf dem amerikanischen Buchmarkt um Autorenrechte. Ist das neu, ist das etwas, was weitergeht, oder hat die Krise dem jetzt auch einen Dämpfer versetzt?
Krüger: Nein. In Amerika ist die Krise natürlich viel stärker spürbar als bei uns. In Amerika werden schon 50 Prozent oder 48 Prozent der Bücher elektronisch verkauft und die große Kette Borders mit 625 Läden steht gerade zum Verkauf ...
Fischer: Auf der Kippe!
Krüger: ... , auf der Kippe. Das heißt, der Buchhandel aus mittleren Städten in Amerika verschwindet vollkommen. Das was Herr Böhm gerade erzählt hat, dass in Island mit einer Bevölkerung von knapp 300.000 Leuten, dass die sich über das Buch verständigen, dass man genau weiß, wenn der das gelesen hat, dann ist das mein Mensch, das ist nur über das Buch möglich, es sei denn, das Netz bereitet so viele mögliche Verbindungslinien auch zwischen Lesern vor, dass man sich da einen besseren Austausch erwartet. Ich glaube nach wie vor, dass dieses Auge in Auge über ein Buch zu reden, was in der Schule übrigens wenig gelernt wird, erzähl mal ein Buch, einen komplizierten Roman, erzähl mal den Zauberberg in fünf Minuten, das ist sehr schwer, das muss man lernen. Aber ich glaube, dass das immer noch sozusagen die kulturell wertvollste Art und Weise ist, über Bücher zu reden, denn alle Fiktionen, die auf der Welt existieren, diese Millionen Bücher, von denen er sprach, das sind ja Lebensgeschichten darüber, wie wir leben wollen. Wie wollen wir leben, was ist unser Leben, was macht das aus?
Fischer: Das heißt modellhaftes Handeln so wie auch im Theater?
Krüger: Modellhaftes Handeln. Und man möchte darüber mit anderen Auge in Auge reden. Das ist meine Erziehung gewesen und das ist meine Arbeit jetzt seit 40 Jahren und ich kann mir gar nicht vorstellen, dass das in anderen Formen möglich ist. Aber es wird möglich sein und ich bin der Letzte, der naiv ist und sozusagen am Buch hängt, weil das mein Leben ist. Es wird andere Möglichkeiten geben. Im Moment ist die Dramatik eher noch sehr gering. Wir verkaufen, ein Prozent unseres Umsatzes machen wir mit elektronischen Büchern, und selbst bei großen Bestsellern ist es noch unter einem Prozent. Das wird sicher wachsen in den nächsten Jahren, das ist gar keine Frage, und dann wird man weiterhin über dramatische Szenarien reden.
Fischer: Vielleicht auch nicht. Vielleicht ist es einfach auch ein neuer Verbreitungsweg. Kann ja sein.
Krüger: Vielleicht ist es nur eine neue Verbreitung. Ich glaube auf jeden Fall, dass die Entwicklung so weitergeht, dass wir in Zukunft darüber reden müssen, was wir lesen, und nicht, wo wir das Lesezeug herkriegen. Wie wird gelesen? – Wenn ich lese in der Zeitung, dass von 100 Germanisten nur noch 20 Prozent überhaupt Bücher lesen, dann möchte ich mir die Kugel geben.
Fischer: Das tun wir dann, darüber sprechen wir in einem längeren Gespräch. Herzlichen Dank, Michael Krüger, fürs Kommen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Michael Krüger: Alles ist beunruhigend, seitdem es Bücher gibt. Seit dem 13. Jahrhundert ...
Fischer: Seitdem wir wissen dürfen!
Krüger: Seitdem wir wissen, ist alles in Unruhe. Petrarca hat eine große Suada gegen zu viele Bücher geschrieben, die wortwörtlich heute in der "Zeit" stehen könnte, oder im Deutschlandradio Kultur, meinem Lieblingssender, gesendet werden könnte. Das wird auch immer so bleiben. Wenn sie sich die Statistik angucken, dann liest jeder Deutsche im Jahr – Sie wissen es besser – acht oder neun Bücher. Er will nicht eine Million Bücher haben, er will acht oder neun Bücher haben, und die muss er irgendwo finden. Ich finde die im Buchhandel und wenn ich sie nicht finde, dann bestelle ich sie mir. Andere möchten in diesen Bücherbergen wühlen, wie der Onkel von Donald Duck im Geld, möchten all das um sich herum haben in elektronischer Form. Die müssen dann in Zukunft eben diese elektronischen Möglichkeiten nutzen.
Fischer: Ist das ein Plädoyer für den kleinen Buchhändler als Nischenkultur?
Krüger: Ja ich liebe den kleinen Buchhändler und wir müssen sehr viel für den tun, weil das sind ja Leute, die selber lesen und eben empfehlen können. Das heißt, sehr viele der kleinen Buchhändler, in Köln Klaus Bittner, oder in München die Lehmkuhle, das sind ja Buchhändler, die passionierte Leser sind, und Lesen weitergeben heißt ja, dass man etwas gelesen haben muss. Das ist der Lehrer an der Schule, das ist der Universitätsprofessor, aber das ist auch der normale Leser. Wenn der gut über ein Buch redet, dann ist das die bessere Reklame als jede Anzeige in der Zeitung.
Fischer: Und die Buchhändler vermitteln Orientierungswissen. – Um mal auf die andere Seite zu gucken, auf die Verlegerseite. Sie haben neulich in der FAZ am Sonntag einen sehr amüsanten Vergleich angestellt zwischen einem hoch spekulativen Börsengeschäft und diesem Wettbieten auf dem amerikanischen Buchmarkt um Autorenrechte. Ist das neu, ist das etwas, was weitergeht, oder hat die Krise dem jetzt auch einen Dämpfer versetzt?
Krüger: Nein. In Amerika ist die Krise natürlich viel stärker spürbar als bei uns. In Amerika werden schon 50 Prozent oder 48 Prozent der Bücher elektronisch verkauft und die große Kette Borders mit 625 Läden steht gerade zum Verkauf ...
Fischer: Auf der Kippe!
Krüger: ... , auf der Kippe. Das heißt, der Buchhandel aus mittleren Städten in Amerika verschwindet vollkommen. Das was Herr Böhm gerade erzählt hat, dass in Island mit einer Bevölkerung von knapp 300.000 Leuten, dass die sich über das Buch verständigen, dass man genau weiß, wenn der das gelesen hat, dann ist das mein Mensch, das ist nur über das Buch möglich, es sei denn, das Netz bereitet so viele mögliche Verbindungslinien auch zwischen Lesern vor, dass man sich da einen besseren Austausch erwartet. Ich glaube nach wie vor, dass dieses Auge in Auge über ein Buch zu reden, was in der Schule übrigens wenig gelernt wird, erzähl mal ein Buch, einen komplizierten Roman, erzähl mal den Zauberberg in fünf Minuten, das ist sehr schwer, das muss man lernen. Aber ich glaube, dass das immer noch sozusagen die kulturell wertvollste Art und Weise ist, über Bücher zu reden, denn alle Fiktionen, die auf der Welt existieren, diese Millionen Bücher, von denen er sprach, das sind ja Lebensgeschichten darüber, wie wir leben wollen. Wie wollen wir leben, was ist unser Leben, was macht das aus?
Fischer: Das heißt modellhaftes Handeln so wie auch im Theater?
Krüger: Modellhaftes Handeln. Und man möchte darüber mit anderen Auge in Auge reden. Das ist meine Erziehung gewesen und das ist meine Arbeit jetzt seit 40 Jahren und ich kann mir gar nicht vorstellen, dass das in anderen Formen möglich ist. Aber es wird möglich sein und ich bin der Letzte, der naiv ist und sozusagen am Buch hängt, weil das mein Leben ist. Es wird andere Möglichkeiten geben. Im Moment ist die Dramatik eher noch sehr gering. Wir verkaufen, ein Prozent unseres Umsatzes machen wir mit elektronischen Büchern, und selbst bei großen Bestsellern ist es noch unter einem Prozent. Das wird sicher wachsen in den nächsten Jahren, das ist gar keine Frage, und dann wird man weiterhin über dramatische Szenarien reden.
Fischer: Vielleicht auch nicht. Vielleicht ist es einfach auch ein neuer Verbreitungsweg. Kann ja sein.
Krüger: Vielleicht ist es nur eine neue Verbreitung. Ich glaube auf jeden Fall, dass die Entwicklung so weitergeht, dass wir in Zukunft darüber reden müssen, was wir lesen, und nicht, wo wir das Lesezeug herkriegen. Wie wird gelesen? – Wenn ich lese in der Zeitung, dass von 100 Germanisten nur noch 20 Prozent überhaupt Bücher lesen, dann möchte ich mir die Kugel geben.
Fischer: Das tun wir dann, darüber sprechen wir in einem längeren Gespräch. Herzlichen Dank, Michael Krüger, fürs Kommen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.