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"Es gab nur eine Reaktion zu diesem verrückten Pastor: lächerlich"

"Pro Deutschland" hat den Hassprediger Terry Jones, der vor zwei Jahren mit der Ankündigung von Koran-Verbrennungen mediale Berühmtheit erlangte, nach Deutschland eingeladen, doch er darf nicht einreisen. Bettina Klein war damals dabei, in Gainesville, als eine Kleinstadt Kopf stand.

Bettina Klein im Gespräch mit Christoph Schmitz | 18.09.2012
    Christoph Schmitz: "Mir, Dr. Terry Jones, ist die Einreise nach Deutschland verboten worden. Ich halte dies für absolut absurd. ( ... ) Dies ist der Anfang vom Ende unserer westlichen Gesellschaft, zu verbieten, zu beschränken, die Freiheit der Rede einzuschränken".

    Dafür, dass das Schmähvideo "Die Unschuld der Muslime" gezeigt werden soll, wolle er sich in Deutschland einsetzen. So von Jones zu lesen auf der Internetseite der rechtsextremen Gruppierung "Pro Deutschland" heute. Die Gruppe "Pro Deutschland" hatte den christlichen Hassprediger aus Gainesville, Florida, eingeladen. Vor zwei Jahren hatte Jones weltweit mit seiner Ankündigung, den Koran zu verbrennen, für Aufsehen gesorgt. Die Protestwelle in muslimisch geprägten Ländern war groß gewesen. Seine Polemik "Islam is of the Devil" hatte man kaum gelesen. Fast 30 Jahre lang hatte Jones zuvor eine christliche Gemeinde in Köln geleitet, die ihn aber irgendwann rausgeworfen hatte.

    Meine Kollegin Bettina Klein kennt den Prediger, kennt Gainesville, war dort. Frage: Ist Terry Jones mit seinem Hass auf den Islam der Prototyp eines Bürgers von Gainesville?

    Bettina Klein: Auf gar keinen Fall. Es waren ja damals die Tage vor dem 11. September, damals der neunte Jahrestag der Anschläge von 9/11., und das Thema, diese angekündigte Koran-Verbrennung, hat natürlich im Zusammenhang mit diesem Datum eine enorme Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die amerikanischen Nachrichtenkanäle nationwide wurden dominiert durch diese Ankündigung schon Tage vorher. Zeitungen in Florida berichteten: Ich erinnere mich an die Titelgeschichte vom "Miami Herald", der schrieb, dass sich Studenten der Universität in der Stadt - das ist die University of Florida - kaum noch zurücktrauen würden nach den Sommerferien.

    Und dann fand man eine Stadt vor, die sich wirklich schlicht an den Kopf gefasst hat, und wen immer man gefragt hat (ich habe ja keine organisierte Reise dorthin gemacht, sondern habe mich auf eigene Faust vom Süden Floridas nach Gainesville begeben), wenn man mit den Menschen dort sprach, gab es eigentlich nur eine Reaktion zu diesem verrückten Pastor, und die hieß: ridiculous, lächerlich.

    Schmitz: Wie tickt denn diese Stadt? Welches Bürgertum lebt dort und welche Ansichten vertritt man dort?

    Klein: Das ist ganz interessant. Es ist ja eine Universitätsstadt, sie beherbergt die größte Universität Floridas, 120.000 Einwohner, etwas mehr, also nicht sehr groß, aber immerhin, und ist für den Bereich Zentralflorida, Nordflorida so etwas wie ein Bildungszentrum. Es ist eine akademisch geprägte Stadt mit einer gebildeten Gesellschaft und einem damals wenige Monate zuvor ins Amt gewählten, offen homosexuell lebenden Bürgermeister, und das ist nicht wirklich selbstverständlich für Florida und auch nicht für die USA, und das haben viele Bürger eigentlich auch als einen Ausweis der Liberalität verstanden und sich umso mehr gefragt, weshalb eigentlich hier.

    Dieser Bürgermeister hat natürlich auch sich sehr scharf distanziert davon und die Leute waren einfach entsetzt, empört und auch traurig, dass dieser eine Mann jetzt wirklich sozusagen das Medieninteresse der ganzen Welt auf diese Stadt lenkt, aber nicht etwa wegen der Football-Saison, die an diesem Wochenende auch beginnen sollte mit einer sehr starken Football-Mannschaft, der "Florida Gators", sondern wegen eines relativ durchgeknallten Pastors, wie es hieß, der so etwas Schreckliches wie Koran-Verbrennungen angekündigt hat.

    Schmitz: Wie hat denn die Stadt konkret reagiert?

    Klein: Es gab natürlich vom Bürgermeister, mit dem ich selber auch gesprochen habe, den ich interviewt habe, Stellungnahmen, denn das erste, was man sah, wo man hinkam, waren ganzseitige Zeitungsanzeigen in der örtlichen Tageszeitung, der "Gainesville Sun", wo eben Vertreter anderer christlicher Kirchen, von denen es sehr viele gibt in der Stadt, ihre Solidarität mit den Muslimen bekundet haben, sich distanziert haben von diesem Pastor.

    Und ich habe mit einigen dort auch gesprochen, die betonten, wie stark eigentlich der Zusammenhalt zwischen den religiösen Gruppen, zwischen den Kirchen in der Stadt eigentlich ist und dass man es gerade deswegen nicht begreifen könne, dass ausgerechnet dort ein gewisser Terry Jones dazu aufruft. Es gab gemeinsame Veranstaltungen zwischen baptistischen Kirchen, anderen christlichen Kirchen und Muslimen, es gab gemeinsame Gottesdienste, ein gemeinsames Freitagsgebet.

    Ich habe daran auch teilgenommen an diesem 10. September und muss sagen, die Muslime in den USA gelten ja allgemein eigentlich als relativ gut integrierte Religionsgruppe, und man traf dort sehr selbstbewusste junge Muslime, die sagten, das hat eigentlich positive Effekte gehabt, die ganze Geschichte, denn wir sind näher zusammengerückt im Grunde genommen, dadurch haben wir auch noch mal gesehen, in welcher liberalen Stadt wir eigentlich leben.

    Schmitz: Das heißt, die freikirchlichen Gruppen, aber auch die beiden großen Konfessionen, die evangelische und die katholische Kirche, haben sich distanziert?

    Klein: Ja.

    Schmitz: Welche Rolle spielen die Medien in dem großen Getöse aus Gainesville?

    Klein: Das war damals natürlich noch mal wirklich ein Thema für sich, das war schon sehr bizarr. Dieses Gemeindezentrum dieser kleinen Kirche befindet sich ja etwas außerhalb von Gainesville, auf einer großen Wiese, relativ einsam, und dort sah man Dutzende von Kamera-Übertragungswagen von allen großen amerikanischen Fernsehanstalten, die Polizei war dort postiert, hat dort die Fahrzeuge kontrolliert. Sonst passierte aber eigentlich weiter gar nichts. Dann kam dieser Pastor ab und an mal auf die Wiese, gab ein paar Pressestatements ab, und das war's.

    Und diese Koran-Verbrennung damals, vor zwei Jahren, wurde ja abgeblasen. Da gab es auch verschiedene Theorien darüber, weshalb das so war. Aber ein halbes Jahr später hat er dann wohl in einer kleineren Aktion Korane verbrannt und bis dahin gab es auch eine Diskussion in den amerikanischen Medien, ob man ihm da vielleicht eine zu große Bühne gegeben habe. Das war schon ein bisschen auch das Sommerloch, das da ausklang. Deswegen war der Fokus dann, ein halbes Jahr später, auch nicht mehr darauf so sehr gerichtet, da hat man offenbar auch gelernt.

    Schmitz: Sagt Bettina Klein über den kleinen Hasspastor Terry Jones im liberalen Gainesville.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.