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"Es ist etwas Ungewöhnliches, Äußerungen dieser Art zu hören"

"Sein Grundrecht auf Redefreiheit kann natürlich nicht eingeschränkt werden", kommentiert Christoph Schalast, Professor an der Frankfurt School of Finance & Management, die vermeintlich ausländerfeindlichen Äußerungen des Bundesbank-Vorstandes Thilo Sarrazin. An einen Imageschaden für die Bank glaubt er nicht - und erklärt potenzielle Reaktionsmuster der Bank.

Christoph Schalast im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Politikerinnen und Politiker reden sich ab und an in Interviews um Kopf und Kragen und müssen dann Konsequenzen ziehen. In der vornehmen Welt der Banken sind solche Interviews aber eher selten. Thilo Sarrazin, früher Finanzsenator von Berlin (SPD) und Mitglied im Vorstand der Bundesbank, soll jetzt für ein solches Interview büßen. Sarrazin hatte sich vermeintlich ausländerfeindlich geäußert. Andere verteidigen ihn, er habe doch nur die Integrationsprobleme auf den Punkt gebracht. Eine Mehrheit der Deutschen gibt Sarrazin laut einer Umfrage sogar Recht. Hier einige Hörerstimmen aus unserer "Kontrovers"-Sendung von gestern:

    "Ich finde, es ist doch gut, wenn mal ein Prominenter das Thema aufgreift und diese Diskussion in die Öffentlichkeit bringt. Man sollte ihn doch nicht versuchen, auf diese Art und Weise mundtot zu machen."

    "Wie er spricht über ein Problem, das sicherlich vorhanden ist, und über Menschen, in einer verletzenden Art und Weise, das kann man so nicht machen."

    "Herr Sarrazin hat sich mal wieder als Person des öffentlichen Lebens disqualifiziert und er redet in einem unerträglichen zynischen Stil, in einem Stil, der mich an Josef Göbbels erinnert."

    Meurer: Stimmen unserer Hörer zum Fall Thilo Sarrazin. - Christoph Schalast ist Professor an der Frankfurt School of Finance & Management. Mit ihm bin ich jetzt verbunden. Guten Morgen, Herr Schalast.

    Christoph Schalast: Guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: War das Interview von Thilo Sarrazin wirklich Grund genug, um ihn heute abzustrafen?

    Schalast: Na ja, es ist etwas Ungewöhnliches, Äußerungen dieser Art von einem Bundesbankvorstand zu hören, und insoweit ist die öffentliche Diskussion natürlich nachvollziehbar. Ich glaube, Herr Sarrazin hat genau diese Art von öffentlicher Debatte provozieren wollen, die jetzt begonnen hat.

    Meurer: Wie sehr hat Sarrazin mit seinem Interview tatsächlich der Reputation der Bundesbank geschadet?

    Schalast: Das ist ganz schwer einzuschätzen, weil so weit ich mich erinnern kann Äußerungen, die derartig politisch sind, bisher von einem Bundesbankvorstand noch nicht in die Öffentlichkeit getragen wurden. Hinzu kommt ja, dass es Äußerungen sind, die mit der eigentlichen Tätigkeit wenig zu tun haben.

    Meurer: Wird denn diese Äußerung wirklich der Bundesbank zugeschrieben?

    Schalast: Das kann ich mir nicht vorstellen, weil jeder weiß, was für eine, sage ich mal, Geschichte Herr Sarrazin mit solchen Äußerungen hat, und er hat sie nicht geäußert als Bundesbankvorstand. Insoweit kann ich mir das überhaupt nicht vorstellen.

    Meurer: Stellt sich die Frage, ob der Präsident der Bundesbank, Axel Weber, dann vielleicht besser den Mantel des Schweigens über das Interview hüllen sollte, denn so redet jetzt die halbe Welt über Interna der Bundesbank.

    Schalast: Ich denke, er wird da beraten sein, wie er darauf reagiert, und wird sich entsprechend verhalten. Ich glaube, es ist halt auch sehr schwer einzuschätzen, ob man so etwas einfach totschweigt, oder aber darauf reagiert.

    Meurer: Wie sehr hat ein Mitglied der Bundesbank, Herr Schalast, das Recht, seine persönliche Meinung zu gesellschaftspolitischen Themen zu äußern?

    Schalast: Das ist natürlich eine ganz schwierige, sage ich, auch vor allem rechtliche Frage, weil der Vorstand der Bundesbank steht eben in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis. Er ist ähnlich gebunden wie ein Beamter. Das heißt also, sein Grundrecht auf Redefreiheit kann natürlich nicht eingeschränkt werden, aber er muss sich die Mäßigung auferlegen, die durch sein Amt bedingt ist, und insoweit könnte man schon diskutieren, ob eine solche Äußerung zu vereinbaren ist mit seinen Aufgabenfüllungen.

    Meurer: Nun weiß man ja, dass der Präsident der Bundesbank, Weber, Sarrazin am liebsten entlassen wollte, aber dazu hat er nicht die Befugnis. Das darf nur der Bundespräsident. Das ganze hängt mit der Unabhängigkeit der Bundesbank zusammen. Ist eine solche Regelung, dass der Vorstandschef nicht so sehr über die Vorstandsmitglieder verfügen darf, noch zeitgemäß?

    Schalast: Na ja, die Bundesbank ist ja keine normale Bank. Sie ist eine Bank, die eben auch politisch ist. Es gibt ein eigenes Bundesbankgesetz und in dem ist genau festgelegt, wer das Recht hat, einen Vorstand vorzuschlagen. Insoweit ist es eigentlich gar nicht möglich, dass der Präsident der Bundesbank Vorstandmitglieder entlassen kann. Das ist nebenbei auch bei einer normalen Aktiengesellschaft nicht möglich, dass der Vorstandsvorsitzende seine Mitvorstände entlassen kann. Das muss der Aufsichtsrat tun.

    Meurer: Wie viel Einfluss kann normalerweise ein Vorstandsvorsitzender auf die Zusammensetzung seines Vorstands in einer Bank nehmen?

    Schalast: Dieser Einfluss des Vorstandsvorsitzenden hängt ab von seiner Stellung natürlich in der Bank, aber der Vorstand einer Bank wird immer noch bestellt vom Aufsichtsrat, wenn die Bank eine Aktiengesellschaft ist, und er ist verantwortlich vor allem eben der Hauptversammlung. Das ist das deutsche System. Wir haben hier eben keine normale Bank, sondern eine Bank, die Aufgaben übernimmt, öffentlich-rechtliche Aufgaben, die Geldpolitik vor allem, die Aufgaben im Rahmen der Europäischen Zentralbank, und da ist es ganz klar, dass es eben eine politische Funktion ist und dass politische Parteien, in dem Fall vor allem die Bundesregierung, sozusagen die Bundesländer, der Bundesrat, das Recht zum Vorschlag haben. Das ist ja auch bei den Bundesrichtern so. Keiner käme auf die Idee, dass ein Senatsvorsitzender im Bundesgerichtshof seine Mitrichter entlassen könnte.

    Meurer: Wer hat denn das Vorschlagsrecht für den Vorstand der Bundesbank, jedes Bundesland, oder wie ist das geregelt?

    Schalast: Nein, das ist nicht so geregelt. Der Bundesrat hat dieses Vorschlagsrecht für eine bestimmte Anzahl von Mitgliedern und der Bundesrat stimmt sich intern ab. In dem Falle war es eben ein Vorschlag der Bundesländer Berlin und Brandenburg und der wird gemäß einer ja schon Jahrzehnte alten Regel dann auch umgesetzt.

    Meurer: Angeblich wollte Weber von Beginn an Sarrazin gar nicht im Vorstand haben. Haben Sie eine Erklärung, was er von Anfang an gegen den Ex-Berliner Finanzsenator einzuwenden hatte?

    Schalast: Das, glaube ich, ist reine Spekulation. Vielleicht war er ihm einfach von seiner, sage ich mal, Vergangenheit her zu wenig Banker, zu sehr politisch. Aber auf der anderen Seite gab es das immer wieder bei der Bundesbank.

    Meurer: Gibt es bedingt durch das Auswahlverfahren und durch das Vorschlagsrecht des Bundesrates möglicherweise zu wenig Bankenkompetenz im Vorstand der Bundesbank?

    Schalast: Na ja, man muss ja sehen, dass die Aufgaben der Bundesbank nicht die Aufgaben einer klassischen Geschäftsbank sind. Das sind ja sehr viele auch, sage ich mal, währungspolitische, geldpolitische Aufgaben, die im Rahmen der Bundesbank und natürlich vor allem auch im Zusammenhang mit der Europäischen Zentralbank wahrgenommen werden, und da ist natürlich schon die Frage, was für eine Art von Profil ein solcher Bundesbankvorstand braucht. Wir hatten ja in der Vergangenheit - ich kann mich nicht daran erinnern - noch niemals eine Diskussion über fehlende Kompetenz an Bundesbankvorständen und bei Herrn Sarrazin wird ja auch nicht seine Fachkompetenz angezweifelt.

    Meurer: Angeblich will Weber mehr Leute haben mit internationaler Erfahrung, mit internationaler Bankenerfahrung im Vorstand.

    Schalast: Gut, das ist eine legitime Diskussion. Das muss er herantragen an diejenigen Organe, Bundesregierung und Bundesrat, die das Vorschlagsrecht haben, oder aber er muss für eine Mehrheit werben, dass das Bundesbankgesetz geändert wird.

    Meurer: Die ganze Situation, wie wir sie jetzt haben, Herr Schalast, schadet sie der Reputation der Bundesbank, die ganze Affäre jetzt?

    Schalast: Nein, das glaube ich ganz sicher nicht. Die Bundesbank hat darüber eine öffentliche Diskussion angestoßen. Das ist legitim. Sie hat es nicht totgeschwiegen. Darüber hatten wir ja anfangs gesprochen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bundesbank in irgendeiner Weise jetzt in ihrer Reputation beschädigt wird. Die ist, wie ich denke, auch zurecht in der Bevölkerung so hoch. Das kann ich mir einfach nicht vorstellen.

    Meurer: Christoph Schalast, Professor an der Frankfurt School of Finance & Management, zum Fall Thilo Sarrazin. Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Schalast. Danke und auf Wiederhören.

    Schalast: Sehr gerne. Tschüß!