Stefan Pattke sitzt von Kindern umringt auf ein paar Turnmatten in der Kindertagesstätte Stepping Stones nicht weit vom Potsdamer Platz im Zentrum Berlins. Der 33-Jährige ist in doppelter Hinsicht eine Seltenheit, denn erstens arbeiten nicht viele Männer in Kitas und zweitens hat Pattke seinen Beruf nicht gelernt, sondern studiert, bevor er vor acht Jahren anheuerte.
"Den Zivildienst hatte ich im Kindergarten gemacht und das hat mir so gefallen, dass ich mich nach Alternativen im frühkindlichen Bereich umgesehen hatte."
Pattke studierte an der FH Potsdam das Fach Bildung und Erziehung im frühen Kindesalter. Dass er auch nach dem Studium wieder direkt mit Kindern arbeiten wollte und nicht nur im Büro, war für ihn klar. Das Studium helfe ihm besonders dabei, Kinder in ihrer Entwicklung zu beobachten und sie den Eltern theoretisch fundiert zu erläutern.
"Die verschiedenen Entwicklungsphasen wurden sehr detailliert behandelt: Wie Kinder lernen, wie sind die Bindungstheorien dazu, die Lerntheorien."
Nur wenige Absolventen entscheiden sich für die Kita-Arbeit
Außerdem ist Pattke seit drei Jahren stellvertretender Leiter der Kita. Auch darauf hat ihn sein Studium vorbereitet. Was ihn freut: In seinem Krippenbereich arbeiten drei weitere Akademikerinnen, darunter die Leiterin der Kita. Der Träger, die Fröbel-Gruppe, hat Führungsaufgaben auf mehrere Schultern verteilt. Das solle die Arbeit in der Kita für studierte Pädagogen wie Pattke attraktiver machen, sagt Fröbel-Personalleiter, Philipp Eickstädt.
"Weil sie andere Erfahrungen mitbringen, einen akademischen Hintergrund für uns mitbringen. Jedoch zeigt es sich in der Realität, dass wir gerne mehr nehmen würden, die auch am Kind arbeiten, die pädagogisch arbeiten und sich dafür interessieren, aber die Bewerbungen diesbezüglich nicht so hoch sind, wie wir uns das vorstellen wollten."
Alternativen gibt es zum Bespiel in Forschung, der Verwaltung von Unternehmen oder auch in Jungendämtern. Was den Kita-Job für viele unattraktiv macht, ist die im Vergleich zu anderen akademischen Berufen niedrige Bezahlung. Die Fröbel-Gruppe zahlt Hochschulabsolventen zwar etwas mehr Gehalt als gelernten Erzieherinnen und Erziehern. Das ist aber nicht die Regel. Die studierten Pädagogen erwartet deshalb ein Erzieher-Gehalt, das ohne Arbeitserfahrung bei einem Bruttolohn von 2.685 Euro beginnt.
Die Leiterin einer Kita mit mehr als 180 Kindern hat ein Einstiegsgehalt von 3.734 Euro. Für eine Führungsposition wird aber Arbeitserfahrung in der Kita erwartet. Es sei deshalb schwer, Absolventen zu locken, sagt Katrin Grenner, pädagogische Geschäftsleiterin des städtischen Berliner Kita-Trägers Kindergärten City.
"Wir können sie einstellen, aber nicht zu einem anderen Gehalt als eine Erzieherin, einen Erzieher, und das ist natürlich eine bittere Pille. Wenn Sie studiert haben, dann haben Sie die berechtigte Erwartung, dass sich das auch widerspiegelt."
Die Erwartung wird sich aber vorerst nicht erfüllen. Die meisten Kitas haben heute so drängende Probleme, dass die Einstellung von Hochqualifizierten hintenansteht: Immer mehr Kinder drängen in die Kitas. Auch für Kinder unter drei Jahren besteht seit sechs Jahren ein Rechtsanspruch. Viele Einrichtungen sind dramatisch unterbesetzt. Um die Stellen zu besetzen, sinke der pädagogische Anspruch eher, anstatt zu steigen, beobachtet Katrin Grenner.
"Wir haben sogenannte Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger, wir haben einen hohen Anteil von berufsbegleitend Auszubildenden. All das sind ja Öffnungsprozesse von Teams nicht immer nach oben."
Eigentlich würden gerade in dieser Situation Hochqualifizierte gebraucht, um die Quereinsteiger besser einzugliedern, sagt Grenner. Dass Hochschulabsolventen heute nicht die ihnen einst zugedachte Rolle spielen, um die Qualität in Kitas zu verbessern, ist für viele Experten enttäuschend – auch für Wolfgang Tietze. Der Geschäftsführer des Instituts Pädquis unterstützt Kitas, die die Betreuung und Bildung von Kindern verbessern wollen.
"Was man seinerzeit mit der Akademisierung angestrebt hat, das allgemeine Ausbildungsniveau anzuheben, dem wird nicht so sein. Und das Abnehmersystem ist insgesamt nicht auf Hochschulabsolventen mit einer Spezialisierung in diesem Bereich ausgelegt."
Und wie sieht es dort aus, wo der akademische Nachwuchs ausgebildet wird? Die Alice-Salomon-Hochschule in Berlin war eine der ersten, die ein entsprechendes Studium anbot. Die Leiterin des Studiengangs Erziehung und Bildung in der Kindheit, Rahel Dreyer, beobachtet die Lage in den Kitas mit Sorge.
"Im Rahmen des Fachkräftemangels in Kitas sehen wir eher Dequalifizierungsprozesse, also eher, dass man nach Assistenzmodellen sucht und weniger investiert in den Ausbau der akademischen Hochschulausbildung."
Berufsfeld für Kindheitspädagogik noch sehr eingeschränkt
Viele, die heute Kindheitspädagogik studieren, überlegen deshalb genau, welcher Weg der richtige für sie ist. Diese Frage stellt sich auch Aaron Unterberg, der kurz vor dem Bachelor steht.
"Tatsächlich ist das Berufsfeld für Kindheitspädagogen noch sehr eingeschränkt. Man gilt dann als studierter Erzieher oder sowas, aber wir wollen gar nicht in Konkurrenz zu irgendjemandem treten."
Der 25-Jährige sitzt vor einem langen Tisch, auf dem Werkzeuge ausgebreitet sind. An der Alice-Salomon-Hochschule wird lieber in solchen Lernwerkstätten unterrichtet als in Hörsälen. Die angehenden Pädagogen sollen hier in die Rolle von Kindern schlüpfen, um zu verstehen, wie sie ihnen Naturwissenschaften und Technik erklären können. Aaron Unterberg ist immer noch zufrieden mit seiner Studienwahl.
"Weil es einfach total toll ist, mit Kindern zu arbeiten und Sachen zu entdecken und die Welt zu erforschen."
Ob er aber mal in einer Kita arbeiten wird, weiß er noch nicht.