Jochen Spengler: Nach fünf Tagen Krieg ist im Kaukasus ein Waffenstillstand in Sicht. Nach Russland akzeptierte heute Morgen auch der georgische Staatspräsident Michail Saakaschwili einen von Frankreich vermittelten Plan für eine Waffenruhe. - Am Telefon ist nun der Botschafter Georgiens in Deutschland, Levan Duchidze. Guten Morgen, Herr Botschafter.
Levan Duchidze: Guten Morgen.
Spengler: Herr Botschafter, wie erleichtert sind Sie?
Duchidze: Ich bin erleichtert. Wir von unserer Seite, die georgische Regierung, der georgische Staatspräsident hat seit den letzten zwei Tagen das Wort gehalten. Wir haben gesagt, von unserer Seite ist das Feuer eingestellt worden und wir garantieren auch weiter, das zu bestätigen, dass Südossetien und die anderen Gebiete vom Kerngebiet Georgiens keine Gefahr mehr bekommen. Das war von der russischen Seite leider nicht so. Wir hatten schon gestern Vormittag die Erklärung von dem russischen Präsidenten Medwedew, dass die Militäroperation damit beendet sei, aber das Problem war, danach wurden die Luftangriffe nach wie vor fortgesetzt und danach ist es zu den schweren Zwischenfällen gekommen, wo die zwei europäischen Journalisten getötet wurden und auch ein georgischer Arzt, der gerade dabei war, Verwundete in Gori zu behandeln.
Spengler: Herr Botschafter, was sagen denn Ihre Informanten aus Georgien jetzt? Ist jetzt wirklich Waffenruhe?
Duchidze: Ich muss leider sagen, ich habe aus Berlin keinen stabilen Funkkontakt mit Georgien, weil durch Luftangriffe (teilweise absichtlich, teilweise vielleicht zufällig) sind die meisten Mobilfunkanlagen entweder vernichtet worden, oder sie können nicht mehr so richtig funktionieren. Deshalb kann ich nicht sagen, dass ich die Information habe, die ein paar Minuten alt ist, aber heute Morgen sehr früh gegen zwei Uhr war es relativ ruhig.
Spengler: Insgesamt zählt man 2.000 Tote, hundert Tausend Vertriebene. Russische Truppen stehen in Abchasien und in Südossetien. Wenn Sie Bilanz ziehen, kommen Sie dann auch zu dem Schluss, dass der georgische Einmarsch in Südossetien ein totales Desaster gewesen ist?
Duchidze: Es hat keinen georgischen Einmarsch in Südossetien gegeben. Südossetien ist georgisches Gebiet und in eigenes Gebiet kann man nicht einmarschieren. Es ist ein russischer Einmarsch gewesen.
Was die Zahlen betrifft, können wir leider nichts sagen, weil nach wie vor die Russen, die russische Regierung verweigert, sowohl uns wie auch der internationalen Gemeinschaft einen humanitären Korridor in Richtung Südossetien, in Richtung der Hauptstadt Südossetiens zu errichten, damit das Rote Kreuz oder die OSZE-Experten sich zumindest einen kurzen Überblick verschaffen können, wie die Lage dort ist, wie viele georgische Verwundete dort geblieben sind und wie viele Leichen es sind, die dort zurückgeblieben sind.
Spengler: Herr Duchidze, Sie werden aber nicht abstreiten, dass es Ende vergangener Woche georgische Truppen in Südossetien gab, die vorher nicht dort gewesen sind?
Duchidze: In Südossetien hat es Friedenstruppen gegeben, die genauso wie die georgische Bevölkerung dort angegriffen worden waren. Das hat leider in den deutschen Medien hier nicht unbedingt ein lautes Echo gehabt. 48 Stunden lang sind georgische Dörfer und georgische Friedenstruppen dort unter Feuer gewesen. Es hat sowohl Verletzte, Verwundete als auch Tote, Todesopfer gegeben. Es war die Aufgabe der georgischen Regierung, erst einmal die Friedenstruppen durch polizeiliche Kräfte zu verstärken, und danach, wenn die Lage weiter eskalierte und es nicht nur um leichten Artillerieeinsatz ging, sondern um schwere Artillerie, sah sich die georgische Regierung natürlich gezwungen, darauf zu reagieren.
Spengler: Aber es sind viele Osseter vom Süden in den Norden geflohen, also auf russisches Gebiet.
Duchidze: Ja. Wenn es zu plötzlichen Gefechten kommt, dann sind die Menschen natürlich betroffen. Die Kugeln der Artillerie machen keinen Unterschied, ob das georgische Zivilisten sind oder ossetische Zivilisten. Natürlich gibt es auch Dutzende Tausende georgische Flüchtlinge und ich gehe davon aus, dass es auch ossetische Flüchtlinge gibt.
Spengler: Glauben Sie, dass Abchasien und Südossetien nun endgültig für Georgien verloren sind?
Duchidze: Nein, das glaube ich nicht. Es wird nach wie vor von der internationalen Gemeinschaft bestätigt, dass diese beiden autonomen Republiken ein Teil von Georgien sind. Das hat der französische Staatspräsident Sarkozy gestern noch mal erwähnt, als er mit seinem Vermittlungsversuch und seinen sechs Prinzipien aus Moskau nach Tiflis kam. Nein! Das ist etwas, was weder die georgische Regierung noch das georgische Volk akzeptieren wird.
Spengler: Ihr Präsident Michail Saakaschwili hat sich gestern Abend von zehn Tausenden Anhängern feiern lassen. Bei einer Großdemonstration in Tiflis hat er dann die Führung in Moskau scharf kritisiert und er bezeichnete Georgien als Vorposten im Kampf gegen Russland. Man stehe in vorderster Front zwischen Europa und Russland. Überfordern sie damit nicht den Westen? Niemand in Europa will gegen Russland kämpfen, auch die NATO nicht.
Duchidze: Na ja, das ist die Entscheidung von Europa und von der NATO. Es geht darum, dass Georgien eine eigene Freiheit und die Freiheit der Wahl unterstützt und verteidigt. Es geht letztendlich nicht einfach um einen Regimewechsel in Georgien, sondern es geht um alles. Es geht um die freie Wahl, die eigene Außenpolitik zu bestimmen. Es geht um die freie Wahl des eigenen Staatspräsidenten, die eigene Regierung zu bestimmen. In dem Sinne verteidigt sich Georgien gegenüber der russischen Aggression. Wir können nach den letzten Tagen natürlich sehr lange darüber diskutieren, was die taktischen Ziele dieser Aggression oder dieser Übergriffe, dieses Überfalls von der Russischen Föderation waren, aber seit den russischen Luftangriffen, seitdem die russische Infanterie einschließlich der schwer bewaffneten Panzer die Verwaltung der administrativen Grenzen von Südossetien und Abchasien überschritten haben und tief in das georgische Kerngebiet eingedrungen sind, teilweise auch knapp 160 Kilometer von beiden Konfliktzonen entfernt in Senaki oder 240 Kilometer entfernt in der Hafenstadt Poti, glaube ich, ist es für jeden klar geworden, dass es auf keinen Fall um irgendwelchen Schutz von eigenen Staatsangehörigen geht, was für sich selbst schon gesetzeswidrig ist, weil man kann, darf eigene Staatsangehörige in einem anderen souveränen Staat nicht mit Panzern verteidigen. Wenn man das tut, dann gibt es eine solche Parallele wie von Anfang des 20. Jahrhunderts, und ich hoffe, die ganze Welt erinnert sich, wer das damals gemacht hat und wie es weitergegangen ist.
Spengler: Sind Sie enttäuscht von der EU und der NATO?
Duchidze: Ich glaube, es ging nicht darum, dass Georgien darauf gehofft hat, dass jemand in der EU oder in der NATO der Russischen Föderation den Krieg erklären würde. Das haben nicht einmal die Georgier selbst gemacht und das war nicht die Erwartung. Enttäuscht vielleicht ja, in dem Sinne, dass wir hatten, ich persönlich auch hier in Berlin wenigstens im Laufe der letzten eineinhalb Jahre ständig wiederholt und umfangreiche Argumentationen und Beweise vorgelegt, dass die Russische Föderation sich auf einen militärischen Überfall gegen Georgien vorbereitet. Das waren die Gesetzesänderungen in Russland, das waren die zusätzlichen Truppenstationierungen (sowohl in Abchasien als auch in Südossetien), das waren die enormen Waffenlieferungen an beide Regionen, es waren die gesetzwidrigen Passverteilungen von der Russischen Föderation. Wenn sie nach Russland gehen und russische Staatsangehörige werden wollen, Herr Spengler, dann brauchten sie bisher mehrere Jahre, darauf zu warten. Das ist normal, das ist in jedem Staat so. In Abchasien und Südossetien wurden russische Pässe über Nacht verteilt. Das sind Dutzende von Tausende Pässe, die über Nacht verteilt wurden, und dadurch wurde die Tatsache geschaffen, dass es dort diese Probleme gibt.
Spengler: Hier müssen wir einen Punkt machen, Herr Botschafter. - Das war der Botschafter Georgiens in Deutschland, Levan Duchidze. Herr Duchidze, herzlichen Dank für das Gespräch.
Duchidze: Ich danke Ihnen.
Levan Duchidze: Guten Morgen.
Spengler: Herr Botschafter, wie erleichtert sind Sie?
Duchidze: Ich bin erleichtert. Wir von unserer Seite, die georgische Regierung, der georgische Staatspräsident hat seit den letzten zwei Tagen das Wort gehalten. Wir haben gesagt, von unserer Seite ist das Feuer eingestellt worden und wir garantieren auch weiter, das zu bestätigen, dass Südossetien und die anderen Gebiete vom Kerngebiet Georgiens keine Gefahr mehr bekommen. Das war von der russischen Seite leider nicht so. Wir hatten schon gestern Vormittag die Erklärung von dem russischen Präsidenten Medwedew, dass die Militäroperation damit beendet sei, aber das Problem war, danach wurden die Luftangriffe nach wie vor fortgesetzt und danach ist es zu den schweren Zwischenfällen gekommen, wo die zwei europäischen Journalisten getötet wurden und auch ein georgischer Arzt, der gerade dabei war, Verwundete in Gori zu behandeln.
Spengler: Herr Botschafter, was sagen denn Ihre Informanten aus Georgien jetzt? Ist jetzt wirklich Waffenruhe?
Duchidze: Ich muss leider sagen, ich habe aus Berlin keinen stabilen Funkkontakt mit Georgien, weil durch Luftangriffe (teilweise absichtlich, teilweise vielleicht zufällig) sind die meisten Mobilfunkanlagen entweder vernichtet worden, oder sie können nicht mehr so richtig funktionieren. Deshalb kann ich nicht sagen, dass ich die Information habe, die ein paar Minuten alt ist, aber heute Morgen sehr früh gegen zwei Uhr war es relativ ruhig.
Spengler: Insgesamt zählt man 2.000 Tote, hundert Tausend Vertriebene. Russische Truppen stehen in Abchasien und in Südossetien. Wenn Sie Bilanz ziehen, kommen Sie dann auch zu dem Schluss, dass der georgische Einmarsch in Südossetien ein totales Desaster gewesen ist?
Duchidze: Es hat keinen georgischen Einmarsch in Südossetien gegeben. Südossetien ist georgisches Gebiet und in eigenes Gebiet kann man nicht einmarschieren. Es ist ein russischer Einmarsch gewesen.
Was die Zahlen betrifft, können wir leider nichts sagen, weil nach wie vor die Russen, die russische Regierung verweigert, sowohl uns wie auch der internationalen Gemeinschaft einen humanitären Korridor in Richtung Südossetien, in Richtung der Hauptstadt Südossetiens zu errichten, damit das Rote Kreuz oder die OSZE-Experten sich zumindest einen kurzen Überblick verschaffen können, wie die Lage dort ist, wie viele georgische Verwundete dort geblieben sind und wie viele Leichen es sind, die dort zurückgeblieben sind.
Spengler: Herr Duchidze, Sie werden aber nicht abstreiten, dass es Ende vergangener Woche georgische Truppen in Südossetien gab, die vorher nicht dort gewesen sind?
Duchidze: In Südossetien hat es Friedenstruppen gegeben, die genauso wie die georgische Bevölkerung dort angegriffen worden waren. Das hat leider in den deutschen Medien hier nicht unbedingt ein lautes Echo gehabt. 48 Stunden lang sind georgische Dörfer und georgische Friedenstruppen dort unter Feuer gewesen. Es hat sowohl Verletzte, Verwundete als auch Tote, Todesopfer gegeben. Es war die Aufgabe der georgischen Regierung, erst einmal die Friedenstruppen durch polizeiliche Kräfte zu verstärken, und danach, wenn die Lage weiter eskalierte und es nicht nur um leichten Artillerieeinsatz ging, sondern um schwere Artillerie, sah sich die georgische Regierung natürlich gezwungen, darauf zu reagieren.
Spengler: Aber es sind viele Osseter vom Süden in den Norden geflohen, also auf russisches Gebiet.
Duchidze: Ja. Wenn es zu plötzlichen Gefechten kommt, dann sind die Menschen natürlich betroffen. Die Kugeln der Artillerie machen keinen Unterschied, ob das georgische Zivilisten sind oder ossetische Zivilisten. Natürlich gibt es auch Dutzende Tausende georgische Flüchtlinge und ich gehe davon aus, dass es auch ossetische Flüchtlinge gibt.
Spengler: Glauben Sie, dass Abchasien und Südossetien nun endgültig für Georgien verloren sind?
Duchidze: Nein, das glaube ich nicht. Es wird nach wie vor von der internationalen Gemeinschaft bestätigt, dass diese beiden autonomen Republiken ein Teil von Georgien sind. Das hat der französische Staatspräsident Sarkozy gestern noch mal erwähnt, als er mit seinem Vermittlungsversuch und seinen sechs Prinzipien aus Moskau nach Tiflis kam. Nein! Das ist etwas, was weder die georgische Regierung noch das georgische Volk akzeptieren wird.
Spengler: Ihr Präsident Michail Saakaschwili hat sich gestern Abend von zehn Tausenden Anhängern feiern lassen. Bei einer Großdemonstration in Tiflis hat er dann die Führung in Moskau scharf kritisiert und er bezeichnete Georgien als Vorposten im Kampf gegen Russland. Man stehe in vorderster Front zwischen Europa und Russland. Überfordern sie damit nicht den Westen? Niemand in Europa will gegen Russland kämpfen, auch die NATO nicht.
Duchidze: Na ja, das ist die Entscheidung von Europa und von der NATO. Es geht darum, dass Georgien eine eigene Freiheit und die Freiheit der Wahl unterstützt und verteidigt. Es geht letztendlich nicht einfach um einen Regimewechsel in Georgien, sondern es geht um alles. Es geht um die freie Wahl, die eigene Außenpolitik zu bestimmen. Es geht um die freie Wahl des eigenen Staatspräsidenten, die eigene Regierung zu bestimmen. In dem Sinne verteidigt sich Georgien gegenüber der russischen Aggression. Wir können nach den letzten Tagen natürlich sehr lange darüber diskutieren, was die taktischen Ziele dieser Aggression oder dieser Übergriffe, dieses Überfalls von der Russischen Föderation waren, aber seit den russischen Luftangriffen, seitdem die russische Infanterie einschließlich der schwer bewaffneten Panzer die Verwaltung der administrativen Grenzen von Südossetien und Abchasien überschritten haben und tief in das georgische Kerngebiet eingedrungen sind, teilweise auch knapp 160 Kilometer von beiden Konfliktzonen entfernt in Senaki oder 240 Kilometer entfernt in der Hafenstadt Poti, glaube ich, ist es für jeden klar geworden, dass es auf keinen Fall um irgendwelchen Schutz von eigenen Staatsangehörigen geht, was für sich selbst schon gesetzeswidrig ist, weil man kann, darf eigene Staatsangehörige in einem anderen souveränen Staat nicht mit Panzern verteidigen. Wenn man das tut, dann gibt es eine solche Parallele wie von Anfang des 20. Jahrhunderts, und ich hoffe, die ganze Welt erinnert sich, wer das damals gemacht hat und wie es weitergegangen ist.
Spengler: Sind Sie enttäuscht von der EU und der NATO?
Duchidze: Ich glaube, es ging nicht darum, dass Georgien darauf gehofft hat, dass jemand in der EU oder in der NATO der Russischen Föderation den Krieg erklären würde. Das haben nicht einmal die Georgier selbst gemacht und das war nicht die Erwartung. Enttäuscht vielleicht ja, in dem Sinne, dass wir hatten, ich persönlich auch hier in Berlin wenigstens im Laufe der letzten eineinhalb Jahre ständig wiederholt und umfangreiche Argumentationen und Beweise vorgelegt, dass die Russische Föderation sich auf einen militärischen Überfall gegen Georgien vorbereitet. Das waren die Gesetzesänderungen in Russland, das waren die zusätzlichen Truppenstationierungen (sowohl in Abchasien als auch in Südossetien), das waren die enormen Waffenlieferungen an beide Regionen, es waren die gesetzwidrigen Passverteilungen von der Russischen Föderation. Wenn sie nach Russland gehen und russische Staatsangehörige werden wollen, Herr Spengler, dann brauchten sie bisher mehrere Jahre, darauf zu warten. Das ist normal, das ist in jedem Staat so. In Abchasien und Südossetien wurden russische Pässe über Nacht verteilt. Das sind Dutzende von Tausende Pässe, die über Nacht verteilt wurden, und dadurch wurde die Tatsache geschaffen, dass es dort diese Probleme gibt.
Spengler: Hier müssen wir einen Punkt machen, Herr Botschafter. - Das war der Botschafter Georgiens in Deutschland, Levan Duchidze. Herr Duchidze, herzlichen Dank für das Gespräch.
Duchidze: Ich danke Ihnen.