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Erzieher im Warnstreik
"Es ist genügend Geld im System"

Vor der heutigen vierten Tarifrunde für Erzieher in Kindergärten hat die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi mit unbefristeten Streiks gedroht. Die Erzieher fordern mehr Anerkennung für ihren Berufsstand – auch finanziell.

Von Vivien Leue |
    Eine Mutter steht mit ihrem Kind in Kassel (Hessen) vor einer geschlossenen Kita, an der Streik-Hinweise hängen
    Wegen Warnstreiks der Erzieherinnen an kommunalen Kitas blieben beispielsweise in Kassel in Hessen bereits Kitas vorübergehend geschlossen. (picture alliance / dpa/ Uwe Zucchi)
    "Alle sprechen davon, dass es eine wichtige Arbeit ist, dass die Kinder die Zukunft der Gesellschaft sind. Und wir werden in hohen Tönen gelobt, aber man sieht keine Veranlassung, das in Euro auszudrücken."
    Ellen Engstfeld ist Leiterin einer Kindertagesstädte in Köln-Mühlheim. Die 60-Jährige ist sauer. Statt immer neuer Bekundungen, wie wichtig frühkindliche Bildung ist, will sie endlich Anerkennung für ihren Berufsstand – auch finanziell.
    "Kinder kommen mit teilweise vier Monaten, mit einem Jahr in die Kita, und das ist die wichtigste Zeit, in der Kinder lernen. Nie mehr lernen Kinder so gut, so schnell, so einfach. Aber das bedarf auch eines Zeitaufwands, einer strukturierten Betreuung, einer pädagogischen Arbeit, einer Begleitung. Und die darf nicht durch mangelnde Kräfte, durch überlastete Kräfte vergeudet werden. Was da versäumt wird an Investitionen in diesem Alter, das rächt sich im Jugendalter um ein Zehnfaches."
    In den letzten Jahren hat sich der Aufgabenbereich der Erzieher stetig erweitert: Die Kinder wurden kleiner, müssen häufiger gewickelt oder getröstet werden, brauchen mittags Hilfe beim Essen und später vielleicht auch noch beim Einschlafen. Außerdem hat sich der bürokratische Anteil der Arbeit merklich erhöht:
    "Durch den Bildungsplan gibt es die Bildungsdokumentationen, die mindestens einmal im Jahr geschrieben werden, Beobachtungsbögen müssen ausgefüllt werden – für jedes einzelne Kind – und es gibt mindestens einmal im Jahr ein entsprechendes Entwicklungsgespräch mit den Eltern dazu."
    Dafür fordert die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, dass die Erzieherinnen und Erzieher im Tarif für den Sozial- und Erziehungsdienst im Öffentlichen Dienst höher eingruppiert werden.
    "Wenn junge Kolleginnen anfangen, dann sind das brutto weniger als 2.000 Euro, die da rauskommen."
    Konkret will die Gewerkschaft ein Anfangsgehalt von rund 2.850 Euro durchsetzen – durchschnittlich für alle Gehaltsstufen fordert sie etwa zehn Prozent mehr als jetzt. Und: Auch für die Leitung von bestimmten Einrichtungen, wie Familienzentren, die neben Kindergartenplätzen auch Räume für Bildungsveranstaltungen oder spezielle Therapeuten wie Logopäden bereithalten, fordern die Gewerkschafter mehr Geld.
    "Leitung von Regeleinrichtungen ist schon einfaches Management, aber die Leitung eines Familienzentrums, das ist schon mittleres Management – ohne dass das bezahlt wird. Die Leitung eines Familienzentrums kriegt keinen Cent mehr."
    Für die kommunalen Arbeitgeber sind diese Gehaltsforderungen zu hoch. Ihren Berechnungen zufolge würden sie Mehrkosten in Höhe von 1,2 Milliarden Euro pro Jahr bedeuten.
    "Für mich ist das eine politische Entscheidung, ich bin der Meinung, dass genug Geld im System ist. Es ist eine Frage, wie ich das verteile, eine politische Entscheidung. Im Moment wird ja diskutiert, ob das Elterngeld fällt. Das wäre eine Sache, wird aber nicht reichen. Aber ich denke, es ist genügend Geld im System, und da stelle ich meine Forderung an die Politik, da zu entscheiden – wenn Sie sagen, uns sind Kinder wichtig, das gibt es nicht zum Nulltarif."
    "Früher waren wir familienergänzend, heute geht es schon in die Richtung, dass wir schon teilweise familienersetzend arbeiten."
    "Die Kinder kommen mit vielfältigen Problemen, Sprachbarrieren, ganz viel Elternarbeit muss gemacht werden – das ist gar nicht gegen Eltern gerichtet – sie wissen‘s häufig gar nicht anders, Kinder mit wenig Materialerfahrung, mit wenig Grenzen, die bei uns zum ersten Mal lernen, den Alltag zu gestalten – mit Hilfe der Erzieherinnen."
    Nach Angaben von Ellen Engstfeld haben die meisten Eltern bisher Verständnis für die Streiks in den Kindergärten. Erst gestern legten allein in Nordrhein-Westfalen 10.000 Erzieher und Erzieherinnen die Arbeit nieder – Hunderte Kitas blieben zu. Möglicherweise droht dieses Szenario bald für länger als einen Tag. Verdi-Chef Frank Bsirske warnte die kommunalen Arbeitgeber, weiter alle Forderungen zu blockieren.
    Wenn die sich keinen Schritt weiter bewegen, so wie bisher nicht weiter bewegen, tragen sie die Verantwortung, dass wir einen Erzwingungsstreik durchführen müssen.
    "Wir wünschen uns nicht den Erzwingungsstreik – wir würden lieber morgen arbeiten gehen. Wenn sich die Arbeitgeber es schaffen, uns anzunähern."