Silvia Engels: Guten Morgen, Frau Leutheusser-Schnarrenberger.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Guten Morgen, Frau Engels.
Engels: Was versprechen Sie sich von dem neuen Konzept?
Leutheusser-Schnarrenberger: Ich verspreche mir davon, dass gerade die zivilrechtlichen Ansprüche eben länger durchgesetzt werden können als derzeit nur für drei Jahre - das ist doch eine sehr, sehr kurze Frist – und dass das doch gerade den Fällen angemessen ist. Und diese Verlängerung passt zusätzlich auch in unser System, weil wir derzeit auch schon bei deliktischem Handeln Schadenersatzansprüche innerhalb von 30 Jahren geltend machen können.
Engels: Das heißt, es geht hier vor allen Dingen um die Möglichkeit der Opfer, Schadenersatz zu bekommen. Die bisherigen Opfer sexuellen Missbrauchs, die ja mittlerweile schon diskutiert werden am runden Tisch, die können aber nicht mehr davon profitieren, oder?
Leutheusser-Schnarrenberger: Doch. Für die Opfer, die dann, wenn so eine Änderung in Kraft getreten ist, noch Ansprüche haben, die eben nicht 30 Jahre zurückliegen, für die könnte dann auch durch eine entsprechende Regelung dann gelten, dass sie noch Ansprüche auch durchsetzen können und dort nicht die Verjährungsfrist eingetreten wäre. Also für alles Laufende, was nicht mehr als 30 Jahre zurückliegt, da könnte dann auch noch eine entsprechende Befriedung eintreten.
Engels: Haben Sie einen Überblick, welche finanzielle Größenordnung so etwas insgesamt annehmen könnte?
Leutheusser-Schnarrenberger: Nein, das kann man nicht sagen. Es geht ja auch damit um Ansprüche, die Opfer gegen die jeweiligen Verursacher, gegen die, denen man eben ein Handeln zurechnen würde, geltend machen können. Das betrifft ja verschiedene Institutionen und Träger und das kann man nicht einschätzen.
Engels: Haben Sie denn für Ihren Vorstoß die Zustimmung des Koalitionspartners, also CDU und CSU?
Leutheusser-Schnarrenberger: Es ist ein Vorschlag, den ich jetzt dem runden Tisch vorgelegt habe. Wir haben uns ja verabredet, dass wir uns mit vielen Aspekten der Aufarbeitung befassen wollen. Und dazu gehören auch diese rechtlichen Fragen. Aber es ist im Vorfeld schon häufig auch aus Kreisen der Koalition über eine Verlängerung der Verjährungsfristen geredet worden, auch von Vertretern der Union gefordert worden, und ich kann mir schon vorstellen, dass doch dieser Vorstoß auf Zustimmung stoßen wird.
Engels: Wird es denn daneben auch eine Art freiwilligen Entschädigungsfonds der Institutionen geben, also der Kirchen beispielsweise, die ja besonders stark im Rampenlicht standen, was die Täter angeht?
Leutheusser-Schnarrenberger: Das ist eine ganz andere Frage, denn bei dieser Verlängerung der Verjährungsfrist geht es um Ansprüche, die nach geltendem Recht bestehen würden. Die Frage eines möglichen Fonds, einer Wiedergutmachung, eines Ausgleichs für Erlittenes, das ist ein ganz anderer Punkt. Über den ist bisher am runden Tisch noch nicht gesprochen worden. Wir arbeiten ein Problem nach dem anderen ab. Und das muss erst noch auf den Tisch und darüber muss noch in Ruhe geredet werden. Da ist natürlich noch alles offen, aber ich hoffe, dass wir am Ende gemeinsam auch da einen Weg finden können, was heißt, dass natürlich dann die Institutionen selbst, die jeweiligen Trägereinrichtungen, hier auch sich beteiligen müssten.
Engels: Der Münchener Erzbischof Marx warnte gestern in der "Frankfurter Rundschau" davor, dass einige jetzt gerne schon wieder zum "Business as usual" übergehen würden. Er lehnt das ab. Beobachten Sie eine Ermüdung bei der Aufarbeitung?
Leutheusser-Schnarrenberger: Nein, das sehe ich nicht. Gerade auch die runden Tische arbeiten doch – und zwar auch ohne, dass die Öffentlichkeit sich immer jetzt im Moment dafür so interessieren kann – sehr intensiv an vielen Fragen. Zum Beispiel gestern auch über drei Stunden an der Frage, soll man einheitliche Empfehlungen haben, um künftig die Kooperation mit der Staatsanwaltschaft für Institutionen auch sicherzustellen und dort eine einheitliche Handhabe vorgeben. Und was ich von unserer unabhängigen Beauftragten höre, gibt es ja nach wie vor eine Vielzahl von Anfragen. Und ich denke, in den Institutionen selbst ist da auch nicht die Energie verloren gegangen, sich mit diesen schwierigen und gesellschaftlich so bedeutsamen Fragen zu befassen. Ich denke, der Prozess ist nicht mehr ständig in der Öffentlichkeit, aber nach wie vor wird daran sehr engagiert gearbeitet.
Engels: Sie sprechen von vielen Anfragen. Haben Sie denn einen Überblick, oder die Mitglieder des runden Tisches, ob sich mittlerweile die meisten Opfer gemeldet haben?
Leutheusser-Schnarrenberger: Nein. Ich glaube, das wird man auch nie gewinnen können, denn es gibt ja ganz unterschiedliche Motivationen und Situationen, aus denen heraus Opfer auch vielleicht für Demütigungen, für Missbrauch, für Gewalt, die vor Jahrzehnten begangen wurden, sich jetzt melden. Das, glaube ich, werden wir gar nicht erfassen können, einzuschätzen, ob das wirklich die allermeisten tun, oder ob nicht viele da sind, die auch heute auf gar keinen Fall darüber reden möchten.
Engels: Wir sprechen mit Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP. – Frau Ministerin, wir kommen noch zu einem anderen Thema. Es geht um einen Koalitionskrach, und der betrifft die sogenannte nachträgliche Sicherungsverwahrung. Das ist ja die Regel, wonach Straftäter, bei denen auch nach Ablauf der Haftstrafe die Prognose besteht, dass sie neue schwere Vergehen begehen, eingesperrt bleiben. Die bisherige Regelung hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte für unzulässig erklärt und Sie haben darauf mit einem Gesetzentwurf reagiert. Danach soll es die Sicherungsverwahrung nachträglich nur noch geben, wenn diese bereits im Urteil vorgesehen ist, oder wenn sich das Gericht eine spätere Anordnung zumindest vorbehalten hat. De facto ist das Nachträgliche also weg. Das findet die Union gar nicht gut. Was nun?
Leutheusser-Schnarrenberger: Ich habe ein neues Konzept für die Sicherungsverwahrung vorgelegt, weil, wie Sie zurecht eben schon ausgeführt haben, die nachträgliche als ein Element der Sicherungsverwahrung doch rechtlich sehr, sehr unsicher ist. Und man muss auch eines sehen: Die nachträgliche Sicherungsverwahrung ist ja nur in den vergangenen Jahren in wirklich sehr, sehr wenigen Fällen verhängt worden. Von den über 500 Menschen, die in Sicherungsverwahrung sind, sind die große Mehrheit, ich glaube über 480, aufgrund primärer oder vorbehaltender Sicherungsverwahrung dort. Das ist aber ein Konzept, was in meinen Augen sehr viel besser werden muss. Ich glaube auch, dass wir mehr Sicherheit mit meiner Konzeption geben werden. Und wir müssen jetzt, denke ich, wirklich in Ruhe und konstruktiv in der Sommerpause darüber beraten. Ich sehe nicht mehr Schutzlücken, sondern ich sehe einen Abbau vorhandener Schutzlücken durch mein Konzept.
Engels: Aber die Innenminister der Länder der CDU, sei es jetzt Bernd Busemann aus Niedersachsen (er ist Justizminister dort), oder Innenminister Volker Bouffier in Hessen, der sieht die Regelung sehr, sehr kritisch. Er argumentiert, die Sicherheit der Bevölkerung müsse den höchsten Stellenwert haben. Das ist bei Ihnen offenbar nicht gegeben?
Leutheusser-Schnarrenberger: Doch, das ist natürlich in meinem Konzept gegeben. Ich glaube, dass die, die jetzt pauschal das von mir vorgelegte Konzept kritisieren, müssen es erst mal in ihrer Gesamtheit bewerten, denn wir geben in dem gerade die vorbehaltende Sicherungsverwahrung. Das, was wir im Verfahren, im Strafverfahren dann auch schon an Entscheidung dazu treffen können, dass wir das ja ausweiten wollen, dass wir es begrenzen bei den Straftaten, aber die Möglichkeiten, auch Ersttäter erfassen zu können, deutlich ausdehnen. Ich denke, wir geben hier mehr Sicherheit, auch mehr Rechtssicherheit, denn die nachträgliche Sicherungsverwahrung ist in der Vergangenheit häufig von Gerichten aufgehoben worden und wir haben derzeit noch mehrere Verfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Und ich glaube, wir brauchen Konzepte, die Bestand haben, und ich bin wirklich sicher, dass wir hier mehr Sicherheit, aber auch mehr Rechtsstaatlichkeit in Zukunft für künftige Fälle, für Taten, die erst noch begangen werden, haben werden.
Engels: Sie haben es angesprochen: Derzeit ist die Rechtslage de facto unklar. Ein Straftäter kam kurz nach dem europäischen Urteil sofort frei, andere bleiben nun nach einem neuen Spruch des Bundesverfassungsgerichts vorerst in Haft. Sie haben doch eigentlich nicht mehr viel Zeit für eine Einigung, es muss doch schnell gehen.
Leutheusser-Schnarrenberger: Ja, die Sache eilt, denn neben der Neuordnung der Sicherungsverwahrung sehe ich in meinem Konzept auch vor, dass es die Möglichkeit unter engen Voraussetzungen der elektronischen Aufenthaltsüberwachung geben soll, nämlich für diejenigen, die jetzt aufgrund höchst richterlicher Entscheidungen im Einzelfall entlassen werden könnten. Das könnte im Herbst auch dann in einigen Fällen erfolgen. Und weil es hier notwendig ist, auch dann die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten, dehne ich ja die Möglichkeiten – wir sagen "Führungsaufsicht" – aus, und das brauchen die zuständigen Stellen gerade in den Ländern. Und deshalb hoffe ich, dass wir jetzt gemeinsam dieses Konzept auch durchbringen werden, denn das ist tatsächlich ein in sich rundes und überzeugendes Konzept. Und ich hoffe, dass gerade bei den Vertretern der CDU und CSU jetzt, wenn wir intensiv im Einzelnen gemeinsam darüber beraten, was wir ja vor der Kabinettsbefassung natürlich auch schon mit den Rechtspolitikern getan haben, dass dann auch die Kritik doch weitestgehend verstummen wird.
Engels: Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Vielen Dank für das Gespräch.
Leutheusser-Schnarrenberger: Ja, vielen Dank!
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Guten Morgen, Frau Engels.
Engels: Was versprechen Sie sich von dem neuen Konzept?
Leutheusser-Schnarrenberger: Ich verspreche mir davon, dass gerade die zivilrechtlichen Ansprüche eben länger durchgesetzt werden können als derzeit nur für drei Jahre - das ist doch eine sehr, sehr kurze Frist – und dass das doch gerade den Fällen angemessen ist. Und diese Verlängerung passt zusätzlich auch in unser System, weil wir derzeit auch schon bei deliktischem Handeln Schadenersatzansprüche innerhalb von 30 Jahren geltend machen können.
Engels: Das heißt, es geht hier vor allen Dingen um die Möglichkeit der Opfer, Schadenersatz zu bekommen. Die bisherigen Opfer sexuellen Missbrauchs, die ja mittlerweile schon diskutiert werden am runden Tisch, die können aber nicht mehr davon profitieren, oder?
Leutheusser-Schnarrenberger: Doch. Für die Opfer, die dann, wenn so eine Änderung in Kraft getreten ist, noch Ansprüche haben, die eben nicht 30 Jahre zurückliegen, für die könnte dann auch durch eine entsprechende Regelung dann gelten, dass sie noch Ansprüche auch durchsetzen können und dort nicht die Verjährungsfrist eingetreten wäre. Also für alles Laufende, was nicht mehr als 30 Jahre zurückliegt, da könnte dann auch noch eine entsprechende Befriedung eintreten.
Engels: Haben Sie einen Überblick, welche finanzielle Größenordnung so etwas insgesamt annehmen könnte?
Leutheusser-Schnarrenberger: Nein, das kann man nicht sagen. Es geht ja auch damit um Ansprüche, die Opfer gegen die jeweiligen Verursacher, gegen die, denen man eben ein Handeln zurechnen würde, geltend machen können. Das betrifft ja verschiedene Institutionen und Träger und das kann man nicht einschätzen.
Engels: Haben Sie denn für Ihren Vorstoß die Zustimmung des Koalitionspartners, also CDU und CSU?
Leutheusser-Schnarrenberger: Es ist ein Vorschlag, den ich jetzt dem runden Tisch vorgelegt habe. Wir haben uns ja verabredet, dass wir uns mit vielen Aspekten der Aufarbeitung befassen wollen. Und dazu gehören auch diese rechtlichen Fragen. Aber es ist im Vorfeld schon häufig auch aus Kreisen der Koalition über eine Verlängerung der Verjährungsfristen geredet worden, auch von Vertretern der Union gefordert worden, und ich kann mir schon vorstellen, dass doch dieser Vorstoß auf Zustimmung stoßen wird.
Engels: Wird es denn daneben auch eine Art freiwilligen Entschädigungsfonds der Institutionen geben, also der Kirchen beispielsweise, die ja besonders stark im Rampenlicht standen, was die Täter angeht?
Leutheusser-Schnarrenberger: Das ist eine ganz andere Frage, denn bei dieser Verlängerung der Verjährungsfrist geht es um Ansprüche, die nach geltendem Recht bestehen würden. Die Frage eines möglichen Fonds, einer Wiedergutmachung, eines Ausgleichs für Erlittenes, das ist ein ganz anderer Punkt. Über den ist bisher am runden Tisch noch nicht gesprochen worden. Wir arbeiten ein Problem nach dem anderen ab. Und das muss erst noch auf den Tisch und darüber muss noch in Ruhe geredet werden. Da ist natürlich noch alles offen, aber ich hoffe, dass wir am Ende gemeinsam auch da einen Weg finden können, was heißt, dass natürlich dann die Institutionen selbst, die jeweiligen Trägereinrichtungen, hier auch sich beteiligen müssten.
Engels: Der Münchener Erzbischof Marx warnte gestern in der "Frankfurter Rundschau" davor, dass einige jetzt gerne schon wieder zum "Business as usual" übergehen würden. Er lehnt das ab. Beobachten Sie eine Ermüdung bei der Aufarbeitung?
Leutheusser-Schnarrenberger: Nein, das sehe ich nicht. Gerade auch die runden Tische arbeiten doch – und zwar auch ohne, dass die Öffentlichkeit sich immer jetzt im Moment dafür so interessieren kann – sehr intensiv an vielen Fragen. Zum Beispiel gestern auch über drei Stunden an der Frage, soll man einheitliche Empfehlungen haben, um künftig die Kooperation mit der Staatsanwaltschaft für Institutionen auch sicherzustellen und dort eine einheitliche Handhabe vorgeben. Und was ich von unserer unabhängigen Beauftragten höre, gibt es ja nach wie vor eine Vielzahl von Anfragen. Und ich denke, in den Institutionen selbst ist da auch nicht die Energie verloren gegangen, sich mit diesen schwierigen und gesellschaftlich so bedeutsamen Fragen zu befassen. Ich denke, der Prozess ist nicht mehr ständig in der Öffentlichkeit, aber nach wie vor wird daran sehr engagiert gearbeitet.
Engels: Sie sprechen von vielen Anfragen. Haben Sie denn einen Überblick, oder die Mitglieder des runden Tisches, ob sich mittlerweile die meisten Opfer gemeldet haben?
Leutheusser-Schnarrenberger: Nein. Ich glaube, das wird man auch nie gewinnen können, denn es gibt ja ganz unterschiedliche Motivationen und Situationen, aus denen heraus Opfer auch vielleicht für Demütigungen, für Missbrauch, für Gewalt, die vor Jahrzehnten begangen wurden, sich jetzt melden. Das, glaube ich, werden wir gar nicht erfassen können, einzuschätzen, ob das wirklich die allermeisten tun, oder ob nicht viele da sind, die auch heute auf gar keinen Fall darüber reden möchten.
Engels: Wir sprechen mit Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP. – Frau Ministerin, wir kommen noch zu einem anderen Thema. Es geht um einen Koalitionskrach, und der betrifft die sogenannte nachträgliche Sicherungsverwahrung. Das ist ja die Regel, wonach Straftäter, bei denen auch nach Ablauf der Haftstrafe die Prognose besteht, dass sie neue schwere Vergehen begehen, eingesperrt bleiben. Die bisherige Regelung hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte für unzulässig erklärt und Sie haben darauf mit einem Gesetzentwurf reagiert. Danach soll es die Sicherungsverwahrung nachträglich nur noch geben, wenn diese bereits im Urteil vorgesehen ist, oder wenn sich das Gericht eine spätere Anordnung zumindest vorbehalten hat. De facto ist das Nachträgliche also weg. Das findet die Union gar nicht gut. Was nun?
Leutheusser-Schnarrenberger: Ich habe ein neues Konzept für die Sicherungsverwahrung vorgelegt, weil, wie Sie zurecht eben schon ausgeführt haben, die nachträgliche als ein Element der Sicherungsverwahrung doch rechtlich sehr, sehr unsicher ist. Und man muss auch eines sehen: Die nachträgliche Sicherungsverwahrung ist ja nur in den vergangenen Jahren in wirklich sehr, sehr wenigen Fällen verhängt worden. Von den über 500 Menschen, die in Sicherungsverwahrung sind, sind die große Mehrheit, ich glaube über 480, aufgrund primärer oder vorbehaltender Sicherungsverwahrung dort. Das ist aber ein Konzept, was in meinen Augen sehr viel besser werden muss. Ich glaube auch, dass wir mehr Sicherheit mit meiner Konzeption geben werden. Und wir müssen jetzt, denke ich, wirklich in Ruhe und konstruktiv in der Sommerpause darüber beraten. Ich sehe nicht mehr Schutzlücken, sondern ich sehe einen Abbau vorhandener Schutzlücken durch mein Konzept.
Engels: Aber die Innenminister der Länder der CDU, sei es jetzt Bernd Busemann aus Niedersachsen (er ist Justizminister dort), oder Innenminister Volker Bouffier in Hessen, der sieht die Regelung sehr, sehr kritisch. Er argumentiert, die Sicherheit der Bevölkerung müsse den höchsten Stellenwert haben. Das ist bei Ihnen offenbar nicht gegeben?
Leutheusser-Schnarrenberger: Doch, das ist natürlich in meinem Konzept gegeben. Ich glaube, dass die, die jetzt pauschal das von mir vorgelegte Konzept kritisieren, müssen es erst mal in ihrer Gesamtheit bewerten, denn wir geben in dem gerade die vorbehaltende Sicherungsverwahrung. Das, was wir im Verfahren, im Strafverfahren dann auch schon an Entscheidung dazu treffen können, dass wir das ja ausweiten wollen, dass wir es begrenzen bei den Straftaten, aber die Möglichkeiten, auch Ersttäter erfassen zu können, deutlich ausdehnen. Ich denke, wir geben hier mehr Sicherheit, auch mehr Rechtssicherheit, denn die nachträgliche Sicherungsverwahrung ist in der Vergangenheit häufig von Gerichten aufgehoben worden und wir haben derzeit noch mehrere Verfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Und ich glaube, wir brauchen Konzepte, die Bestand haben, und ich bin wirklich sicher, dass wir hier mehr Sicherheit, aber auch mehr Rechtsstaatlichkeit in Zukunft für künftige Fälle, für Taten, die erst noch begangen werden, haben werden.
Engels: Sie haben es angesprochen: Derzeit ist die Rechtslage de facto unklar. Ein Straftäter kam kurz nach dem europäischen Urteil sofort frei, andere bleiben nun nach einem neuen Spruch des Bundesverfassungsgerichts vorerst in Haft. Sie haben doch eigentlich nicht mehr viel Zeit für eine Einigung, es muss doch schnell gehen.
Leutheusser-Schnarrenberger: Ja, die Sache eilt, denn neben der Neuordnung der Sicherungsverwahrung sehe ich in meinem Konzept auch vor, dass es die Möglichkeit unter engen Voraussetzungen der elektronischen Aufenthaltsüberwachung geben soll, nämlich für diejenigen, die jetzt aufgrund höchst richterlicher Entscheidungen im Einzelfall entlassen werden könnten. Das könnte im Herbst auch dann in einigen Fällen erfolgen. Und weil es hier notwendig ist, auch dann die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten, dehne ich ja die Möglichkeiten – wir sagen "Führungsaufsicht" – aus, und das brauchen die zuständigen Stellen gerade in den Ländern. Und deshalb hoffe ich, dass wir jetzt gemeinsam dieses Konzept auch durchbringen werden, denn das ist tatsächlich ein in sich rundes und überzeugendes Konzept. Und ich hoffe, dass gerade bei den Vertretern der CDU und CSU jetzt, wenn wir intensiv im Einzelnen gemeinsam darüber beraten, was wir ja vor der Kabinettsbefassung natürlich auch schon mit den Rechtspolitikern getan haben, dass dann auch die Kritik doch weitestgehend verstummen wird.
Engels: Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Vielen Dank für das Gespräch.
Leutheusser-Schnarrenberger: Ja, vielen Dank!