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Es fehlt an Standards und Qualität

Über den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige wurde lange gestritten. Länder und Kommunen hatten zuletzt in einem Kraftakt Hunderttausende Plätze für Kleinstkinder geschaffen. Ob die Garantie tatsächlich erfüllt wird, muss sich erst noch zeigen.

Von Monika Dittrich |
    "Der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz für Kinder ab dem ersten Geburtstag kommt ab dem 1. August 2013, so wie wir das mit den Ländern und Kommunen beim Krippengipfel 2007 vereinbart haben. Applaus."

    Familienministerin Kristina Schröder musste einlösen, was ihre Vorgängerin Ursula von der Leyen zugesichert hatte. Für Länder und Kommunen war das die Pistole auf der Brust. Manch ein Bürgermeister mag bis zuletzt gehofft haben, der Termin für den Rechtsanspruch würde verschoben. Denn noch vor Kurzem war von 200.000 fehlenden Krippenplätzen die Rede. Doch dann konnte die CDU-Politikerin die neusten Zahlen verkünden, und dabei wirkte sie sehr erleichtert:

    "Im vor uns liegenden Kita-Jahr 2013/2014 werden nach Angaben der Länder insgesamt 813.093 Kita-Plätze zur Verfügung stehen, das sind gut 30.000 mehr als der veranschlagte Bedarf von 780.000 Plätzen."

    Die Zahlen sehen auf dem Papier allerdings besser aus als in der Wirklichkeit. Denn zugrunde liegt die Annahme, dass im Schnitt 39 Prozent der Kinder zwischen ein und drei Jahren einen Betreuungsplatz brauchen. In Großstädten dürfte der Bedarf aber wohl bei fünfzig oder sechzig Prozent liegen. Und Rechtsanspruch heißt letzten Endes: Wenn 100 Prozent der Eltern einen Platz für ihr Kleinkind verlangen, dann müssen sie ihn auch bekommen.

    "Für uns ist es so ein bisschen unerotisch an diesem Spiel, dass der Beschluss, die Segnung über den Bundestag entschieden ist und der Ärger vor dem Rathaus abgelegt wird. Das ist keine faire Aufteilung im politischen Spiel."

    Beschwert sich Städtetagspräsident und Sozialdemokrat Ulrich Maly. Zwar hat der Bund 5,4 Milliarden Euro beigesteuert. Trotzdem war und ist der Krippen-Ausbau für die meisten Gemeinden eine enorme Anstrengung, nicht nur finanziell. Es fehlen passende Räume, weshalb die Kitas für Kleinstkinder mitunter in ehemaligen Supermärkten oder Kneipen entstehen. Zudem werden noch zehn- bis zwanzigtausend zusätzliche Erzieherinnen gebraucht. Obendrein sind die Kommunen schadensersatzpflichtig, wenn Eltern leer ausgehen und deshalb vor Gericht ziehen. Und noch etwas Wichtiges fehlt beim Krippenausbau:

    "Das betrifft ganz besonders die Qualität. Denn es geht ja nicht darum, unsere jüngsten in irgendwelche Räume zu stopfen, sondern da muss wirklich die Qualität stimmen, denn es geht ja um sehr sensible, sehr empfindliche junge Menschen in diesem jungen Lebensalter."

    Kritisiert Jörg Maywald von der Deutschen Liga für das Kind, einem interdisziplinären Netzwerk, das sich mit der frühen Kindheit beschäftigt. Maywald bemängelt, dass es beim Krippengipfel einzig darum gegangen sei, möglichst schnell möglichst viele Plätze zu schaffen. Es sei versäumt worden, bundesweite Qualitätsstandards festzulegen. Stattdessen hätten Kindergärten vielerorts einfach ihre Gruppen vergrößert; und Erzieherinnen seien oft nicht ausgebildet für den Umgang mit so kleinen Kindern.

    "Stellen Sie sich mal vor, wir würden ein neues Flugzeug entwickeln und da zwar an Quantitäten denken, aber die Sicherheits-Checks usw. - völlig vernachlässigen. In der Technik kann man sich so etwas überhaupt nicht vorstellen. Und in einem Bereich, wo wir eigentlich viel zurückhaltender und vorsichtiger sein müssten, nämlich wo es um unsere Kinder geht, da ist das so passiert."

    Tatsächlich hat eine vom Bundesfamilienministerium geförderte Untersuchung ergeben, dass nicht mal zehn Prozent der Krippenplätze in Deutschland von guter pädagogischer Qualität sind. Die Erzieherinnen müssen sich oft um zu viele Kinder kümmern. Experten empfehlen, dass eine Fachkraft höchstens für drei Kleinkinder zuständig sein sollte. In einigen Regionen, vor allem in Ostdeutschland, sind es oft mehr als doppelt so viele Kinder pro Erzieherin. Qualität kostet aber Geld. Helmut Rainer vom Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung findet, dass die Millionen an der falschen Stelle ausgegeben werden - zum Beispiel für das Betreuungsgeld.

    "Unsere Studien legen nahe, dass bei der Entscheidung, Kinder zu bekommen, rein monetäre familienbezogene Leistungen für junge Paare keine nennenswerte Rolle spielen. Was wir aber auch gesehen haben ist, dass junge Paare bei der Familiengründung großen Wert auf das Angebot von Betreuungsplätzen legen, eben damit auch mit der Aussicht, Familie und Beruf miteinander vereinbaren zu können."

    Es war richtig, dass die Familienministerin auf den Rechtsanspruch bestanden hat. Länder und Kommunen hätten sich beim Krippenausbau nicht so sehr angestrengt, wenn sie nicht dazu verpflichtet worden wäre. Jetzt aber ist ein zweiter Krippengipfel nötig, bei dem es endlich auch um die Qualität der Betreuung gehen muss. Kinder unter drei Jahren sind besonders empfindlich: Sie brauchen gut ausgebildete und gut bezahlte Erzieherinnen, die Zeit haben, mit ihnen zu spielen und zu sprechen, sie in den Schlaf zu singen und ihnen beim Essen zu helfen. Es ist höchste Zeit für bundesweite Standards und ein entsprechendes Qualitätsgesetz.

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