Dirk Müller: Karl D. ist immer noch ein nachweislich gefährlicher Sexualverbrecher, wohnt in Heinsberg nahe Aachen in Nordrhein-Westfalen und bleibt in Freiheit. Das hatte der Bundesgerichtshof vergangene Woche in Karlsruhe entschieden. Eine nachträgliche Sicherungsverwahrung kommt demnach nicht in Frage. Ein äußerst umstrittenes Urteil. Die Reaktionen reichen von Kopfschütteln über Verärgerung bis hin zu Empörung. Viele Familien in Heinsberg leben weiterhin in ständiger Angst, obwohl der Täter rund um die Uhr von Polizisten bewacht wird, was wiederum zehntausende Euro kostet. So werden die Rufe nach einer Gesetzesreform immer lauter. Dabei hatte vor wenigen Wochen der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg die Vorlage für das jetzige Urteil aus Karlsruhe geliefert. Auch die Straßburger Richter hielten eine nachträgliche Sicherungsverwahrung für rechtswidrig. Was kann die deutsche Politik tun? Darüber sprechen wollen wir nun mit dem bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Guten Morgen!
Joachim Herrmann: Guten Morgen!
Müller: Herr Herrmann, hat Sie das Urteil geärgert?
Herrmann: Ja, selbstverständlich, denn das ist unerträglich für die betroffenen Menschen. Wenn wir jemand haben, der schon solch grässliche Taten begangen hat, und wenn die Psychiater bestätigen, es besteht eine sehr hohe Gefahr, dass er so etwas wieder tut, dann ist es einfach unzumutbar für unsere Mitbürger, dass so jemand weiter frei herumläuft und Frauen, Kinder Angst haben müssen, dass sie schon morgen auch Opfer dieses Mannes werden könnten.
Müller: Hätten die Richter anders urteilen können?
Herrmann: Es ist eine schwierige Frage der Interpretation dieses Gesetzes. Ich meine, man kann das Gesetz so interpretieren, dass man Karl D. auch in Sicherungsverwahrung nehmen könnte. Aber wir müssen nun mal zur Kenntnis nehmen, was der Bundesgerichtshof entschieden hat. Das ist dann eine Gesetzeslücke und dann muss eben jetzt Bundestag und Bundesrat ganz schnell das Strafgesetzbuch ändern.
Müller: Aus Ihrer Sicht, Herr Herrmann, ist der Rechtsstaat im Moment in dieser Frage dann offenbar ohnmächtig?
Herrmann: Nein, ohnmächtig nicht. Wir haben von Seiten Bayerns schon seit drei Jahren immer wieder eine Änderung des Strafgesetzbuches angemahnt, weil sich aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes abgezeichnet hat - ich halte das zwar für Spitzfindigkeiten, aber immerhin: der BGH ist der BGH, wir müssen das respektieren -, das sind Gesetzeslücken, und dann ist es die verdammte Pflicht und Schuldigkeit des Parlaments, diese Gesetzeslücken zu schließen.
Müller: Kommt das recht spät?
Herrmann: Bislang war leider die frühere Bundesjustizministerin Zypries überhaupt nicht bereit, an dieses Thema ranzugehen. Das ist ganz klar die Schuld der früheren Bundesregierung, der früheren Bundesjustizministerin. Mit der SPD war das nicht zu machen. Ich hoffe, dass das jetzt mit Frau Leutheusser-Schnarrenberger und der neuen Koalition in Berlin besser läuft. Wir müssen diese Gesetzeslücken dringend schließen.
Müller: Und das passiert mit einem liberalen Koalitionspartner?
Herrmann: Ich hoffe sehr darauf. Wir haben uns in der Koalitionsvereinbarung im Oktober darauf verständigt. Ich habe darauf selbst in den Koalitionsverhandlungen in Berlin nachdrücklich gedrungen. Es ist im Koalitionsvertrag festgelegt, dass das Recht der Sicherungsverwahrung überprüft und entsprechend Änderungen vorgenommen werden. Jetzt erwarte ich dringend von der Bundesregierung einen entsprechenden Gesetzentwurf.
Müller: Wir wollen, Herr Herrmann, ja nicht in ein juristisches Seminar einsteigen, aber wenn ich das richtig verstanden habe, wird ja vom Rechtsverständnis her - und die Richter haben das ja auch so ausgelegt - die Sicherungsverwahrung als Maßregel begriffen und keine Strafe. Ist das das Problem?
Herrmann: Das ist ganz klar. Es geht ja nicht darum, dass jemand hier weiter bestraft wird, sondern es geht in dem Fall wirklich um die Sicherung der Menschen. Jemand hat bereits solche Taten begangen und es besteht die große Gefahr, dass er sie wieder tut, und da geht es bei einigen ganz wenigen ganz besonders dramatischen Straftaten darum, dass das den Menschen nicht zumutbar ist. Wenn jemand schon dreimal einen Ladendiebstahl begangen hat, dann hoffen wir, dass er das irgendwann begreift. Wenn er es trotzdem nach Verbüßung seiner Strafe ein viertes oder fünftes Mal tut, ist das bedauerlich für den Ladeninhaber, aber irgendwo ist für die Gesamtgesellschaft das Risiko noch hinnehmbar. Aber wenn jemand schon mal ein kleines Mädchen missbraucht hat oder eine Frau vergewaltigt hat und die Psychiater sagen, er wird das aufgrund seiner Veranlagung mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder tun, dann ist es einfach der Menschheit unzumutbar zu sagen, jetzt lassen wir es mal darauf ankommen, ob der das wieder tut, und wenn ja, dann haben die Opfer eben Pech gehabt. Das kann nicht sein! Dieser Rechtsstaat hat da eine besondere Verantwortung, nicht nur gegenüber den Tätern, wie das hier dauernd vom Gerichtshof, auch von dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte dargelegt wird. Wir haben eine Schutzpflicht gegenüber dem Normalbürger, gegenüber den potenziellen Opfern. Das gehört auch zur Schutzpflicht des Grundgesetzes und das gehört auch zu den Menschenrechten dieser Opfer, und dem müssen wir uns verpflichtet fühlen und entsprechend muss unsere Gesetzgebung auch aussehen.
Müller: Aber die Richter, Herr Herrmann, haben ja so argumentiert, eine Sicherungsverwahrung, eine Sicherung geht nur, wenn während des Strafvollzugs eine neue psychische Erkrankung auftritt, das heißt wenn neue Erkenntnisse über den Täter vorliegen, denn jetzt in diesem Fall Karl D hat er ja seine Strafe für das, was er getan hat, abgesessen.
Herrmann: Das ist richtig. Er hat seine Strafe abgesessen. Aber das Spitzfindige an der Urteilsfindung jetzt ist: wir können nachträglich eine Sicherungsverwahrung anordnen, wenn es neue Erkenntnisse gibt. Und wenn jetzt in diesem Fall zwar bei dem ursprünglichen Urteil seine Gefährlichkeit nicht erkannt worden ist und deshalb eine Sicherungsverwahrung nicht angeordnet worden ist und nachträglich nun sich dieses herausstellt, jetzt aber ein Richter sagt, bei richtiger Betrachtung hätte man es damals schon erkennen können, und darum ist das jetzt keine neue Tatsache, dann ist das eben, ich sage, eine Spitzfindigkeit, wir müssen es zur Kenntnis nehmen und dann muss das Gesetz aber entsprechend geändert werden und dann muss ganz einfach es auch möglich sein, dass wenn ein Gericht nachträglich zu dieser Erkenntnis kommt auch Sicherungsverwahrung angeordnet werden muss. Meine Meinung ist ganz einfach - und die ist rechtsstaatlich sehr wohl vertretbar -, dass ein deutsches Gericht in jedem Stadium des Verfahrens, wenn es feststellt mit psychiatrischer Begutachtung, da ist ein hohes Risiko da, dass jemand so etwas wieder tut, dann muss ein Gericht in jedem Stadium des Verfahrens auch die Sicherungsverwahrung anordnen können.
Müller: Kann, Herr Herrmann, in einem modernen Rechtsstaat ein perspektivloses, wenn ich das so formulieren darf, langes Einsperren die Lösung sein?
Hermann: Das ist nicht perspektivlos, sondern selbstverständlich wird diese Sicherungsverwahrung auch immer wieder von Richtern überprüft und wenn jemand beispielsweise sich durch psychiatrische Behandlung verändert hat und wenn von jemandem ein solches Risiko nicht mehr ausgeht, dann kann er zu einem späteren Zeitpunkt vom Gericht auch wieder frei gelassen werden. Aber solange dieses hohe Risiko für Leib und Leben anderer Menschen besteht, muss auch die Möglichkeit einer solchen Sicherungsverwahrung da sein. Das ist übrigens in anderen Ländern Europas und der Welt natürlich mit entsprechend beispielsweise psychiatrischer Unterbringung auch möglich. Wir haben dieses besondere Problem nur bei Leuten, die eigentlich nicht im engeren Sinn psychisch krank sind, aber die trotzdem eine solche Veranlagung haben, so etwas wieder zu machen. Wenn einer ganz klar psychisch krank ist und entsprechend in einem psychiatrischen Krankenhaus auch zwangsweise untergebracht werden muss, ist das sowieso möglich und das wird auch von keinem Gerichtshof in Zweifel gestellt. Es geht um diese besonderen Fälle, wo jemand eine solche Veranlagung hat, ohne dass die Ärzte sagen, es ist wirklich eine Krankheit. Auch das vielleicht für den einen oder anderen Mitbürger eine Spitzfindigkeit. Ich sage nur, wir haben eine Schutzpflicht gegenüber den normalen Bürgern in unserem Land und dem müssen wir mit entsprechenden Gesetzen auch nachkommen.
Müller: Haben Sie in dieser Auseinandersetzung - es hat ja jetzt viel gegeben auch an Kommentaren, an Analysen; auch die Experten haben sich dazu geäußert -, Herr Herrmann, das Gefühl, dass wir wieder diese Täter-Opfer-Diskussion haben und die läuft wieder zu Gunsten des Täters?
Hermann: Ja, ganz klar. Das verstehen die allermeisten Bürgerinnen und Bürger in unserem Land überhaupt nicht und ich kann es so auch nicht verstehen, wie ein Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte sich nur mit der Frage der Menschenrechte der Täter beschäftigt und die Frage der Menschenrechte der potenziellen Opfer letztendlich in diesem Urteil völlig ausgeblendet bleibt. Das kann ich in der Tat nicht nachvollziehen. Deshalb ist es auch wichtig, dass die Bundesregierung Rechtsmittel einlegt gegen dieses Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Da ist die Entscheidung einer größeren Kammer noch möglich. Die muss unbedingt herbeigeführt werden, weil dieses Urteil aus Straßburg wirklich nicht zumutbar ist.
Müller: Um das abschließend, Herr Herrmann, noch einmal auf den Punkt zu bringen. Wenn jemand gefährlich bleibt und als gefährlich eingestuft wird, dann muss er auch aus Ihrer Sicht im Gefängnis sitzen bleiben?
Herrmann: Ganz klar ja.
Müller: Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bei uns im Deutschlandfunk. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Herrmann: Ich danke Ihnen auch. Einen schönen Tag!
Joachim Herrmann: Guten Morgen!
Müller: Herr Herrmann, hat Sie das Urteil geärgert?
Herrmann: Ja, selbstverständlich, denn das ist unerträglich für die betroffenen Menschen. Wenn wir jemand haben, der schon solch grässliche Taten begangen hat, und wenn die Psychiater bestätigen, es besteht eine sehr hohe Gefahr, dass er so etwas wieder tut, dann ist es einfach unzumutbar für unsere Mitbürger, dass so jemand weiter frei herumläuft und Frauen, Kinder Angst haben müssen, dass sie schon morgen auch Opfer dieses Mannes werden könnten.
Müller: Hätten die Richter anders urteilen können?
Herrmann: Es ist eine schwierige Frage der Interpretation dieses Gesetzes. Ich meine, man kann das Gesetz so interpretieren, dass man Karl D. auch in Sicherungsverwahrung nehmen könnte. Aber wir müssen nun mal zur Kenntnis nehmen, was der Bundesgerichtshof entschieden hat. Das ist dann eine Gesetzeslücke und dann muss eben jetzt Bundestag und Bundesrat ganz schnell das Strafgesetzbuch ändern.
Müller: Aus Ihrer Sicht, Herr Herrmann, ist der Rechtsstaat im Moment in dieser Frage dann offenbar ohnmächtig?
Herrmann: Nein, ohnmächtig nicht. Wir haben von Seiten Bayerns schon seit drei Jahren immer wieder eine Änderung des Strafgesetzbuches angemahnt, weil sich aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes abgezeichnet hat - ich halte das zwar für Spitzfindigkeiten, aber immerhin: der BGH ist der BGH, wir müssen das respektieren -, das sind Gesetzeslücken, und dann ist es die verdammte Pflicht und Schuldigkeit des Parlaments, diese Gesetzeslücken zu schließen.
Müller: Kommt das recht spät?
Herrmann: Bislang war leider die frühere Bundesjustizministerin Zypries überhaupt nicht bereit, an dieses Thema ranzugehen. Das ist ganz klar die Schuld der früheren Bundesregierung, der früheren Bundesjustizministerin. Mit der SPD war das nicht zu machen. Ich hoffe, dass das jetzt mit Frau Leutheusser-Schnarrenberger und der neuen Koalition in Berlin besser läuft. Wir müssen diese Gesetzeslücken dringend schließen.
Müller: Und das passiert mit einem liberalen Koalitionspartner?
Herrmann: Ich hoffe sehr darauf. Wir haben uns in der Koalitionsvereinbarung im Oktober darauf verständigt. Ich habe darauf selbst in den Koalitionsverhandlungen in Berlin nachdrücklich gedrungen. Es ist im Koalitionsvertrag festgelegt, dass das Recht der Sicherungsverwahrung überprüft und entsprechend Änderungen vorgenommen werden. Jetzt erwarte ich dringend von der Bundesregierung einen entsprechenden Gesetzentwurf.
Müller: Wir wollen, Herr Herrmann, ja nicht in ein juristisches Seminar einsteigen, aber wenn ich das richtig verstanden habe, wird ja vom Rechtsverständnis her - und die Richter haben das ja auch so ausgelegt - die Sicherungsverwahrung als Maßregel begriffen und keine Strafe. Ist das das Problem?
Herrmann: Das ist ganz klar. Es geht ja nicht darum, dass jemand hier weiter bestraft wird, sondern es geht in dem Fall wirklich um die Sicherung der Menschen. Jemand hat bereits solche Taten begangen und es besteht die große Gefahr, dass er sie wieder tut, und da geht es bei einigen ganz wenigen ganz besonders dramatischen Straftaten darum, dass das den Menschen nicht zumutbar ist. Wenn jemand schon dreimal einen Ladendiebstahl begangen hat, dann hoffen wir, dass er das irgendwann begreift. Wenn er es trotzdem nach Verbüßung seiner Strafe ein viertes oder fünftes Mal tut, ist das bedauerlich für den Ladeninhaber, aber irgendwo ist für die Gesamtgesellschaft das Risiko noch hinnehmbar. Aber wenn jemand schon mal ein kleines Mädchen missbraucht hat oder eine Frau vergewaltigt hat und die Psychiater sagen, er wird das aufgrund seiner Veranlagung mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder tun, dann ist es einfach der Menschheit unzumutbar zu sagen, jetzt lassen wir es mal darauf ankommen, ob der das wieder tut, und wenn ja, dann haben die Opfer eben Pech gehabt. Das kann nicht sein! Dieser Rechtsstaat hat da eine besondere Verantwortung, nicht nur gegenüber den Tätern, wie das hier dauernd vom Gerichtshof, auch von dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte dargelegt wird. Wir haben eine Schutzpflicht gegenüber dem Normalbürger, gegenüber den potenziellen Opfern. Das gehört auch zur Schutzpflicht des Grundgesetzes und das gehört auch zu den Menschenrechten dieser Opfer, und dem müssen wir uns verpflichtet fühlen und entsprechend muss unsere Gesetzgebung auch aussehen.
Müller: Aber die Richter, Herr Herrmann, haben ja so argumentiert, eine Sicherungsverwahrung, eine Sicherung geht nur, wenn während des Strafvollzugs eine neue psychische Erkrankung auftritt, das heißt wenn neue Erkenntnisse über den Täter vorliegen, denn jetzt in diesem Fall Karl D hat er ja seine Strafe für das, was er getan hat, abgesessen.
Herrmann: Das ist richtig. Er hat seine Strafe abgesessen. Aber das Spitzfindige an der Urteilsfindung jetzt ist: wir können nachträglich eine Sicherungsverwahrung anordnen, wenn es neue Erkenntnisse gibt. Und wenn jetzt in diesem Fall zwar bei dem ursprünglichen Urteil seine Gefährlichkeit nicht erkannt worden ist und deshalb eine Sicherungsverwahrung nicht angeordnet worden ist und nachträglich nun sich dieses herausstellt, jetzt aber ein Richter sagt, bei richtiger Betrachtung hätte man es damals schon erkennen können, und darum ist das jetzt keine neue Tatsache, dann ist das eben, ich sage, eine Spitzfindigkeit, wir müssen es zur Kenntnis nehmen und dann muss das Gesetz aber entsprechend geändert werden und dann muss ganz einfach es auch möglich sein, dass wenn ein Gericht nachträglich zu dieser Erkenntnis kommt auch Sicherungsverwahrung angeordnet werden muss. Meine Meinung ist ganz einfach - und die ist rechtsstaatlich sehr wohl vertretbar -, dass ein deutsches Gericht in jedem Stadium des Verfahrens, wenn es feststellt mit psychiatrischer Begutachtung, da ist ein hohes Risiko da, dass jemand so etwas wieder tut, dann muss ein Gericht in jedem Stadium des Verfahrens auch die Sicherungsverwahrung anordnen können.
Müller: Kann, Herr Herrmann, in einem modernen Rechtsstaat ein perspektivloses, wenn ich das so formulieren darf, langes Einsperren die Lösung sein?
Hermann: Das ist nicht perspektivlos, sondern selbstverständlich wird diese Sicherungsverwahrung auch immer wieder von Richtern überprüft und wenn jemand beispielsweise sich durch psychiatrische Behandlung verändert hat und wenn von jemandem ein solches Risiko nicht mehr ausgeht, dann kann er zu einem späteren Zeitpunkt vom Gericht auch wieder frei gelassen werden. Aber solange dieses hohe Risiko für Leib und Leben anderer Menschen besteht, muss auch die Möglichkeit einer solchen Sicherungsverwahrung da sein. Das ist übrigens in anderen Ländern Europas und der Welt natürlich mit entsprechend beispielsweise psychiatrischer Unterbringung auch möglich. Wir haben dieses besondere Problem nur bei Leuten, die eigentlich nicht im engeren Sinn psychisch krank sind, aber die trotzdem eine solche Veranlagung haben, so etwas wieder zu machen. Wenn einer ganz klar psychisch krank ist und entsprechend in einem psychiatrischen Krankenhaus auch zwangsweise untergebracht werden muss, ist das sowieso möglich und das wird auch von keinem Gerichtshof in Zweifel gestellt. Es geht um diese besonderen Fälle, wo jemand eine solche Veranlagung hat, ohne dass die Ärzte sagen, es ist wirklich eine Krankheit. Auch das vielleicht für den einen oder anderen Mitbürger eine Spitzfindigkeit. Ich sage nur, wir haben eine Schutzpflicht gegenüber den normalen Bürgern in unserem Land und dem müssen wir mit entsprechenden Gesetzen auch nachkommen.
Müller: Haben Sie in dieser Auseinandersetzung - es hat ja jetzt viel gegeben auch an Kommentaren, an Analysen; auch die Experten haben sich dazu geäußert -, Herr Herrmann, das Gefühl, dass wir wieder diese Täter-Opfer-Diskussion haben und die läuft wieder zu Gunsten des Täters?
Hermann: Ja, ganz klar. Das verstehen die allermeisten Bürgerinnen und Bürger in unserem Land überhaupt nicht und ich kann es so auch nicht verstehen, wie ein Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte sich nur mit der Frage der Menschenrechte der Täter beschäftigt und die Frage der Menschenrechte der potenziellen Opfer letztendlich in diesem Urteil völlig ausgeblendet bleibt. Das kann ich in der Tat nicht nachvollziehen. Deshalb ist es auch wichtig, dass die Bundesregierung Rechtsmittel einlegt gegen dieses Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Da ist die Entscheidung einer größeren Kammer noch möglich. Die muss unbedingt herbeigeführt werden, weil dieses Urteil aus Straßburg wirklich nicht zumutbar ist.
Müller: Um das abschließend, Herr Herrmann, noch einmal auf den Punkt zu bringen. Wenn jemand gefährlich bleibt und als gefährlich eingestuft wird, dann muss er auch aus Ihrer Sicht im Gefängnis sitzen bleiben?
Herrmann: Ganz klar ja.
Müller: Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bei uns im Deutschlandfunk. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Herrmann: Ich danke Ihnen auch. Einen schönen Tag!