Krauter: Herr Renn, ist die Entdeckung des Higgs-Teilchens ein Meilenstein der Wissenschaftsgeschichte?
Renn: Also zum einen muss man natürlich vorsichtig sein. Das muss alles noch einmal gründlich analysiert werden, aber die Daten, ich denke mal, die Experimentalphysiker vom Cern, die wären nicht an die Öffentlichkeit gegangen, wenn sie sich der Sache nicht sicher gewesen wären. Aber trotzdem, da ist noch einiges sorgfältig zu analysieren. Dennoch muss man auf der anderen Seite festhalten: Es ist ein großer Meilenstein, gar keine Frage, weil es den Abschluss bildet des Standardmodells, das sich ja in vielen Zügen schon bewährt hat, der Elementarteilchenphysik. Und das ist der fehlende Baustein gewesen, und den hat man jetzt nachgewiesen. Und damit hat man eigentlich ein fast perfektes Modell fundamentaler Wechselwirkung. Aber es ist eben nur fast perfekt, weil, zum Beispiel die Gravitation, die hat man noch nicht damit erklärt. Und es bleiben eben auch noch viele Fragen offen. Und manche Stimmen sagen auch, wenn man es jetzt nicht hätte nachweisen können, wenn sich also die Standardtheorie an dieser Stelle nicht bewährt hätte, das hätte sozusagen noch eine andere Art von Revolution verursachen können. Jetzt hat sich eigentlich das bestätigt, was man doch im Grunde erwartet hat.
Krauter: Was verrät das eigentlich über die Qualität eines naturwissenschaftlichen Gedankengebäudes, so einer Theorie, wenn sie in der Lage ist, Prognosen zu machen, die sich 50 Jahre später bewahrheiten? Ist das ein Beweis enormer Leistungsfähigkeit, oder deutet das eher auf Langeweile hin, dass da gar nichts Neues mehr entsteht?
Renn: Das kennen wir schon aus anderen Bereichen der Physik und der Astronomie, also wenn man Störungen im Planetenring beobachtet hat und daraus geschlossen hat, da muss es noch andere Himmelskörper geben, da hat es oft Jahre lang gedauert, bis man diese Beobachtung wirklich feststellen konnte. Also das ist sozusagen schon ein Beweis dafür, dass unser physikalisches Wissen sehr solide ist und in seinen Strukturen auch sehr gefestigt ist, so dass man solche langfristigen Vorhersagen wagen kann, selbst wenn man die experimentellen Mitteln noch lange nicht hat, das zu bewahrheiten. Ein anderes Beispiel dafür sind die Gravitationswellen, die man bisher nur sehr indirekt nachgewiesen hat und noch nicht direkt messen konnte. Da ist man auch sehr zuversichtlich, dass man die demnächst direkt messen kann und bestätigen kann, das ist eine ähnliche Geschichte, wo fast ein Jahrhundert vergeht von der Vorhersage bis zur Bestätigung. Das sagt etwas über den langen Atem der Wissenschaft aus, die Wissenschaft vollzieht sich eben auf anderen Zeitskalen als die Politik oder auch andere Bereiche der Kultur. Und das finde ich selbst immer sehr beeindruckend und das hat überhaupt nichts langweiliges. Das sind eben Veränderungen, die sich auf anderen Zeitskalen bewegen. Denken wir an die geologischen Zeitskalen, da geht es noch langsamer, und auch da passieren ja große Umbrüche, wie wir wissen. Das hat überhaupt nichts langweiliges.
Krauter: Wäre der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn vielleicht sogar größer gewesen, wenn man das Higgs nicht gefunden hätte?
Renn: Wenn man es einfach nur nicht gefunden hätte, hätte es auch sein können, dass es sich auch bei Energien aufhält, wird man einfach noch nicht erreicht hätte. Das heißt, man wäre im Grunde in der Situation der Unentschiedenheit verblieben, also so kann man das auch nicht sagen. Aber wenn man hätte definitiv ausschließen können, dass so ein Teilchen existiert, das hätte die Physik doch noch weitergehend revolutioniert, insofern wäre das interessanter gewesen. Aber es ist ein bisschen schwer, den Fall zu konstruieren, weil es hätte, wie gesagt, auch der Fall der Unentscheidbarkeit eintreten können, und das wäre im Grunde der langweiligste gewesen. Insofern können wir uns freuen, dass jetzt doch ein Erkenntnisgewinn erzielt haben und können auf dem bauen, wenn auch noch nicht klar ist, wie man jetzt hinter das noch nicht ganz befriedigende Standardmodell weiterblicken kann, also wie es dahinter weitergeht, sozusagen. Wie man jetzt die anderen Kräfte, die andere große Naturkraft, wie die Gravitation, miteinbeziehen kann oder letztlich die Vereinheitlichung aller Kräfte verstehen kann, das ist nicht unbedingt leichter geworden durch diese Entdeckung.
Krauter: Ein lang ersehnte Wunsch lässt viele Fragen offen und wirft neue auf. Das war die Einschätzung von Professor Jürgen Renn vom Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin. Mitgehört hat der Physiker und Wissenschaftsjournalist Frank Grotelüschen, der uns aus Hamburg zugeschaltet ist. Herr Grotelüschen, wir haben es gehört, viele offene Fragen, also wie genau will man jetzt am Cern, am LHC, an diesem Teilchenbeschleuniger, weiter vorgehen, um Antworten zu finden?
Grotelüschen: Also, der LHC wird erst einmal bis Ende dieses Jahres weiterlaufen und weitere Daten sammeln. Und das ist erst einmal wichtig, um jetzt dieses neu entdeckte Teilchen ein bisschen mehr im Detail kennen zu lernen, zu vermessen, um zu schauen, hat es wirklich die Eigenschaften, die der gute Peter Higgs schon in den 60er-Jahren dem Teilchen prophezeit hat. Das ist die nächste Phase, dann wird dieser Riesenbeschleuniger erst einmal für zwei Jahre abgeschaltet und umgebaut, und danach, etwa 2015, wird er anlaufen und eine deutlich höhere Kollisionsenergie haben. Und dann hat man wirklich die Chance, dann doch wieder neue Teilchen zu finden, Teilchen, die es vielleicht im Standardmodell gar nicht gibt.
Krauter: Um welche Teilchen geht es da? Ich vermute mal, es geht um die dunkle Materie, um diesen exotischen Stoff, der ein Fünftel des Kosmos ausmacht?
Grotelüschen: Ja, das ist natürlich die große Hoffnung, so etwas zu finden. Also, die Physiker liebäugeln mit einer Theorie namens Supersymmetrie. Diese Theorie geht über das Standardmodell hinaus, kann also noch etwas mehr erklären, setzt aber voraus, dass es noch einen ganzen Zoo von weiteren Teilchen gibt. Diese Teilchen müssen ziemlich schwer sein. Aber eines dieser Teilchen könnte dann praktisch der Grundbestandteil von dieser rätselhaften Dunklen Materie sein, die die Galaxien zusammenhält wie ein unsichtbarer Klebstoff. Und wenn das klappen würde, das wäre dann sogar noch die größere Sensation im Vergleich zur Entdeckung des Higgs-Teilchens.
Krauter: Das ist so der Fahrplan, so ab 2015, haben sie gesagt. Blicken wir noch ein bisschen weiter nach vorn, so zehn Jahre etwa, bis 2020. Da, so der Plan, soll der LHC, der Teilchenbeschleuniger lange noch nicht zum alten Eisen gehören. Was genau hat man dann dennoch vor?
Grotelüschen: Da gibt es schon ziemlich konkrete Pläne, und es sieht auch so aus, als ob diese Pläne umgesetzt werden. Man will den LHC dann noch einmal gehörig umbauen. Und zwar möchte man zu sehen, dass er etwa fünf- bis zehnmal mehr Teilchen kollidieren lassen kann. Dann würde man entsprechend fünf- bis zehnmal mehr Messdaten sammeln können, und das wiederum steigert auch wieder die Chance, neue Teilchen zu entdecken. Also, das ist praktisch so ein Plan, der doch ziemlich konkret ist, und ich denke, das wird auch bezahlt, das ist nicht so teuer. Daran arbeiten die Forscher schon hier mit Hochdruck.
Krauter: Die Finanzierung noch ungewisser ist bei einem anderen großen Projekt, das jetzt im Zuge der Euphorie um die Entdeckung des Higgs jetzt wieder publik wurde. Man hat vor, oder es gibt Pläne, noch eine extra Higgs-Maschine zu bauen, also einen Teilchenbeschleuniger, der das Higgs noch ganz genau unter die Lupe nehmen soll. Ist das denn realistisch, dass so ein Gerät jemals gebaut wird? Das wird ja wieder weitere Milliarden kosten, letztlich!
Grotelüschen: Also, das auf jeden Fall ist so eine Maschine, von der jetzt viel die Rede ist. Also diese Maschine wünschen sich die Forscher doch sehr sehnlich. Das..., jetzt weiß man ja, wie schwer das Higgs ist, und man könnte jetzt so eine Higgs-Maschine bauen, die gezielt diese Higgsteilchen wie am Fließband erzeugt und deutlich präziser untersuchen kann als es der LHC kann. Der LHC ist mehr so eine Entdeckermaschine, der feuert Wasserstoffkerne aufeinander. Das ist eine relativ unsaubere Methode, um Teilchen zu erzeugen und vor allem dann zu analysieren, zu studieren. Wenn man also Elektronen und ihre Antiteilchen, die Positronen aufeinanderballert, dann kann man das viel präziser untersuchen. Und das will man jetzt mit dieser Higgs-Maschine machen. Das wäre dann kein Ring mehr, wie der LHC, das wäre eine schnurgerade Anlage, in dem Fall etwa, ja, 20 Kilometer lang, auch etwa fünf Milliarden Euro teurer, also kein Schnäppchen, und da sind die Chancen jetzt hier in Europa überhaupt nicht gegeben, weil da man den LHC, da wird noch viel Geld investieren. Aber Japan hat offenbar großes Interesse, so eine Maschine jetzt zu bauen, Japan möchte wirklich massiv so ein Prestigeobjekt der Grundlagenforschung auf eigenem Boden haben, und da hat der Premierminister schon gesagt: Ja, wir haben Interesse an so einer Maschine! Also da sind die Aussichten, dass so eine Maschine in zwei, drei Jahren vielleicht mal gebaut wird und dann in sieben oder acht Jahren fertig ist, [...] gar nicht so schlecht. Und dann hoffen die Physiker eben, dass sie das Higgs sehr genau analysieren können, und dass sie dann vielleicht Anzeichen finden können, ja, das stimmt jetzt trotzdem nicht so überein mit den Aussagen des Standardmodells. Wir entdecken womöglich einen Riss im Standardmodell, und wir entdecken dann endlich die neue Physik. Das wäre dann die große Hoffnung bei dieser Maschine.
Krauter: Was kommt nach der Entdeckung des Gottesteilchens? Informationen, Einschätzungen und Visionen von Frank Grotelüschen. Vielen Dank nach Hamburg.
Renn: Also zum einen muss man natürlich vorsichtig sein. Das muss alles noch einmal gründlich analysiert werden, aber die Daten, ich denke mal, die Experimentalphysiker vom Cern, die wären nicht an die Öffentlichkeit gegangen, wenn sie sich der Sache nicht sicher gewesen wären. Aber trotzdem, da ist noch einiges sorgfältig zu analysieren. Dennoch muss man auf der anderen Seite festhalten: Es ist ein großer Meilenstein, gar keine Frage, weil es den Abschluss bildet des Standardmodells, das sich ja in vielen Zügen schon bewährt hat, der Elementarteilchenphysik. Und das ist der fehlende Baustein gewesen, und den hat man jetzt nachgewiesen. Und damit hat man eigentlich ein fast perfektes Modell fundamentaler Wechselwirkung. Aber es ist eben nur fast perfekt, weil, zum Beispiel die Gravitation, die hat man noch nicht damit erklärt. Und es bleiben eben auch noch viele Fragen offen. Und manche Stimmen sagen auch, wenn man es jetzt nicht hätte nachweisen können, wenn sich also die Standardtheorie an dieser Stelle nicht bewährt hätte, das hätte sozusagen noch eine andere Art von Revolution verursachen können. Jetzt hat sich eigentlich das bestätigt, was man doch im Grunde erwartet hat.
Krauter: Was verrät das eigentlich über die Qualität eines naturwissenschaftlichen Gedankengebäudes, so einer Theorie, wenn sie in der Lage ist, Prognosen zu machen, die sich 50 Jahre später bewahrheiten? Ist das ein Beweis enormer Leistungsfähigkeit, oder deutet das eher auf Langeweile hin, dass da gar nichts Neues mehr entsteht?
Renn: Das kennen wir schon aus anderen Bereichen der Physik und der Astronomie, also wenn man Störungen im Planetenring beobachtet hat und daraus geschlossen hat, da muss es noch andere Himmelskörper geben, da hat es oft Jahre lang gedauert, bis man diese Beobachtung wirklich feststellen konnte. Also das ist sozusagen schon ein Beweis dafür, dass unser physikalisches Wissen sehr solide ist und in seinen Strukturen auch sehr gefestigt ist, so dass man solche langfristigen Vorhersagen wagen kann, selbst wenn man die experimentellen Mitteln noch lange nicht hat, das zu bewahrheiten. Ein anderes Beispiel dafür sind die Gravitationswellen, die man bisher nur sehr indirekt nachgewiesen hat und noch nicht direkt messen konnte. Da ist man auch sehr zuversichtlich, dass man die demnächst direkt messen kann und bestätigen kann, das ist eine ähnliche Geschichte, wo fast ein Jahrhundert vergeht von der Vorhersage bis zur Bestätigung. Das sagt etwas über den langen Atem der Wissenschaft aus, die Wissenschaft vollzieht sich eben auf anderen Zeitskalen als die Politik oder auch andere Bereiche der Kultur. Und das finde ich selbst immer sehr beeindruckend und das hat überhaupt nichts langweiliges. Das sind eben Veränderungen, die sich auf anderen Zeitskalen bewegen. Denken wir an die geologischen Zeitskalen, da geht es noch langsamer, und auch da passieren ja große Umbrüche, wie wir wissen. Das hat überhaupt nichts langweiliges.
Krauter: Wäre der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn vielleicht sogar größer gewesen, wenn man das Higgs nicht gefunden hätte?
Renn: Wenn man es einfach nur nicht gefunden hätte, hätte es auch sein können, dass es sich auch bei Energien aufhält, wird man einfach noch nicht erreicht hätte. Das heißt, man wäre im Grunde in der Situation der Unentschiedenheit verblieben, also so kann man das auch nicht sagen. Aber wenn man hätte definitiv ausschließen können, dass so ein Teilchen existiert, das hätte die Physik doch noch weitergehend revolutioniert, insofern wäre das interessanter gewesen. Aber es ist ein bisschen schwer, den Fall zu konstruieren, weil es hätte, wie gesagt, auch der Fall der Unentscheidbarkeit eintreten können, und das wäre im Grunde der langweiligste gewesen. Insofern können wir uns freuen, dass jetzt doch ein Erkenntnisgewinn erzielt haben und können auf dem bauen, wenn auch noch nicht klar ist, wie man jetzt hinter das noch nicht ganz befriedigende Standardmodell weiterblicken kann, also wie es dahinter weitergeht, sozusagen. Wie man jetzt die anderen Kräfte, die andere große Naturkraft, wie die Gravitation, miteinbeziehen kann oder letztlich die Vereinheitlichung aller Kräfte verstehen kann, das ist nicht unbedingt leichter geworden durch diese Entdeckung.
Krauter: Ein lang ersehnte Wunsch lässt viele Fragen offen und wirft neue auf. Das war die Einschätzung von Professor Jürgen Renn vom Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin. Mitgehört hat der Physiker und Wissenschaftsjournalist Frank Grotelüschen, der uns aus Hamburg zugeschaltet ist. Herr Grotelüschen, wir haben es gehört, viele offene Fragen, also wie genau will man jetzt am Cern, am LHC, an diesem Teilchenbeschleuniger, weiter vorgehen, um Antworten zu finden?
Grotelüschen: Also, der LHC wird erst einmal bis Ende dieses Jahres weiterlaufen und weitere Daten sammeln. Und das ist erst einmal wichtig, um jetzt dieses neu entdeckte Teilchen ein bisschen mehr im Detail kennen zu lernen, zu vermessen, um zu schauen, hat es wirklich die Eigenschaften, die der gute Peter Higgs schon in den 60er-Jahren dem Teilchen prophezeit hat. Das ist die nächste Phase, dann wird dieser Riesenbeschleuniger erst einmal für zwei Jahre abgeschaltet und umgebaut, und danach, etwa 2015, wird er anlaufen und eine deutlich höhere Kollisionsenergie haben. Und dann hat man wirklich die Chance, dann doch wieder neue Teilchen zu finden, Teilchen, die es vielleicht im Standardmodell gar nicht gibt.
Krauter: Um welche Teilchen geht es da? Ich vermute mal, es geht um die dunkle Materie, um diesen exotischen Stoff, der ein Fünftel des Kosmos ausmacht?
Grotelüschen: Ja, das ist natürlich die große Hoffnung, so etwas zu finden. Also, die Physiker liebäugeln mit einer Theorie namens Supersymmetrie. Diese Theorie geht über das Standardmodell hinaus, kann also noch etwas mehr erklären, setzt aber voraus, dass es noch einen ganzen Zoo von weiteren Teilchen gibt. Diese Teilchen müssen ziemlich schwer sein. Aber eines dieser Teilchen könnte dann praktisch der Grundbestandteil von dieser rätselhaften Dunklen Materie sein, die die Galaxien zusammenhält wie ein unsichtbarer Klebstoff. Und wenn das klappen würde, das wäre dann sogar noch die größere Sensation im Vergleich zur Entdeckung des Higgs-Teilchens.
Krauter: Das ist so der Fahrplan, so ab 2015, haben sie gesagt. Blicken wir noch ein bisschen weiter nach vorn, so zehn Jahre etwa, bis 2020. Da, so der Plan, soll der LHC, der Teilchenbeschleuniger lange noch nicht zum alten Eisen gehören. Was genau hat man dann dennoch vor?
Grotelüschen: Da gibt es schon ziemlich konkrete Pläne, und es sieht auch so aus, als ob diese Pläne umgesetzt werden. Man will den LHC dann noch einmal gehörig umbauen. Und zwar möchte man zu sehen, dass er etwa fünf- bis zehnmal mehr Teilchen kollidieren lassen kann. Dann würde man entsprechend fünf- bis zehnmal mehr Messdaten sammeln können, und das wiederum steigert auch wieder die Chance, neue Teilchen zu entdecken. Also, das ist praktisch so ein Plan, der doch ziemlich konkret ist, und ich denke, das wird auch bezahlt, das ist nicht so teuer. Daran arbeiten die Forscher schon hier mit Hochdruck.
Krauter: Die Finanzierung noch ungewisser ist bei einem anderen großen Projekt, das jetzt im Zuge der Euphorie um die Entdeckung des Higgs jetzt wieder publik wurde. Man hat vor, oder es gibt Pläne, noch eine extra Higgs-Maschine zu bauen, also einen Teilchenbeschleuniger, der das Higgs noch ganz genau unter die Lupe nehmen soll. Ist das denn realistisch, dass so ein Gerät jemals gebaut wird? Das wird ja wieder weitere Milliarden kosten, letztlich!
Grotelüschen: Also, das auf jeden Fall ist so eine Maschine, von der jetzt viel die Rede ist. Also diese Maschine wünschen sich die Forscher doch sehr sehnlich. Das..., jetzt weiß man ja, wie schwer das Higgs ist, und man könnte jetzt so eine Higgs-Maschine bauen, die gezielt diese Higgsteilchen wie am Fließband erzeugt und deutlich präziser untersuchen kann als es der LHC kann. Der LHC ist mehr so eine Entdeckermaschine, der feuert Wasserstoffkerne aufeinander. Das ist eine relativ unsaubere Methode, um Teilchen zu erzeugen und vor allem dann zu analysieren, zu studieren. Wenn man also Elektronen und ihre Antiteilchen, die Positronen aufeinanderballert, dann kann man das viel präziser untersuchen. Und das will man jetzt mit dieser Higgs-Maschine machen. Das wäre dann kein Ring mehr, wie der LHC, das wäre eine schnurgerade Anlage, in dem Fall etwa, ja, 20 Kilometer lang, auch etwa fünf Milliarden Euro teurer, also kein Schnäppchen, und da sind die Chancen jetzt hier in Europa überhaupt nicht gegeben, weil da man den LHC, da wird noch viel Geld investieren. Aber Japan hat offenbar großes Interesse, so eine Maschine jetzt zu bauen, Japan möchte wirklich massiv so ein Prestigeobjekt der Grundlagenforschung auf eigenem Boden haben, und da hat der Premierminister schon gesagt: Ja, wir haben Interesse an so einer Maschine! Also da sind die Aussichten, dass so eine Maschine in zwei, drei Jahren vielleicht mal gebaut wird und dann in sieben oder acht Jahren fertig ist, [...] gar nicht so schlecht. Und dann hoffen die Physiker eben, dass sie das Higgs sehr genau analysieren können, und dass sie dann vielleicht Anzeichen finden können, ja, das stimmt jetzt trotzdem nicht so überein mit den Aussagen des Standardmodells. Wir entdecken womöglich einen Riss im Standardmodell, und wir entdecken dann endlich die neue Physik. Das wäre dann die große Hoffnung bei dieser Maschine.
Krauter: Was kommt nach der Entdeckung des Gottesteilchens? Informationen, Einschätzungen und Visionen von Frank Grotelüschen. Vielen Dank nach Hamburg.