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"Es gelten erst mal die Punkte aus unserem Regierungsprogramm"

Weiter umstritten in der SPD ist die Frage, ob die Partei überhaupt eine Große Koalition mit der Union anstreben soll. Hilde Mattheis, Vertreterin des linken Flügels, will sich nicht auf diese eine Möglichkeit festnageln lassen. Das letzte Wort müssten aber die Mitglieder haben.

Hilde Mattheis im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Tobias Armbrüster: Es ist ein Treffen, das entscheidend sein könnte für das Zustandekommen der nächsten Bundesregierung. In Berlin beraten ab heute Abend 18 Uhr rund 200 Teilnehmer eines sogenannten SPD-Konvents. Es geht um die Frage, wie die Partei nach der Bundestagswahl nun weitermachen soll. Konkret lautet die Frage Große Koalition ja oder nein.

    Am Telefon ist jetzt Hilde Mattheis, Mitglied im Parteivorstand der SPD und außerdem Vorsitzende des Forums Demokratische Linke 21, eine Vertreterin der SPD-Linken also. Schönen guten Morgen, Frau Mattheis.

    Hilde Mattheis: Guten Morgen.

    Armbrüster: Frau Mattheis, haben Sie auch schon Albträume wegen der Großen Koalition?

    Mattheis: Das ist eine sehr schwierige Situation, in der wir uns befinden. Das ist richtig. Aber ich denke, in unserer Demokratie muss man, wenn Wählerinnen und Wähler ihre Stimme abgegeben haben, mit solchen Situationen umgehen, und das werden wir heute versuchen auf unserem Parteikonvent. Das ist der erste Schritt hin in einen Entscheidungsprozess, an dem in meinen Augen die Mitglieder das letzte Wort haben.

    Armbrüster: Was soll dieser Parteikonvent denn Ihrer Meinung nach beschließen?

    Mattheis: Ob wir heute etwas beschließen, wird sich zeigen. Erst mal soll der Parteikonvent ja die Situation erörtern, auch all die Stimmen auffangen, die sich ja jetzt schon schriftlich gemeldet haben, die Beschlüsse gefasst haben gegen eine Große Koalition, und da die Argumente aufzunehmen und dann auch festzustellen, welche anderen Optionen es gibt, wie zum Beispiel auch eine Minderheitenregierung, und da halte ich es für unverantwortlich, dass Frau Merkel dieses ausschließt, weil sie ist jetzt diejenige, die eigentlich auch alle Optionen offen halten muss. Mit einem so komfortablen Ergebnis ist sie da in der Verpflichtung.

    Armbrüster: Aber ist das Ergebnis nicht ganz klar, dass hier einfach demokratische Parteien zusammenarbeiten müssen? Ich meine, wir leben ja nicht in irgendeinem Land ohne demokratische Erfahrung, wo es unbedingt eine Minderheitsregierung geben muss.

    Mattheis: Ja ich glaube, das habe ich nicht gesagt, dass wir nicht zusammenarbeiten müssen. Aber es gibt noch zwei andere Parteien, einmal die Grünen, die sehe ich auch in der Verpflichtung. Ich glaube nicht, dass man so einfach sich zurückziehen darf, wie es die Grünen im Moment machen, wir haben unsere eigenen Probleme, nach dem Motto, und wir müssen erst mal unser Führungspersonal neu sortieren. Auch die Grünen haben eine Verpflichtung. Unsere Verpflichtung ist es, auch abzuwägen, ob wir es denn zulassen können, dass wir eine so kleine Opposition haben und so übermächtige Regierungsfraktionen. Das, glaube ich, ist auch ein Gesichtspunkt, den man immer wieder bedenken muss, und da bin ich schon dafür, dass wir heute sehr ergebnisoffen in den Konvent gehen.

    Eine große Offenheit auch für andere Konstellationen
    Armbrüster: Frau Mattheis, das klingt jetzt ein bisschen so, als wollten Sie die Grünen vor sich durch die Tür schieben?

    Mattheis: Das klingt danach, dass ich vor allen Dingen eines will, dass man sich nicht verengen lassen darf auf eine Möglichkeit, die anderen Beteiligten im Prinzip das Leben leichter machen. Wir haben nach dem Wahlergebnis auch kein leichtes Leben. Wir haben 25,noch was Prozent der Wählerinnen und Wähler, die gesagt haben, wir wollen euch und das, was ihr in eurem Regierungsprogramm versprochen habt, und diese Verpflichtung müssen wir auch erfüllen. Und da bin ich schon dafür, dass wir uns nicht als die einzige Partei so was in eine ganz starke Rolle drängen lassen, dass es nur darum geht, dass wir etwas tun. Wir müssen etwas tun, ja klar, aber wir haben auch immer unter dem Gesichtspunkt, dass wir als SPD auch eine Verantwortung haben unseren Wählerinnen und Wählern gegenüber, Entscheidungen zu fällen. Unter anderem deshalb plädiere ich für eine große Offenheit. 311 CDU/CSU-Parlamentarierinnen und Parlamentarier gegen 319 von den drei anderen Parteien ist immer noch eine Situation, die nicht nur die Große Koalition übrig lässt.

    Armbrüster: Sie haben Ihren Wählern, Frau Mattheis, aber auch keine rot-rot-grüne Koalition und auch keine Minderheitsregierung versprochen.

    Mattheis: Diese Optionen oder diese eine Option war überhaupt nie in der Debatte im Wahlkampf. Ich kann mich an keine Situation erinnern. Die andere Option, habe ich immer dafür plädiert, dass man eine große Offenheit auch für andere Konstellationen weiterhin haben muss.

    Armbrüster: Wie sehen Sie das? Wie kommt das in der Parteiführung an?

    Mattheis: Ja! Die Parteiführung hat gesagt, wir müssen diskutieren, und das ist der richtige Weg. Ich glaube, dass wir seit 2009 unter Sigmar Gabriel da sehr vieles geleistet haben. Wir stünden jetzt, was die innere Geschlossenheit anbelangt, nicht so da und hätten das Regierungsprogramm nicht so in großer Geschlossenheit vertreten, wenn wir unter Sigmar Gabriel uns nicht diesem Reformkurs unterworfen hätten. Da haben wir nicht nur die inhaltlichen Positionierungen klar gesteckt, sondern wir haben ja auch in großer Beteiligungskultur das hinbekommen. Deshalb setze ich weiterhin auch auf diese hohe Beteiligungskultur innerhalb der Partei und deshalb auch ein Mitgliederentscheid am Ende dieses Entscheidungsprozesses. Aber das darf natürlich keine Entscheidung sein, die im Prinzip etwas nachvollzieht.

    Armbrüster: Was muss denn passieren, Frau Mattheis, wenn die Parteiführung tatsächlich eine Große Koalition empfiehlt, aber die Basis in einer solchen Mitgliederbefragung dann dagegen stimmt?

    Mattheis: Ja lassen Sie uns doch erst mal in diesen Prozess einsteigen, bevor wir irgendwie Wenn-Dann-Spiele spielen. Ich bin der Meinung, ...

    Armbrüster: Na ja. Ich glaube, das würde Ihre Mitglieder schon sehr interessieren!

    Mattheis: Ja, ja, Augenblick! – Ich glaube, dass unsere Mitglieder heute erst mal, oder die Konvent-Delegierten heute erst mal eine Weiche stellen, ohne andere Wege zu verschließen. Das, finde ich schon mal, wäre ein ganz gutes Ergebnis. Und dann haben wir ja auch gesagt, dass wir den Konvent nur unterbrechen, nicht abschließen, sodass die Konvent-Delegierten immer sehr kurzfristig auch einberufen werden können, falls wir heute ein Ergebnis haben, was nächste oder übernächste Woche zu einer neuen Entscheidung führt. Und dann haben wir gesagt, ganz am Ende, aber das muss eine eindeutige Entscheidung sein, also keine Entscheidung, die etwas nachvollzieht, weil das würde zurecht bei unseren Mitgliedern auf Unverständnis stoßen, sondern es muss eine echte Entscheidungsmöglichkeit geben.

    Armbrüster: Frau Mattheis, wenn wir jetzt so lange über den Konvent und über diese schwierige Entscheidungsfindung bei der SPD sprechen, kann es sein, dass Sie eigentlich nur gerade dabei sind, den Preis für eine Große Koalition möglichst weit nach oben zu treiben?

    Mattheis: Das ist ein anderer Gesichtspunkt, den ich aber, wie soll ich sagen, als nächste Entscheidung dann in die Debatte werfen würde. Weil erst mal geht es heute darum zu überlegen, wie können wir denn in der Gesprächsbereitschaft, die sie ja zurecht an alle demokratischen Parteien, übrigens an alle, auch an die Grünen muss man das wenden, an alle politischen Parteien haben muss in dieser Konstellation, auf welche Weise können wir diese Gesprächsbereitschaft erfüllen.

    Armbrüster: Wir rufen, Frau Mattheis, in gut einer dreiviertel Stunde bei Markus Söder von der CSU an und haben ihn dann auch hier im Interview in der Sendung. Kann ich ihm dann schon mal vielleicht eine konkrete Forderung von Ihnen nennen?

    Mattheis: Das glaube ich nicht, weil meine konkreten Forderungen sind nach wie vor ein echter Politikwechsel, und ich glaube nicht, dass Sie das nicht können, sondern ich glaube, dass er das sofort abwiegeln wird, weil wir sind für einen echten Politikwechsel angetreten, und dann gelten erst mal die Punkte aus unserem Regierungsprogramm. Und wenn er sagt, die SPD hat ein wunderbares Regierungsprogramm und wir stimmen dem zu, dann hätte ich das ganz gerne schriftlich von ihm. Das dürfen Sie ihm dann sagen.

    Armbrüster: Vielen Dank, das werden wir ihn fragen. – Hilde Mattheis war das, Mitglied im Parteivorstand der SPD. Besten Dank für dieses Interview heute Morgen.

    Mattheis: Sehr gerne.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.