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"Es ist das dünnste bekannte Material"

Physik.- Was kann Graphen genau, beziehungsweise, worin liegt das Wunder im Wunderstoff begründet? Darüber informiert Wissenschaftsjournalist Frank Grotelüschen im Gespräch mit Monika Seynsche.

    Monika Seynsche: Aus Hamburg zugeschaltet ist jetzt mein physik-affiner Kollege Frank Grotelüschen. Herr Grotelüschen, warum ist denn Graphen so vielversprechend für Anwendungen?

    Frank Grotelüschen: Nun, wir haben es ja schon gehört: Graphen hat extrem verblüffende Eigenschaften. Es ist das dünnste bekannte Material. Es ist extrem stabil. Es leitet Strom und Wärme so gut wie kein anderer Stoff und es ist dehnbar wie ein Gummiband - also ein ganzer Strauß an famosen Eigenschaften und quasi lauter Weltrekorde in der Nanowelt. Ja und das verspricht natürlich extrem lukrative Anwendungen.

    Seynsche: Und was ist das lukrativste Feld für Graphen?

    Grotelüschen: Das ist wahrscheinlich die Elektronik, also die Computer von morgen. Hier könnten diese hauchdünnen Kohlenstofftäfelchen eines Tages als Basis dienen für schnellerer und kleinere Computerchips. Schnell, weil Graphen den Strom eben viel schneller leitet als alle anderen Materialien und klein, weil Graphen eben so unglaublich dünn ist. Denkbar wäre da zum Beispiel ein Rechner, dünn wie Papier, den man einfach zusammenrollen könnte und in die Tasche stecken könnte. Und immerhin, muss man sagen, haben Forscher im Labor bereits erste Transistoren aus Graphen gebaut. Also die Hoffnung ist wirklich, dass Graphen vielleicht eines Tages mal das Silizium, also unseren heutigen Grundstoff für die Computer ersetzt, denn Silizium nähert sich allmählich den Grenzen. Aber es gibt noch weitere Anwendungen. Also Graphen ist durchsichtig, könnte also als Material taugen für eine neue Generation von Touchscreens, von berührungsempfindlichen Bildschirmen. Graphen könnte auch interessant sein für zukünftige Solarzellen, die also viel effizienter sind als heute und damit auch viel billiger. Und das wären dann zum Beispiel Solarzellen aus Plastik, bei denen eine Prise Graphen für die nötige elektrische Leitfähigkeit sorgt und die man dann zum Beispiel als Strom produzierende Kleidung auf der Haut tragen könnte, um sein Handy oder seinen iPod zu betreiben. Und dann träumen die Forscher auch von graphenbasierten Verbundmaterialien. Und die sollen härter und leichter sein als alle heutigen Werkstoffe und könnten dann in Flugzeugen und Autos zum Einsatz kommen. Und auch die Sensorik könnte durch Graphen revolutioniert werden, denn im Prinzip würde bereits ein einziges Schadstoffmolekül reichen, um von einer sagen wir mal künstlichen Graphennase erschnüffelt zu werden. Und schließlich will man Graphen auch für die Sequenzierung der Erbmoleküls DNA nutzen, um daraus schnellere Gentests zu entwickeln, also eine ganze Fülle von Ideen. Und ich denke, es werden in den kommenden Jahren noch einige dazu kommen.

    Seynsche: Sie haben ja vor einiger Zeit selbst mit Andre Geim gesprochen. Wann glaubt er denn, kommen die ersten Graphenprodukte auf den Markt?

    Grotelüschen: Also er hält sich doch durchaus zurück und sagt, naja, ich bin ja nur Grundlagenforscher und die Entwicklung und Produkte, das machen die anderen. Und er sagt, es ist im Moment noch zu früh zu sagen: Wann kommt das erste Produkt. Aber man merkte doch, er zeigt sich sehr zuversichtlich. Es sagte wörtlich: "Die Ampeln stehen auf Grün und die Fachwelt ist doch sehr optimistisch, dass mit Graphen ein paar sehr interessante Sachen zu machen seien. Und das ist eine Einschätzung, die man durchaus teilen kann. Vielleicht gehen zwar nicht alle Träume in Erfüllung, aber so einiges, denke ich, wird da schon passieren.