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"Es gibt ein großes Durcheinander bei dieser Berechnung"

Die Kommunen als Verwalter der Bildungsangebote für Kinder statt Gutscheinbürokratie - auch Thomas Oppermann sieht Fortschritte in der Hartz-IV-Reform. Der Regelsatz bleibe aber intransparent, beim Mindestlohn sei sich die Koalition selbst nicht einig.

    Dirk-Oliver Heckmann: Auf der anderen Leitung hat mitgehört Thomas Oppermann von der SPD. Er ist der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion. Guten Morgen, Herr Oppermann.

    Thomas Oppermann: Guten Morgen, Herr Heckmann!

    Heckmann: Herr Oppermann, ist die SPD dabei, wieder in die alte Blockadepolitik aus Lafontaines Zeiten zurückzufallen?

    Oppermann: Nein, ganz im Gegenteil. Wir sind in Gesprächen. Auch wir begrüßen grundsätzlich, dass wir gestern Fortschritte erzielt haben, was die Kommunalisierung des Bildungspaketes und der Leistungen für Kinder betrifft. Das war immer ein Kernanliegen für uns. Wir wollten nicht 1300 Gutscheinverwalter, sondern wir wollen, dass die Kommunen unbürokratisch und einfach und unkompliziert die Leistungen für die Kinder organisieren, die Jugendämter eingeschaltet werden. Da sind wir einen großen Schritt vorangekommen, weil wir über einen verfassungsrechtlich abgesicherten Weg gesprochen haben, der vor allen Dingen auch die Kommunen finanziell absichert, und den wollen wir gehen. Am Ende werden die Leistungen, die die Kommunen zu erbringen haben, vom Bund erstattet. Sie kriegen finanzielle Sicherheit und damit können wir die Kommunen als Partner für diese Aufgabe auch wirklich gewinnen.

    Heckmann: Herr Oppermann, Sie haben sich ja Rechnungen vorlegen lassen vonseiten des Ministeriums, was würde eine Erhöhung des Regelsatzes um 17 Euro bedeuten. Das heißt, Sie würden für eine solche Erhöhung in diesem Rahmen plädieren, und sehen Sie Chancen, sich da durchzusetzen?

    Oppermann: Nein, nein. Wir stellen keine bezifferten Forderungen. Unsere Forderung ist, dass der Regelsatz verfassungskonform gestaltet wird. Dazu muss er transparent und nachvollziehbar berechnet werden. Das ist bei dem Regelsatz jetzt nicht der Fall.

    Heckmann: Die Ministerin bestreitet das.

    Oppermann: Ja. Da sind wir unterschiedlicher Meinung. Es gibt ein großes Durcheinander bei dieser Berechnung und wir haben den Eindruck, da ist so lange gerechnet worden, bis die politisch gewünschte Steigerung von fünf Prozent zustande gekommen ist. Wir haben erhebliche Zweifel, ob die Mobilitätskosten richtig abgebildet sind. Wir haben erhebliche Zweifel, ob es richtig ist, dass die Aufstocker, also Leute, die auch Leistungen beziehen, dass die in der Bezugsgruppe enthalten sind, die ausschlaggebend sein soll für die Leistungen nach Hartz IV. Das sind alles wichtige Punkte. Aber wir haben gestern bei den Verhandlungen gesehen, wir haben Angebote auf den Tisch gelegt, wie man diese verfassungsrechtlichen Probleme überwinden kann, aber es kam kein Angebot von der Gegenseite.

    Heckmann: Der andere Punkt ist der Bereich Mindestlohn in der Zeitarbeit, auch der Begriff Equal Pay, dass also Zeitarbeiter möglichst frühzeitig gleich bezahlt werden wie die Stammbelegschaft. Auch in diesem Bereich keinerlei Bewegung?

    Oppermann: Da gab es nicht nur keine Bewegung, sondern auch keinen gemeinsamen Standpunkt der Koalition. Beim Thema Mindestlohn und Zeitarbeit hatte ich gelegentlich den Eindruck, wir sitzen vollmachtlosen Vertretern gegenüber, auf jeden Fall unsortierten, unabgestimmten Vertretern.

    Heckmann: Das heißt, ohne die FDP wäre man schon weiter?

    Oppermann: Herr Seehofer von der CSU und Herr Kolb von der FDP vertreten völlig unterschiedliche Positionen. Das heißt, wir verhandeln in diesem Vermittlungsverfahren nicht mit einer Regierung, die eine Position hat, sondern wir haben ganz unterschiedliche Verhandlungspartner, wir führen Dreiecksverhandlungen. Die Regierung braucht jetzt fast zwei Wochen Zeit, bis zum 6. Februar, um sich in dieser Frage zu sortieren. Sie müssen sich beim Mindestlohn abstimmen. Unsere Position ist klar. Wir wollen gleichen Lohn für gleiche Arbeit, am liebsten sofort von Beginn an. Wir sind bereit, über eine absolute Einarbeitungsfrist von vier Wochen zu reden, aber dann muss es greifen. Und die FDP ist mittlerweile bei neun Monaten angekommen. Das ist aus unserer Sicht blanker Zynismus, denn 70, 80 Prozent der Leiharbeiter sind gar nicht so lange in der Leih- und Zeitarbeit, sodass sie von Equal Pay überhaupt nie profitieren würden. Wir sagen ganz klar, die Leih- und Zeitarbeit ist ein Instrument für die Flexibilisierung, aber kein Instrument für Lohndrückerei, und es wird mit uns auch keine Zustimmung geben, wenn die FDP und die Koalition sich in der Zeitarbeit nicht klar bewegen.

    Heckmann: Thomas Oppermann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. Danke Ihnen für das Gespräch.

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