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"Es ist ein Skandal, dass wir bis heute getrennt leben"

Metropolit Augoustinos von Deutschland, der oberste Geistliche der griechisch-orthodoxen Kirche, hofft, dass die Türkei in die Europäische Union eintreten wird. Dadurch könnte sich die Situation der Christen in der Türkei verbessern. Der Dialog zwischen Katholiken, Protestanten und Orthodoxen müsse vertief werden, um die Spaltung der drei Strömungen zu überwinden, forderte Metropolit Augoustinos.

29.11.2006
    Spengler: Der Papst besucht derzeit - so schrieb er es gestern ins Gästebuch des Atatürk-Mausoleums - ein Land, das - ich zitiere - "Treffpunkt der Religionen und Kulturen und Brücke zwischen Asien und Europa ist". Der Besuch in der Türkei verläuft bislang weitaus spannungsfreier, als zuvor erwartet worden war. Gestern in Ankara Begegnung mit dem muslimischen Ministerpräsidenten Erdogan, dann Kranzniederlegung am Atatürk-Mausoleum, heute eine Messe in Ephesus unter freiem Himmel und die Weiterfahrt nach Istanbul, dem früheren Konstantinopel. Dort wird Papst Benedikt mit dem ökumenischen Patriarchen Bartholomäus zusammenkommen. Das Treffen mit dem symbolischen Oberhaupt der gesamten orthodoxen Christenheit gilt als Höhepunkt des Papst-Besuches. - Am Telefon im Deutschlandfunk begrüße ich nun Metropolit Augoustinos von Deutschland, den obersten Geistlichen der griechisch-orthodoxen Kirche und Exarch von Zentraleuropa. Guten Morgen Herr Metropolit.

    Augoustinos: Schönen guten Morgen!

    Spengler: Nach der Empörung in der muslimischen Welt im Anschluss an die Regensburger Vorlesung hat der Papst gestern gesagt, dass der Islam eine Religion des Friedens, der Toleranz und der Liebe sei. Stimmen Sie dieser Definition zu?

    Augoustinos: Ich habe selber sechs Jahre lang in der Türkei, in der Hochschule von Chalki studiert, zusammen mit dem Patriarchen Bartholomäus, und ich kann sagen, nicht alle, nicht alle Muslime sind so aggressiv, wie man sie oft hier darstellt, nicht alle. Aber der Dialog mit dem Islam ist eine innerislamische Angelegenheit. Es reicht ja nicht, dass man einen Dialog anbietet, sondern die andere Seite muss auch den Dialog wollen und ich vermute da liegt das größte Problem.

    Spengler: Aber der Besuch der Türkei durch den Papst und das Treffen mit dem Metropoliten dort richtet sich nicht gegen den Islam, was in der Türkei oft so gesehen wird?

    Augoustinos: Auf gar keinen Fall. Das war nie der Fall. Im Gegenteil! Innerhalb des Patriarchates gibt es Kommissionen, die sich ständig mit dem Islam beschäftigen und den Dialog suchen seit Jahrzehnten. Nein, das nicht. Der Besuch hat zu tun mit der orthodoxen Weltkirche.

    Spengler: "Die Türkei als Treffpunkt der Religionen und Kulturen" hat der Papst gesagt.

    Augoustinos: Das stimmt allerdings!

    Spengler: Ja. Haben denn die Christen dort in der Türkei eine Zukunft? Das Leben wurde ihnen ja in der Vergangenheit nicht gerade leicht gemacht?

    Augoustinos: Die Christen in der Türkei wollen ja wirklich, dass die Türkei in die EU eintritt, weil sie hoffen, dass dadurch ihr Leben dort erleichtert wird. Im Grunde ist man ja dort ein Nichts als Kirche, nicht existent praktisch. Ich habe das auch selber damals erlebt, als ich dort studierte. Deshalb eben dieser Wunsch in der Hoffnung, dass sich etwas ändert. Bis heute hat sich nichts geändert!

    Spengler: Haben Sie die Hoffnung, dass der Besuch des Papstes etwas ändern könnte?

    Augoustinos: Das kann sein, weil die Türken, die Türkei selber hat ja ein Interesse, dass sich dort etwas ändert. Ich weiß allerdings: es ist nicht so einfach. Das sind wenigstens meine Erfahrungen dort.

    Spengler: Wenn sich der Papst und Patriarch Bartholomäus treffen, worin besteht die Bedeutung dieses Treffens?

    Augoustinos: Die Bedeutung ist: Das ist der dritte Papst, der den ökumenischen Patriarchen besucht und man will natürlich, dass die Beziehungen vertieft werden. Man wird sicherlich über den Weltdialog sprechen zwischen der Orthodoxie und dem Katholizismus. Man will auch eine Klimaveränderung. Es gab ja eine Eiszeit in diesem Dialog wegen der Unierten-Frage, das heißt der Frage mit den unierten Kirchen. Ich hoffe, dass das gelingen wird. Der Patriarch ist durch und durch ein ökumenischer Christ, der Papst auch. Ich kenne ihn sehr gut, weil ich ihn in Münster als Lehrer gehabt habe. Er will die Ökumene, er will die Ökumene mit den orthodoxen Kirchen. Er ist ein Kenner der orthodoxen Kirche und Theologie und ich würde auch sagen ein Bewunderer der orthodoxen Spiritualität und ich hoffe, dass was Gutes dort rauskommt.

    Spengler: Kann die katholische Kirche von der Spiritualität der orthodoxen Kirche lernen?

    Augoustinos: Wir können alle lernen voneinander, nicht bloß die katholische Kirche, wir auch von der katholischen Kirche und auch von der evangelischen Kirche, denn wir dürfen in der Ökumene niemanden ausgrenzen. Wir müssen alle zusammen die Probleme Europas lösen und dazu können die Kirchen eine ganze Menge beitragen.

    Spengler: Ist denn das Gespräch zwischen dem Papst und dem Patriarchen ein Gespräch unter gleichen?

    Augoustinos: Der Papst ist in einer besseren Position, weil er ja als Papst ganz anders dasteht als der ökumenische Patriarch. Der ökumenische Patriarch hat ein Ehrenprimat. Er kann also den anderen orthodoxen und selbständigen Kirchen nichts vorschreiben. Er kann allerdings koordinieren. Er kann ein Konzil einberufen. Er kann vieles tun, aber nicht so wie der Papst.

    Spengler: Und der Papst vertritt weitaus mehr Gläubige?

    Augoustinos: Ja, das ist so. Wissen Sie wenn wir von Kirchen sprechen, dann ist die Zahl der Gläubigen nicht das Problem, sondern wenn Sie so wollen die Wahrheit was ist Kirche. Das Problem ist ja genau das: was ist eigentlich Kirche und was ist Kirche heute im Jahre 2006. Das ist die Frage und nicht die Zahl der Gläubigen.

    Spengler: Haben Sie eine kurze Antwort auf diese Frage? Was ist Kirche heute?

    Augoustinos: Das ist etwas, was man im Dialog klären muss. Das ist auch das Problem mit den evangelischen Christen. Das muss aber nicht heißen, dass wir nachlassen im Dialog, sondern wir müssen den Dialog vertiefen, und zwar alle zusammen, damit wir sehen was daraus wird. Es ist nämlich ein Skandal, dass wir bis heute getrennt leben, Katholiken, Protestanten und orthodoxe Christen.

    Spengler: Ist dies das Ziel des Dialogs, irgendwann einmal wieder die eine christliche Kirche zu haben?

    Augoustinos: Das ist das Ziel, das ist das Ziel und ich muss Ihnen sagen, wir können natürlich die Einheit nicht machen, so wie die Welt oft denkt, so wie die NATO zum Beispiel etwas tut oder die UNO. Das geht so nicht.

    Spengler: Warum nicht?

    Augoustinos: Wir können aber alles Menschliche tun, damit wir wenigstens als Menschen sagen können, wir haben nichts ausgelassen, wir haben alles versucht.

    Spengler: Warum geht es nicht so einfach wie bei der UNO oder der NATO?

    Augoustinos: Es geht um Glaubensfragen. Es geht um Grundsatzfragen. Es ist nicht, um etwas zu organisieren. Wissen Sie die Einheit ist nicht so zu organisieren, wie man etwas anderes organisiert, wie man zum Beispiel im diakonischen Werk oder in der Caritas einen Kindergarten oder eine Schule einfach organisiert. So läuft es nicht, was den Glauben angeht, sondern das sind Erfahrungen. Ein Dialog muss theologisch sein, muss kirchlich sein, damit er auch verbindlich wird. Man kann also nicht bla bla bla sagen, sondern man muss Dinge klären und dann erst versuchen zusammenzukommen.

    Spengler: Aber es geht sicher nicht auch nur um Glaubensfragen, sondern sicher auch um Einfluss, um Macht und Geld oder?

    Augoustinos: Die Macht hat der Kirche niemals geholfen. Denken Sie doch zurück. Die Macht hat der Kirche immer geschadet und deshalb sollte man sie ausschließen aus dem Dialog. Die Machtfrage sollte nicht die Rolle spielen, ich bin der Stärkere, ich habe alles Mögliche und du hast einfach zu gehorchen und zu mir zu kommen. Das ist vorbei, das wird niemals helfen.

    Spengler: Das war der Metropolit Augoustinos von Deutschland. Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Metropolit.

    Augoustinos: Ich danke Ihnen auch.