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Erziehungsminister in Brennpunktschule
Frankreich: Mit kleineren Klassen Bildungschancen verbessern

Kleinere Klassen, mehr Lehrpersonal, Förderung sozial benachteiligter Kinder: Frankreich will die Bildungschancen von Grundschülern verbessern. Das Programm läuft seit 2017. Jetzt hat sich Erziehungsminister Jean-Michel Blanquer in einer Brennpunktschule informiert, ob das Programm erste Erfolge zeigt.

Von Suzanne Krause |
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    Nur noch zwölf Kinder pro Klasse im ersten und zweiten Schuljahr: Frankreichs Erziehungsminister Jean-Michel Blanquer macht sich an einer Brennpunktschule in Poissy ein Bild davon, ob das neue Bildungsförderungsprogramm Erfolg hat (Deutschlandradio / Suzanne Krause)
    Mit seinen fünf- sechsstöckigen Mietskasernen gilt das Hochplateau von Poissy als soziales Brennpunktviertel: Mehr als jeder 2. Anwohner hat Migrationshintergrund. Am Rande des Viertels liegt ein ältlicher Flachbau: die Grundschule Pascal. Hier eilt Erziehungsminister Jean-Michel Blanquer mit einem Tross von Begleitern durch den langen Flur. In einem Klassenzimmer erwarten ihn schon 13 Erstklässler.
    "Das ist der Erziehungsminister", stellt die Lehrerin den Ehrengast vor: "Euer Minister, der mit dem Staatspräsidenten zusammenarbeitet."
    Die Kinder sind beeindruckt. Blanquer fragt sie, was sie in der Schule machen:
    "Wir arbeiten!" erschallt es im Chor. Ein kleiner Junge meint: "Damit wir ganz viel wissen, wenn wir groß sind!"
    Blanquer nickt begeistert. Denn mancher Schüler hier hat Eltern, die kaum lesen und schreiben können: Sie entstammen der 2., 3. Generation von Einwanderern aus Afrika, der Türkei oder auch Portugal. Doch auch wegen chronisch überfüllter Klassen blieb für manchen die republikanische Chancengleichheit reine Illusion.
    Die Grundschule Pascal verfügt über insgesamt sieben erste und zweite Klassen, mit pi mal Daumen je zwölf Schülern. Verkleinerte Klassen gibt es hier schon seit letztem Jahr, sagt Schulleiterin Lydie Gouennec.
    "Früher waren es im Schnitt 24, 25 Kinder in der ersten Klasse. Im Rahmen der Klassenverkleinerung hat uns das Schulamt zwei zusätzliche Lehrkräfte geschickt."
    Landesweit wurden im Rahmen der Klassenverkleinerung allein dieses Jahr 3.880 neue Lehrerposten geschaffen. Schon der vorige sozialistische Staatspräsident François Hollande bestimmte, mehr Lehrpersonal einzustellen. Händeringend wird Nachwuchs gesucht - denn der macht sich rar.
    Ein besseres Lernklima ist das A und O
    Erziehungsminister betritt das nächste Klassenzimmer: Dort sitzt ein gutes Dutzend Zweitklässler in Grüppchen an mehreren Tischen im Raum. Im letzten Jahr drängten sich hier noch doppelt so viele Zweitklässler beim Unterricht von Jessica Gay. In der neuen, kleinen Klasse herrsche gleich ein anderes Klima, schwärmt die Lehrerin: Die Kinder säßen nicht mehr eng auf eng, alleine das entspanne die Atmosphäre ungemein.
    "Die Kinder sind viel ruhiger, sie haben weitaus weniger Probleme untereinander, jeder hört den Mitschülern viel besser zu."
    Es sei nun möglich, verstärkt auf jeden Einzelnen einzugehen, resümiert die Lehrerin. Und: ihre aktuelle Klasse habe schon bei der Einschulung letztes Jahr von der Klassenverkleinerung profitiert.

    "Schon beim Schuljahresstart fällt mir auf, wie autonom die Kinder sind. Normalerweise muss man nach den zwei Monaten Sommerferien erst mal den Stoff vom Vorjahr aufwärmen. In dieser Klasse hingegen haben die Kinder sehr wenig vergessen. Ich kann gleich mit dem neuen Stoff beginnen. Der Elan in der Klasse ist unglaublich positiv, das gibt den Kindern viel Selbstvertrauen."
    Sozialbenachteiligte Kinder besser fördern
    Als sehr positiv bewertet auch Erziehungsminister Jean-Michel Blanquer die ersten Erfahrungsberichte vom Terrain.
    "Wir wollen Kinder in sozial benachteiligten Vierteln speziell fördern. Denn bislang hinkten sie in der Schule Gleichaltrigen aus dem Rest des Landes hinterher. Das wird bald Vergangenheit sein."
    Erste Erkenntnisse des wissenschaftlichen Begleitprogramms sollen gen Jahresende veröffentlicht werden. Ab September 2019 dann werden 300.000 Erst- und Zweitklässler von kleinen Klassen profitieren: Das sind alle aus den entsprechenden Jahrgängen, die in sozialen Brennpunktvierteln leben.