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"Es ist eigentlich eine alte Kanonenboot-Politik"

Die Art und Weise, wie die UN und Frankreich in der Elfenbeinküste eingreifen, werde viel Porzellan in der Afrika-Politik zerschlagen, mahnt Andreas Mehler - auch mit Blick auf den NATO-Einsatz in Libyen.

    Silvia Engels: Mehr als vier Monate dauert nun schon der Machtkampf in der Elfenbeinküste an. Damals bei den Wahlen ging Alassane Ouattara aus den Präsidentschaftswahlen als Sieger hervor, doch der langjährige Staatschef Laurent Gbagbo wollte nicht weichen. Kämpfe brachen aus, und nachdem die UN und vor allem Frankreich seit einigen Tagen aufseiten Ouattaras eingegriffen haben, scheint nun die Zeit für Gbagbo abzulaufen. Doch die Kämpfe gehen weiter.
    Über die Lage in der Elfenbeinküste sprach gestern Abend mein Kollege Tobias Armbrüster mit Andreas Mehler. Er ist Direktor des Instituts für African Studies am GIGA Institut Hamburg. An ihn ging die Frage, wie er die Lage in Abidjan beurteilt.

    Andreas Mehler: Nun, es sieht so aus, als wäre es jetzt wirklich hier noch die letzte Bastion. Es kann schon sein, dass Gbagbo sich noch halten kann in seinem Bunker. Aber die militärische Situation kann man sicher vor Ort besser beurteilen. Offensichtlich war das jetzt noch mal zu schwierig, ihn da direkt herauszuholen, und man will ihn ja offensichtlich lebend haben.

    Tobias Armbrüster: Wir hören jetzt in diesem Konflikt viel vom französischen Engagement, vor allen Dingen in den vergangenen Tagen. Welche Interessen verfolgt die Regierung in Paris in diesem Konflikt?

    Mehler: Ja, das ist schwierig auf einen Nenner zu bringen. Natürlich hat man auf alle Fälle französische Staatsbürger in der Côte d'Ivoire, man hat wirtschaftliche Interessen. Es ist aber auch so, dass Gbagbo schon über Jahre einer der Lieblingsfeinde wenigstens konservativer Regierungen in Frankreich war, und insofern ist es auch so, dass man sehr früh sich seine Seite gesucht hat, und dass Frankreich auf Seiten Ouattaras hier auftritt, wird nicht so ganz viele Leute überraschen.

    Armbrüster: Woran liegt denn diese Feindschaft?

    Mehler: Das ist schon der Tatsache geschuldet, dass Gbagbo sich als antiimperialer Freiheitskämpfer geriert, aber natürlich auch ein paar gute Punkte hat. Frankreich ist sehr dominant in der Côte d'Ivoire, in der Wirtschaft des Landes, hat eben auch Militärs dort immer gehabt, wollte diese Militärbasis angeblich schließen und konnte aber über die Beteiligung an der Peacekeeping-Operation weiterhin ein Kontingent dort unterhalten. Also der Eindruck, dass hier so ein bisschen spätkoloniales Spiel gespielt wird, der lässt sich nicht so leicht vertreiben.

    Armbrüster: Sie haben jetzt schon die Kolonialzeit ins Gespräch gebracht. Welche gemeinsame Geschichte verbindet diese beiden Länder Elfenbeinküste und Frankreich?

    Mehler: Ja, also 1960 Unabhängigkeit, aber Unabhängigkeit unter dem mythischen Staatsgründer Houphouët-Boigny, der vorher ja auch Abgeordneter in der französischen Nationalversammlung war und eben auch ein Stadthalter französischer Interessen, kann man sagen, nicht nur in der Côte d'Ivoire, sondern in ganz Westafrika. Insofern war dieses Land, die Elfenbeinküste, Côte d'Ivoire, immer ein zentraler Baustein französischer Machtpolitik und es gab ein enges Verhältnis, bis eben eigentlich Gbagbo 2000 an die Macht kam. Vorher war das eigentlich eine sehr enge Verbindung, und dann hat sich das doch stark relativiert. Unter anderem gibt es auch in dem Gbagbo-Lager Leute, die gerne die Verbindung, die es monetär gibt, nämlich damals zwischen Franc Français und Franc CFA, heute zwischen Euro und Franc CFA kappen würden, und das gefällt auch vielen in dem französischen Finanzministerium nicht.

    Armbrüster: Das müssen Sie jetzt gerade mal erklären. Was waren das für französische Begriffe, die Sie da benutzt haben?

    Mehler: Der Franc Français ist der französische Franc und der Franc CFA ist der Franc de la Communauté Financière d'Afrique. Das heißt, das ist die Währung im frankophonen Westafrika. Im frankophonen Zentralafrika gibt es eine parallele Währung, die ist durch eine feste Parität an den Euro gebunden. Und Unabhängigkeit spielt zum Teil natürlich auch über monetäre Unabhängigkeit, und das steht den Staaten der Region, also den ehemaligen französischen Kolonien, nicht zu Gebote.

    Armbrüster: Hat Sie das denn eigentlich überrascht, dass Frankreich bereit ist, in diesem Konflikt so ganz offen militärisch, auch mit Panzern einzugreifen?

    Mehler: Ich fand es in der Radikalität schon überraschend, denn genau dieser Vorwurf, der wird kommen, ist zum Teil jetzt schon gekommen, ja was macht ihr denn da, das ist doch wie früher, ihr habt also nichts gelernt aus den letzten Jahrzehnten. Es ist eigentlich eine alte Kanonenboot-Politik sozusagen, so sieht es wenigstens aus. Ja, also ich muss sagen, ich hätte das mir nicht so vorgestellt vor wenigen Wochen, und es ist aber so ein bisschen die Frage, ob die UN, ob Ban ki-Moon die Franzosen gefragt hat, und wenn er das getan hat, dann kann natürlich sein, dass es sozusagen auf Anforderung hin geschieht.

    Armbrüster: Nun sind ja die Vereinten Nationen selbst auch in diese Kämpfe verwickelt, nämlich mit ihren Friedenstruppen. Wieso fährt die UNO hier eine so klare militärische Linie? Auch das war ja vielleicht nicht für alle unbedingt erwartbar.

    Mehler: Es ist auch wirklich eine sehr radikale Position der UN. Man muss das in dem Kontext sehen, dass im Friedensprozess die UN eine bestimmte Rolle hatte, also verschiedene, aber nur einen Teil davon erfüllen konnte. Also die Peacekeeper waren nicht gerade stark darin, Sicherheit für die Bevölkerung zu schaffen und vor allem auch Rebellen und Gbagbo-treue Milizen zu entwaffnen. Das ist komplett unterblieben, während die Wahlvorbereitung, wenn auch verspätet, schließlich Fortschritte gemacht hat. Beides war eigentlich nur parallel zu denken, Wahlen ohne die Entwaffnung, das war ein Riesenrisiko, wie man heute ganz deutlich sieht. Und die Wahlvorbereitung, das bedeutete, dass man auch die Wahlkommission unterstützt. Die hat bestimmte Ergebnisse mitgeteilt, die Ouattara vorne sehen, und es war für die UN so gut wie unmöglich, was anderes zu tun, als diese Ergebnisse für richtig zu halten. Ich sage nicht, dass sie falsch sind, aber wenigstens war man hier gleichzeitig Schiedsrichter und Partei, und so ist man es auch geblieben. Also man kann heute sagen, die UN ist nicht unparteiisch in diesem Konflikt.

    Armbrüster: Haben Sie den Eindruck, dass die UNO und auch Frankreich hier in diesem Konflikt gerade außenpolitisch eine Menge Porzellan zerschlagen, auch gerade was die Beziehungen zwischen Afrika und dem Westen angeht?

    Mehler: Auf alle Fälle, und wir schließen da ein bisschen die Augen davor. Wer ist denn die internationale Gemeinschaft? Das ist offensichtlich mehr oder weniger auch wieder die NATO, die dem Ganzen hier zustimmt. Wenn Sie die Töne aus Südafrika hören, werden Sie bemerken, dass es da sehr große Vorbehalte gibt, und ich könnte wetten, dass sich viele wortgewaltige afrikanische Intellektuelle noch mal zu Wort melden, und ich befürchte hier wirklich, dass sehr viel Porzellan zerschlagen wird.

    Engels: Andreas Mehler, der Direktor des Instituts für African Studies am GIGA Institut Hamburg, im Gespräch mit meinem Kollegen Tobias Armbrüster.

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