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"Es gibt keine Zwei-Klassen-Impfung"

Viele Äußerungen zum Thema Schweinegrippen-Impfung seien "stark an Publizitätswirkung orientiert", kritisiert Jürgen Banzer (CDU), Minister für Arbeit, Familie und Gesundheit in Hessen. Er sei froh, dass Hessen frühzeitig mit dem Schutz der Bevölkerung beginnnt - und lässt sich auch selbst impfen.

Jürgen Banzer im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Ab kommender Woche soll in Deutschland gegen H1N1, die sogenannte Schweinegrippe, geimpft werden. Für Unmut sorgt, dass zwei Impfstoffgruppen auf dem Markt sein werden: Einmal Celvapan, ein Präparat ohne sogenannte Wirkstoffverstärker. Es soll geringe Nebenwirkungen haben und hiervon hatte das Bundesinnenministerium für Regierung und Behördenmitarbeiter auf Bundesebene 200.000 Dosen bestellt. Daneben gibt es den Stoff Pandemrix mit Wirkstoffverstärker für die breite Bevölkerung. Er ist gut in großen Stückzahlen herzustellen, aber das Mittel hat als Nebenwirkungen häufige Rötungen und Schmerzen bis hin zu einigen Tagen Fieber zur Folge. Die Zuständigkeit für die Impfstoffbestellung für die breite Bevölkerung liegt bei den Ländern. Am Telefon begrüße ich Jürgen Banzer (CDU), er ist Minister für Arbeit, Familie und Gesundheit in Hessen. Guten Morgen!

    Jürgen Banzer: Guten Morgen.

    Engels: Wie ist das bei Ihnen in Hessen? Bekommt die Bevölkerung einen anderen Impfstoff als der Minister?

    Banzer: Nein, nein. Wir lassen uns alle von dem gleichen Impfstoff behandeln und impfen.

    Engels: Sie lassen sich auch auf jeden Fall impfen?

    Banzer: Ja.

    Engels: Haben denn die Länder wo möglich einen Fehler gemacht, den Impfstoff mit den Zusätzen zu bestellen, oder war es die einzige Möglichkeit?

    Banzer: Es war zum einen die einzige Möglichkeit. Ich glaube aber auch, dass es im Ergebnis richtig ist. Es gibt nun mal - und da müssen wir uns ja entsprechend auch vorbereiten - Vorverträge für solche Situationen, wie sie jetzt eingetreten sind, und da hat eben der Bund andere vertragliche Bindungen als die Länder. Deswegen hatten wir einen anderen Partner als der Bund. Aber so, wie sich jetzt auch die Analyse der beiden Impfstoffe herausstellt, bin ich gar nicht sicher, ob wir nicht mit unserem Impfstoff sogar die notwendige richtige Wirkung erzielen. Wir glauben, dass das, was uns die Wissenschaft sagt, zutrifft, und dann ist unser Impfstoff ein Impfstoff, der auf kleinere Veränderungen des Virus wesentlich besser reagieren kann als der Impfstoff, den der Bund anbietet, und das ist ja eigentlich gegenwärtig unsere große Sorge, dass sich der Virus verändert und dass der Impfstoff trotzdem noch wirksam bleiben muss.

    Engels: Bleiben wir trotzdem mal bei diesen beiden verschiedenen Impfstoffen. Sie sagen, es spricht einiges dafür, dass der Impfstoff mit Zusätzen der bessere sei. Aber insgesamt entstand ja der Eindruck einer Zwei-Klassen-Impfung. Wie gehen Sie nun mit der öffentlichen Wirkung um?

    Banzer: Es gibt keine Zwei-Klassen-Impfung. Da können die Zeitungen lange etwas behaupten. Sie müssen es ja am Schluss vor der Wissenschaft bestätigen können. Es ist auch in keiner Weise erwiesen, dass das stimmt, was da als Gerücht gestreut wird, dass bei dem einen Präparat deutlich mehr Nebenwirkungen entstehen. Aber eines ist sicher: Die Breitenwirkung des von den Ländern eingesetzten Impfstoffes ist sicherlich größer - das liegt an der Gesamtkonstruktion des Impfstoffes - als die des Bundes, so dass ich glaube, dass da sehr viel Nebel geworfen wird. In dem Moment, wo die Impfungen beginnen, wo auch deutlich wird, dass das mit den Nebenwirkungen überhaupt nicht relevant ist, sondern dass das marginale Reaktionen sind, die auch nicht bei jedem, sondern bei sehr wenigen Menschen auftreten werden, bin ich relativ sicher, dass man damit auch sehr viel gelassener umgehen kann als in diesen Tagen.

    Engels: Aber es sind ja nicht nur die Zeitungen, auch einige Ärzte haben angekündigt, den Stoff mit Wirkstoffverstärker zunächst nicht spritzen zu wollen, eben wegen der Nebenwirkungen. Ist das also wirklich nur eine Zeitungsente?

    Banzer: Ich glaube, dass diese Hausärzte das in ihrer medizinischen Verantwortung zu entscheiden haben. Das können wir ihnen nicht nehmen. Wir sind ein Land, in dem Meinungsfreiheit herrscht. Aber ich glaube, dass jeder gut beraten ist, die wissenschaftlichen Studien, die klinische Erprobung zur Kenntnis zu nehmen, und danach kann dieser Impfstoff unbedenklich verimpft werden.

    Engels: Herr Banzer, der Impfstoff mit dem Wirkstoffverstärker wird also in Hessen flächendeckend verwendet werden. Haben Sie denn Ausnahmen für Kleinkinder und Schwangere vorgesehen?

    Banzer: Wir sind für Schwangere der Meinung, dass man einen anderen Impfstoff einsetzen sollte, der noch nicht zur Verfügung steht. Wir hoffen, dass der in vier bis sechs Wochen zur Verfügung steht und dass wir den dann Schwangeren anbieten sollten.

    Engels: Ist denn dieses Alternativmittel in vier Wochen noch rechtzeitig da, denn eigentlich müsste ja jetzt begonnen werden?

    Banzer: Wir sind schon froh, dass wir jetzt anfangen können zu verimpfen, aber es hilft nichts: Wir können uns ja die Welt auch nicht erträumen, sondern wir müssen uns an den harten wissenschaftlichen Fakten orientieren und da zeigt sich eben, dass dieser Impfstoff weltweit ein knappes Gut ist. Wir sind so schon ganz froh, dass wir in Deutschland einer der Staaten sind, die mit am ersten anfangen können, den Schutz der Bevölkerung voranzutreiben.

    Engels: Der Vizepräsident der Bundesärztekammer, Montgomery, verlangt heute von der Bundesregierung, den für sie ursprünglich bestellten Impfstoff gerade für Schwangere und Kinder zur Verfügung zu stellen, weil er für sie besser verträglich sei. Ist das eine gute Idee?

    Banzer: Ich glaube, dass solche Äußerungen alle ein bisschen stark an Publizitätswirkung orientiert sind. Frage, ob es wirklich da einen marginalen Unterschied in der Verträglichkeit gibt. Das müsste erst mal wissenschaftlich erwiesen werden. Unser Problem ist, dass die Impfstoffe bei Schwangeren nicht mit dieser Präzision erprobt sind, wie sie für die normale Bevölkerung erprobt sind, und dafür, um das festzustellen, brauchen wir noch ein bisschen Zeit und dann sollte man in drei oder vier Wochen, wenn diese Studien vorliegen, dazu eine abschließende Meinung abgeben.

    Engels: Das heißt aber auch, Sie sind noch nicht richtig entschieden, ob die Schwangeren am Ende doch diesen Impfstoff mit Wirkstoffverstärker kriegen, oder doch einen ganz anderen?

    Banzer: Das habe ich ja gesagt. Wir sind der Meinung, dass wir versuchen sollten, den Schwangeren den anderen Impfstoff zur Verfügung zu stellen. Wenn der allerdings nicht zur Verfügung gestellt werden kann, weil sich die Entwicklung länger hinzieht, dann sind wir der festen Überzeugung, dass der gegenwärtig in den Ländern eingesetzte Impfstoff auch für die Schwangeren die richtige Indikation ist.

    Engels: Anders herum betrachtet ist das ja doch wieder ein Hinweis darauf, dass dieser Impfstoff mit Wirkstoffverstärkung doch mehr Nebenwirkungen gerade für Problemgruppen hat.

    Banzer: Nein, er hat nicht mehr Nebenwirkungen, sondern er ist intensiver wirksam und die Frage ist eben, ob diese Intensität der Wirksamkeit für Schwangere die beste Schutzsituation ergibt, oder ob man eine etwas abgemildertere Einflussnahme bei Schwangeren für die richtige Methode halten kann. Das kann aber heute niemand mit abschließender Sicherheit sagen. Deswegen sollte man diese Studien abwarten.

    Engels: Nun haben ja diese Debatten auch Zweifel gesät, ob man sich überhaupt impfen lassen soll. Können Sie schon etwas von Impfmüdigkeit in Hessen spüren?

    Banzer: Ich glaube, dass diese gesamten Diskussionen nicht ohne Wirkung bleiben. Auf der anderen Seite wissen wir, dass auch bei der saisonalen Grippeschutz-Impfung ungefähr 20 Prozent der Bevölkerung sich impfen lassen will. Das sind ja auch die Zahlen, die jetzt bei den Meinungsumfragen herauskommen. Insoweit ist der Unterschied nicht sehr signifikant.

    Engels: Jürgen Banzer (CDU), er ist der Minister für Arbeit, Familie und Gesundheit in Hessen. Wir sprachen mit ihm über die Impfaktion in Sachen Schweinegrippe. Vielen Dank für das Gespräch.