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"Es geht es uns doch eher gut"

Immer mehr junge Frauen müssen sich gleichzeitig im Beruf und der Familie bewähren. Doch nicht alle kommen anscheinend so gut mit dieser Doppelbelastung zurecht, wie unsere französischen Nachbarinnen. Sie haben im europäischen Vergleich überdurchschnittlich viele Kinder und sind außerdem überdurchschnittlich oft berufstätig. Margit Hillmann berichtet aus Paris.

16.08.2005
    "Ich hatte einfach Lust auf ein Kind. Ein Kind zu haben, dass hat mir auch überhaupt keine Angst gemacht. "

    Claudine, 25 Jahre alt, Verkäuferin und Mutter der fünfjährigen Armelle hat nicht eine Sekunde gezögert, als sie damals schwanger wurde. Sie wollte ein Kind und ihr Mann war auch einverstanden. Sechs Wochen vor der Geburt ist sie in den Schwangerschaftsurlaub gegangen; zehn Wochen nach der Geburt stand sie schon wieder im Laden und hat gearbeitet.

    Und wer hat sich um die kleine Armelle gekümmert? Die Großmutter. - Bis die Kleine schließlich mit drei Jahren in die Vorschule kam, in der alle französischen Kinder automatisch ganztags betreut werden.

    Auch Françoise, Mutter eines vier Monate alten Jungen, wollte nach Ablauf des bezahlten dreimonatigen Mutterschaftsurlaubs gleich wieder arbeiten. Weil sie und ihr Mann aber keine Familie in Paris haben, die bei der Betreuung des Kindes hätte einspringen können, musste sie erstmal einen Krippenplatz für ihren Sohn finden.

    "Ich musste eine etwas längere Auszeit nehmen, weil ich nicht gleich einen Kinderkrippenplatz gefunden habe. Aber für September müsste das jetzt klappen mit dem Platz. Er ist dann untergebracht und ich kann wieder arbeiten gehen. "

    Die Babys werden von französischen Kinderkrippen schon mit zweieinhalb Monaten angenommen. Allerdings sind die Plätze für die Kleinen unter drei Jahre vor allem in den französischen Großstädten knapp. Deswegen subventioniert der französische Staat auch Alternativlösungen. Die zuständige französische Familienkasse zahlt Eltern einkommensabhängig Zuschüsse für die Betreuungskosten in privaten Krippen oder für eine Tagesmutter, die sich um die Kinder in deren eigenen vier Wänden kümmert. Stellen die Eltern eine staatlich anerkannte Kinderbetreuerin fest ein, subventioniert die Familienkasse das Beschäftigungsverhältnis mit Lohnzuschüssen und übernimmt in einigen Fällen sogar komplett die fälligen Sozialversicherungsabgaben.

    Finanziell bezuschusst werden von der französischen Familienkasse neuerdings auch Krippen, die Unternehmen für die Kinder ihrer Beschäftigten einrichten. Ein Angebot, das bei französischen Unternehmern zunehmend Interesse findet. Denn eine betriebseigene Kinderkrippe sorgt für mehr Flexibilität der Eltern bei den Arbeitszeiten.

    Valérie, allein erziehende Mutter eines einjährigen Sohnes und freiberufliche Journalistin, lobt denn auch die französische Familienpolitik. Gäbe es nicht die Hilfen der Familienkasse, hätte sie ihren Job mit der Geburt des Kindes aufgeben müssen und wäre nun auf Sozialhilfe angewiesen, sagt sie.

    "Es ist wahr, dass es in einigen Fällen für die Frauen sehr schwierige Situationen gibt: Es ist wirklich eine Katastrophe, wenn man zum Beispiel keinen Krippenplatz findet und nicht genug Geld hat, sich eine Tagesmutter zu finanzieren. Aber es gibt immerhin eine Grundversorgung zur Betreuung der Kinder, die den Frauen das Arbeiten und Geldverdienen ermöglicht, mit einem Kind, mit zwei Kindern... ich kenne sogar Frauen, die weiterarbeiten, obwohl sie drei Kinder haben. Im Vergleich zu manch anderen europäischen Länder, geht es uns Französinnen doch eher gut."

    Eine andere Besonderheit des französischen Modells: Die Arbeitgeber werden zur Finanzierung der Familienpolitik unmittelbar in die Pflicht genommen. Für jeden Arbeitnehmer, den sie beschäftigen, müssen die Unternehmen an die nationale Familienkasse abführen: jeweils 5.4 Prozent des Bruttogehalt ihres Beschäftigten. Auf die Weise kommt immerhin Zweidrittel des Gesamtbudgets der nationalen Familienkasse zusammen.

    Doch trotz einer fortschrittlichen Familienpolitik und obwohl 57 Prozent der Französinnen beruftätig sind, leiden die Frauen in Frankreich noch immer unter der Doppelbelastung Beruf und Familie. Berufstätige Französinnen widmen Haushalt und Kindern noch immer ein Vielfaches mehr an Zeit als ihre Männer. Und im Unternehmen haben sie nicht nur schlechtere Aufstiegschancen. Sie sind dort nach wie vor Opfer nur scheinbar überlebter Klischees. Laurène vom Verein "Pariser Mütter".

    "Meine Kolleginnen und ich sind uns einig: Eine Frau, die Fotos ihrer Kinder auf dem Schreibtisch stehen hat, ist im Job unkonzentriert. Ein Mann dagegen hat die Fotos stehen, weil er ein guter Vater ist."

    Doch von alten Vorurteilen und indirekten Vorwürfen lässt sich die 28-jährige Direktionsassistentin nicht einschüchtern. Sie hat gerade ihr zweites Kind bekommen und will trotzdem in zweieinhalb Monaten wieder arbeiten gehen. Aber bis dahin genießt sie noch die Zeit mit dem kleinen Kéo, der sie freundlich angrinst.