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"Es geht auch um die Anerkennung der Leistungen"

Peter Frankenberg, Wissenschaftsminister von Baden-Württemberg, rechnet nicht damit, dass zu Dualen Hochschulen aufgewertete Berufsakademien negative Folgen für die Fachhochschulen haben werden. Die steigende Zahl von Studienanfängern an Fachhochschulen beweise, dass sie sich vor der Konkurrenz der Berufsakademien eigentlich nicht zu fürchten brauchten, so der CDU-Politiker.

Peter Frankenberg im Gespräch mit Sandra Pfister | 05.11.2008
    Sandra Pfister: Staatliche Berufsakademien gibt es außer in Baden-Württemberg nur in Sachsen und Thüringen und jetzt eine Abwandlung in Berlin. Die Berufsakademien in Baden-Württemberg dürfen sich in Zukunft Hochschulen nennen. 15.000 junge Leute, die derzeit in einer solchen Berufsakademie stecken, dürften sich freuen. Das haben sie Peter Frankenberg zu verdanken, dem baden-württembergischen Wissenschaftsminister. Und der ist am Telefon. Herr Frankenberg, die Berufsakademien haben eine Erfolgsgeschichte hinter sich und gerade weil sie so praxisorientiert sind. Warum brauchen sie denn jetzt auch noch diese akademischen Weihen?

    Peter Frankenberg: Es geht vor allen Dingen darum, dass die Absolventen anerkannte Absolventen einer Hochschule sind und nicht befürchten müssen, an anderer Stelle etwa kein Master-Studium aufnehmen zu können. Und es geht auch um die Anerkennung der Leistungen, die eben hochschuladäquat sind in der Lehre. Es gab dazu Feststellungen des Wissenschaftsrates. Wir haben ein Abkommen mit der Open University in Großbritannien, die das feststellt und die auch die Qualitätssicherung im Sinne eines Hochschulstudiums vollzieht und uns strenge Auflagen an die Qualität der Lehre und auch der Klausuren, also der Lehrbewertung an der Berufsakademie macht.

    Pfister: Das Studium wird praxisorientierter, das ist ja allgemein ein Trend, der sich auch in den Bachelor-Studiengängen zeigt. Dann haben wir die Fachhochschulen. Jetzt waren bislang die Berufsakademien davon noch klar abgrenzbar. Was bringt es da noch, ein drittes akademisches Konkurrenzangebot draufzusetzen?

    Frankenberg: Nun, Frau Pfister, das sind drei unterschiedliche Ausrichtungen - die Universitäten mit ihrer Theoriebezogenheit, mit der Einheit von Forschung und Lehre, mit forschungsbezogener Lehre. Es sind die Fachhochschulen, bei denen ja auch die Professorinnen und Professoren, und zwar mit akademischer Qualifikation, aus der Praxis kommen, die auch theorieorientiert, aber eben ein akademisches Studium, ein rein akademisches Studium über die Praxissemester anbieten. Und dann wirklich eine Duale Hochschule, in der die Ausbildung im Unternehmen gleichwertig ist mit der akademischen Ausbildung in Zeit und im Umfang, also mit Credit Points, modern gesprochen.

    Pfister: Können Sie verstehen, dass die anderen Hochschulen das kritisch sehen, dass die Berufsakademie jetzt auch Hochschule wird?

    Frankenberg: Es gibt Bedenken aus einigen Fachhochschulen, aber da muss man sehen, dass die Fachhochschulen dieses Jahr aus einer ungeheuer großen Zahl von Bewerbern nach großen und sorgfältigsten Verfahren so viele ausgewählt haben, dass wir bei vielen plus 20, plus 15, plus 10 Prozent Studienanfänger haben, also die Fachhochschulen - die ja bei uns Hochschulen heißen und auch im Gesetz mit den Universitäten in einem Gesetz stehen -, dass sie so attraktiv sind, dass sie sich vor dieser Konkurrenz der Berufsakademien eigentlich nicht zu fürchten brauchen.

    Pfister: Hochschulen haben ja einen staatlichen Forschungsauftrag, auch die neue Duale Hochschule, die früher Berufsakademie hieß?

    Frankenberg: Ja. Hier wird im Gesetz sozusagen die duale Forschung parallel zur dualen Bildung und Ausbildung festgeschrieben. Das heißt, die gemeinsame Forschung, die kooperative Forschung mit den Unternehmen.

    Pfister: Nun wirft man Ihnen vor, dass Sie auch ein handfestes, politisches Motiv haben, die Akademien als Hochschulen zu deklarieren, denn dadurch steigt ja die Zahl der Studienanfänger im eigenen Ländle, obwohl es de facto nicht mehr geworden sind, aber Sie können dann mehr vorweisen, dadurch dass Sie jetzt einfach die Berufsakademie umdeklarieren. Ist das eine kosmetische Operation, um schnell noch ein paar Studienplätze mehr vorweisen zu können?

    Frankenberg: Nein, Frau Pfister, es ist ja so, dass bislang der Zugang zu den Berufsakademien auch nur mit Abitur möglich war, das heißt, das sind also Studienberechtigte, die im Grunde genommen sonst an die Universitäten gegangen wären. Wir öffnen das jetzt etwas mehr für fachhochschulreife Schüler, aber es geht uns überhaupt nicht um die Statistik, sondern das war eine akademische Ausbildung, die jetzt bislang nicht gezählt hat.

    Pfister: Man kann aber auch sagen, es war eine betriebliche Ausbildung, die eben nicht akademisch bewertet wurde, weil sie auch zu gleichen Teilen im Betrieb wie auch an Hochschulen stattfindet.

    Frankenberg: Ja, aber sie bekamen ja sozusagen von der Akademie ein Diplom bzw. einen Bachelor verliehen, sie bekamen keine betriebliche Urkunde verliehen. Also ganz anders als beim Gesellenbrief oder beim Meister war die Institution, die den Degree verliehen hat, die staatliche Institution. Insofern waren es in erster Linie staatliche Studierende, also an einer staatlichen Einrichtung, und sie haben einen staatlich garantierten Abschluss gemacht. Insofern waren sie genauso gestellt, nur nicht in dem Status als Hochschulabsolventen, sondern sie waren Akademieabsolventen wie die bisherigen Hochschulabsolventen.

    Pfister: Bislang ist es ja Absolventen von Berufsakademien nur unter strengen Bedingungen möglich, an einer klassischen Universität weiterzustudieren, Sie sprachen das eingangs an. Ändert sich das jetzt ganz automatisch?

    Frankenberg: Einen Automatismus gibt es nicht, es gibt die Möglichkeit des Wechsels, es gibt die Möglichkeit der Promotion, aber es kommt doch immer darauf an, was man geleistet hat. Wir haben ja immer Wert darauf gelegt, dass der Übergang in den Master zwar eine Berechtigung darstellt, dass es aber eine Qualifikationsüberprüfung geben muss, egal wo man herkommt, weil es hier keinen Automatismus geben kann und genauso wenig einen Automatismus in die Promotionen gibt. Aber man wird sicherlich an anderen Hochschulen sehr begabte Studierende aus den Berufsakademien, also der dann Dualen Hochschule gerne in Master-Programme nehmen oder sogar in ein Ph.D.-Programm oder in eine Promotion.

    Pfister: Was bringt das Ganze, wenn das nur ein baden-württembergisches Modell bleibt und nicht bundesweit Schule macht?

    Frankenberg: Es gibt Berufsakademien auch in Sachsen. Wir haben an unseren Berufsakademien oder dann der Dualen Hochschule 40 Prozent der Studierenden aus anderen Ländern. Das heißt, die Betriebe der anderen Länder haben schon im Grunde genommen abgestimmt, indem sie ihre ausgewählten Studierenden an unsere Berufsakademie, dann Duale Hochschule, schicken. Ich glaube, es wäre in Deutschland wichtig, dieses Angebot in allen Ländern so zu ergänzen, also das Hochschulangebot. Denn wir kommen insgesamt jetzt auf eine Studierquote in einem Altersjahrgang von über 40 Prozent. Wir kommen bei den Naturwissenschaften und Technikwissenschaften auf weit über 35 Prozent. Das heißt, wir erreichen wichtige bildungspolitische Zielzahlen. Und die erreicht man eben nur mit einem hoch differenzierten Hochschulsystem und nicht mit einem monostrukturierten Angebot.

    Pfister: Oder eben durch die Umdeklarierung der bereits vorhandenen Systeme.

    Frankenberg: Ja, es ist nicht nur eine Umdeklarierung, sondern man macht aus ihnen das, was sie eigentlich sind.