Peter Kapern: 78 Milliarden Euro erhält Portugal aus den Mitteln des Euro-Rettungsschirms. Darauf habe sich die portugiesische Regierung, die EU, der IWF und die Europäische Zentralbank geeinigt. Nur so kann das Land den Bankrott abwenden. Verbunden mit der Hilfe ist ein massives Sparpaket, das Portugal nun umsetzen muss. Am Telefon nun Frank Schäffler, der Finanzexperte der FDP-Bundestagsfraktion. Herr Schäffler, guten Tag!
Frank Schäffler: Guten Tag!
Kapern: Herr Schäffler, sind Sie zufrieden damit, dass die EU nun auch im Fall Portugal Handlungsfähigkeit beweist und den Euro rettet?
Schäffler: Nein! Das ist die Fortsetzung des kollektiven Rechtsbruchs in Europa. Es gibt keine rechtliche Grundlage dafür, es verstößt gegen die "No-Bailout"-Klausel des Artikel 125 der europäischen Verträge, und es löst vor allem das Problem nicht. Das sehen wir in Griechenland, wo die Verschuldung trotz dieser ganzen Sparmaßnahmen ins Unendliche fortschreitet.
Kapern: Einen Rechtsbruch werfen Sie den Europäern vor, damit auch der Bundeskanzlerin, die das ja ganz offensichtlich anders sieht.
Schäffler: Ja! Ich sagte ja, es ist ein kollektiver Rechtsbruch. Die EU-Kommission, das Parlament, die Staats- und Regierungschefs haben sich darauf geeinigt, das europäische Recht nicht anzuwenden. Das hat die französische Finanzministerin Lagarde ja selbst zugegeben, dass man das Recht gebeugt hat. Und Europa hat nur eine Zukunft, wenn wir als Rechtsgemeinschaft auch tatsächlich handeln und wenn wir nicht bei jeder Krise einfach das Recht bei Seite wischen und neue Regeln schaffen, die dann auch wieder nicht eingehalten werden.
Kapern: Rechtstreue ist das eine, Herr Schäffler. Wäre es denn wirklich eine verlockende Perspektive, ein Land wie Portugal in die Pleite gehen zu lassen?
Schäffler: Ja. Wir sehen es ja bei Griechenland, dass wir um eine Umschuldung nicht herumkommen werden.
Kapern: Auch das sieht die Bundesregierung ja anders.
Schäffler: Na ja, da höre ich auch andere Stimmen.
Kapern: Von wem denn?
Schäffler: Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Hoyer, hat das neulich angedeutet, Herr Schäuble hat das ebenfalls angedeutet. Nur ich hätte erwartet, dass das im letzten Jahr schon der Fall gewesen wäre, denn da war schon absehbar, als im Mai letzten Jahres Griechenland die Rettung verlangt hat, dass am Ende des Prozesses die Verschuldung höher sein wird als vor der Rettungsmaßnahme, und das erleben wir jetzt. Wir erleben es leider nur zwei Jahre eher. Griechenland sollte am Ende des Prozesses 150 Prozent Verschuldung haben, und diese gesamtstaatliche Verschuldung wird es schon in diesem Jahr haben. Das heißt, der Prozess ist wesentlich schneller vorangegangen, als das selbst die größten Pessimisten damals geahnt haben.
Kapern: Aber, Herr Schäffler, der Prozess in Portugal könnte ja auch ganz anders verlaufen als der Prozess in Griechenland, denn immerhin gibt es dort ja gravierende Strukturreformen, das hat unser Korrespondent ja gerade geschildert, die könnten ja auch greifen.
Schäffler: Ja! Aber Papier ist geduldig, wie Sie wissen. Die Vereinbarungen müssen dann auch erst umgesetzt werden. Das, was jetzt an Strukturreformen, oder was ich der Zeitung entnehme, was an Strukturreformen veranlasst wurden oder werden, die sind ja hinter den Maßnahmen, die die Regierungskoalition in Portugal zum Scheitern gebracht hat. Also es ist weniger, als eigentlich die eigene Regierung ursprünglich wollte, und deshalb macht mich das nicht besonders optimistisch, dass das klappen wird. Man sieht das ja auch in Griechenland, dass es nicht funktioniert, in die Rezession hinein weiter zu sparen. Das erhöht im Kern die gesamtstaatliche Verschuldung im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. Wenn die Wirtschaftsleistung zusammenbricht, dann können sie nicht dagegen ansparen, und das ist die Folge, die wir in Griechenland, aber jetzt auch in Portugal erleben.
Kapern: Nehmen wir mal an, Frank Schäffler hätte die Macht und die Kompetenzen, die Rettungspakete oder die Rettungsmaßnahmen für Griechenland und Portugal zu steuern und würde beide Länder in die Pleite schicken, wie viele Milliarden würden denn dann deutsche Banken, deutsche Anleger, deutsche Versicherungen beispielsweise verlieren?
Schäffler: Das ist überschaubar. Bei Griechenland wissen wir, dass deutsche Banken mit rund 40 Milliarden in Griechenland engagiert waren. Das wird nicht alles dann wertlos sein, das wissen wir historisch aus anderen Staatsinsolvenzen. Das heißt, dann müsste man im Zweifel diese Institute sichern, wenn das notwendig ist. Aber jetzt sichern wir irgendjemand auf dieser Welt, irgendwelche Banken in Japan, in Amerika, in Südamerika, was weiß ich wo. Die boxen wir jetzt heraus und damit pervertieren wir eigentlich die soziale Marktwirtschaft, wo Verantwortung und Haftung eigentlich zusammen gehören, und das lassen wir jetzt nicht zu, sondern wir befördern dadurch eigentlich ein Geschäftsmodell, dass man sich billig Geld leiht bei der EZB und es teuer anlegt in diesen Ländern und das ohne Risiko, weil der Steuerzahler beispielsweise in Deutschland diese Banken herausboxt, und das ist eigentlich ein Skandal.
Kapern: Frank Schäffler war das, der Finanzexperte der FDP-Bundestagsfraktion, heute Mittag im Deutschlandfunk. Herr Schäffler, danke für das Gespräch und auf Wiederhören.
Schäffler: Ich danke auch.
Frank Schäffler: Guten Tag!
Kapern: Herr Schäffler, sind Sie zufrieden damit, dass die EU nun auch im Fall Portugal Handlungsfähigkeit beweist und den Euro rettet?
Schäffler: Nein! Das ist die Fortsetzung des kollektiven Rechtsbruchs in Europa. Es gibt keine rechtliche Grundlage dafür, es verstößt gegen die "No-Bailout"-Klausel des Artikel 125 der europäischen Verträge, und es löst vor allem das Problem nicht. Das sehen wir in Griechenland, wo die Verschuldung trotz dieser ganzen Sparmaßnahmen ins Unendliche fortschreitet.
Kapern: Einen Rechtsbruch werfen Sie den Europäern vor, damit auch der Bundeskanzlerin, die das ja ganz offensichtlich anders sieht.
Schäffler: Ja! Ich sagte ja, es ist ein kollektiver Rechtsbruch. Die EU-Kommission, das Parlament, die Staats- und Regierungschefs haben sich darauf geeinigt, das europäische Recht nicht anzuwenden. Das hat die französische Finanzministerin Lagarde ja selbst zugegeben, dass man das Recht gebeugt hat. Und Europa hat nur eine Zukunft, wenn wir als Rechtsgemeinschaft auch tatsächlich handeln und wenn wir nicht bei jeder Krise einfach das Recht bei Seite wischen und neue Regeln schaffen, die dann auch wieder nicht eingehalten werden.
Kapern: Rechtstreue ist das eine, Herr Schäffler. Wäre es denn wirklich eine verlockende Perspektive, ein Land wie Portugal in die Pleite gehen zu lassen?
Schäffler: Ja. Wir sehen es ja bei Griechenland, dass wir um eine Umschuldung nicht herumkommen werden.
Kapern: Auch das sieht die Bundesregierung ja anders.
Schäffler: Na ja, da höre ich auch andere Stimmen.
Kapern: Von wem denn?
Schäffler: Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Hoyer, hat das neulich angedeutet, Herr Schäuble hat das ebenfalls angedeutet. Nur ich hätte erwartet, dass das im letzten Jahr schon der Fall gewesen wäre, denn da war schon absehbar, als im Mai letzten Jahres Griechenland die Rettung verlangt hat, dass am Ende des Prozesses die Verschuldung höher sein wird als vor der Rettungsmaßnahme, und das erleben wir jetzt. Wir erleben es leider nur zwei Jahre eher. Griechenland sollte am Ende des Prozesses 150 Prozent Verschuldung haben, und diese gesamtstaatliche Verschuldung wird es schon in diesem Jahr haben. Das heißt, der Prozess ist wesentlich schneller vorangegangen, als das selbst die größten Pessimisten damals geahnt haben.
Kapern: Aber, Herr Schäffler, der Prozess in Portugal könnte ja auch ganz anders verlaufen als der Prozess in Griechenland, denn immerhin gibt es dort ja gravierende Strukturreformen, das hat unser Korrespondent ja gerade geschildert, die könnten ja auch greifen.
Schäffler: Ja! Aber Papier ist geduldig, wie Sie wissen. Die Vereinbarungen müssen dann auch erst umgesetzt werden. Das, was jetzt an Strukturreformen, oder was ich der Zeitung entnehme, was an Strukturreformen veranlasst wurden oder werden, die sind ja hinter den Maßnahmen, die die Regierungskoalition in Portugal zum Scheitern gebracht hat. Also es ist weniger, als eigentlich die eigene Regierung ursprünglich wollte, und deshalb macht mich das nicht besonders optimistisch, dass das klappen wird. Man sieht das ja auch in Griechenland, dass es nicht funktioniert, in die Rezession hinein weiter zu sparen. Das erhöht im Kern die gesamtstaatliche Verschuldung im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. Wenn die Wirtschaftsleistung zusammenbricht, dann können sie nicht dagegen ansparen, und das ist die Folge, die wir in Griechenland, aber jetzt auch in Portugal erleben.
Kapern: Nehmen wir mal an, Frank Schäffler hätte die Macht und die Kompetenzen, die Rettungspakete oder die Rettungsmaßnahmen für Griechenland und Portugal zu steuern und würde beide Länder in die Pleite schicken, wie viele Milliarden würden denn dann deutsche Banken, deutsche Anleger, deutsche Versicherungen beispielsweise verlieren?
Schäffler: Das ist überschaubar. Bei Griechenland wissen wir, dass deutsche Banken mit rund 40 Milliarden in Griechenland engagiert waren. Das wird nicht alles dann wertlos sein, das wissen wir historisch aus anderen Staatsinsolvenzen. Das heißt, dann müsste man im Zweifel diese Institute sichern, wenn das notwendig ist. Aber jetzt sichern wir irgendjemand auf dieser Welt, irgendwelche Banken in Japan, in Amerika, in Südamerika, was weiß ich wo. Die boxen wir jetzt heraus und damit pervertieren wir eigentlich die soziale Marktwirtschaft, wo Verantwortung und Haftung eigentlich zusammen gehören, und das lassen wir jetzt nicht zu, sondern wir befördern dadurch eigentlich ein Geschäftsmodell, dass man sich billig Geld leiht bei der EZB und es teuer anlegt in diesen Ländern und das ohne Risiko, weil der Steuerzahler beispielsweise in Deutschland diese Banken herausboxt, und das ist eigentlich ein Skandal.
Kapern: Frank Schäffler war das, der Finanzexperte der FDP-Bundestagsfraktion, heute Mittag im Deutschlandfunk. Herr Schäffler, danke für das Gespräch und auf Wiederhören.
Schäffler: Ich danke auch.