Monika Seynsche: Vor anderthalb Jahren geisterte eine Sensationsmeldung um die Welt: Das Wissenschaftsmagazin "Science" und die Weltraumbehörde NASA stellten ein Bakterium vor, dass Arsen frisst, anstatt - anders als jedes andere Lebewesen - Phosphor zu verwerten. Allerdings gab es von Anfang an Zweifel anderer Forscher. Und heute nun melden sich im Wissenschaftsmagazin "Science" zwei Forschergruppen zu Wort, die sagen, dieses Bakterium frisst überhaupt gar kein Arsen. Dagmar Röhrlich hat die ganze Sache für uns verfolgt. Frau Röhrlich, gehen wir mal einen Schritt zurück: Warum war diese Meldung damals so sensationell?
Dagmar Röhrlich: Am 2. Dezember 2010 hat es diese berühmt gewordene NASA-Pressekonferenz gegeben, wo verkündet worden ist, dass im kalifornischen Mono Lake dieses Bakterium lebt, das das Stoffwechselgift Arsen anstelle von Phosphor als Lebensbaustein nutzt. Sogar in die DNA sollte es es einbauen können. Da hätten alle Chemiebücher, alle Biologiebücher umgeschrieben werden müssen. Denn das gilt als unmöglich. Weil diese arsenhaltigen Verbindungen in einem Körper eigentlich nicht stabil sein sollten - da das Arsen wasserlöslicher ist. Und das Leben nach Art der Erde wäre auf den Kopf gestellt worden, wie man gedacht hat, dass es ist. Ja, und jetzt halt es halt diese beiden Veröffentlichungen gegeben, nach einigen anderen Kritiken, die schon vorher veröffentlicht worden sind. Es sind Wissenschaftler der ETH Zürich, von Princeton, und der University of British Columbia in Vancouver. Zwei unabhängige Gruppen, die unabhängig voneinander das Ganze angeschaut haben und die jetzt sagen, dieser Bakterienstamm, der GFAJ-1 heißt, ist ein ganz normales Lebewesen, wirklich klassisch nach Art der Erde.
Seynsche: Was haben denn die beiden Forschergruppen jetzt genau gemacht?
Röhrlich: Es wurden verschiedene Experimente durchgeführt. Unter anderem ist eingewandt worden, dass die Nährlösung, die in dem Original-Experiment verwendet worden ist, noch Reste von Phosphaten enthalten hat. Und wenn man die Nährlösung weiter reinigt, dann wächst auch dieses Bakterium nicht mehr, sprich: Diese Behauptung, es wächst, obwohl nur noch Arsen da ist und kein Phosphor mehr, stimmt einfach nicht. Wenn kein Phosphor mehr da ist, wächst auch dieses Bakterium nicht mehr. Man hat auch festgestellt, dass ein Zuckermolekül, das arsenhaltig ist, und von dem die Forscher behauptet hatten, das ist durch den Stoffwechsel des Bakteriums entstanden, ... dass das zwar in dem Bakterium tatsächlich existiert, aber rein chemisch entsteht - einfach durch chemische Reaktion, ohne dass der Stoffwechsel des Bakteriums da irgendwie eingreift. Und diese spontan entstehenden Verbindungen waren auch der Grund, warum man gesagt hat, dass dieses Bakterium Arsen in seine Erbsubstanz DNA einbauen kann. Und das hat sich dann, als man die DNA genau angeschaut hat, auch als falsch herausgestellt. Sprich: Dieses Bakterium hat einen ganz normalen Stoffwechsel. Es braucht Phosphate. Ohne Phosphate geht's halt nicht. Es kann nur ungeheuer gut mit Arsen umgehen.
Seynsche: Das heißt, dieses Bakterium ist komplett von dieser Welt, hat nichts Außerirdisches?
Röhrlich: Es ist komplett von dieser Welt, ist aber schon etwas Besonderes, weil es so ungeheuer effizient darin ist, zum einen Arsen aus dem Körper rauszuhalten und zum anderen: Wenn es Arsen reinbekommt, das wieder rauszuschaffen. Und das wird jetzt wohl auch erforscht werden, wie es das macht. Denn das ist schon etwas Besonderes.
Seynsche: Wenn Sie das erzählten, klingt das so, als ob bei der Originalveröffentlichung, bei den Laborarbeiten ziemlich geschlampt worden sein muss.
Röhrlich: Man hat zumindest nicht sorgfältig genug gearbeitet. Carl Sagan, der Astronom, hat ja mal gesagt, wer große Behauptungen aufstellt, muss auch sehr genaue Nachweise liefern. Und das ist hier nicht passiert. Das Ganze lehrt, dass es immer sehr gefährlich ist, wenn man mit vorgefassten Meinungen an etwas herangeht. Die treibende Forscherin war schon immer davon überzeugt, dass Arsen ein Lebensbaustein sein kann, der Phosphor ersetzen kann, und hat halt geforscht und ist dann in diese Richtung immer weiter reingedriftet. Und für die NASA, die das Ganze dann so große gepusht hat, war das natürlich auch ein gefundenes Fressen. Das hätte ja bedeutet, dass Leben auf anderen Planeten oder Monden völlig anders aussehen könnte als auf der Erde und dass man mit ganz anderen Lebensbausteinen arbeiten könnte. Die waren begeistert. Und so haben halt alle Mechanismen, die normalerweise greifen und solche Sachen vorher rausziehen, einfach versagt.
Seynsche: Heißt das, die Wissenschaft hat in diesem Fall versagt?
Röhrlich: Dass es veröffentlicht worden ist, ist schon eigentlich ein nicht so gutes Zeichen. "Science" ist eine Zeitschrift, die vorher Gutachter anschauen lässt, ist das jetzt wert, dass es veröffentlicht wird oder nicht, oder sind da Fehler drin? Und dieser Teil des Prozesses hat nicht funktioniert. Diese Gutachter haben diesen Aufsatz einfach durchgelassen. Obwohl von Anfang an feststand, da sind ganz große Scheunentore offen, da sind Sachen nicht ganz stimmig. Was aber funktioniert hat, ist, wie die Wissenschaft dann damit umgeht. Es hat sofort Proteste gegeben. Und es sind sofort Gruppen angekommen, die jetzt halt den Nachweis gebracht haben, es ist nicht so.
Dagmar Röhrlich: Am 2. Dezember 2010 hat es diese berühmt gewordene NASA-Pressekonferenz gegeben, wo verkündet worden ist, dass im kalifornischen Mono Lake dieses Bakterium lebt, das das Stoffwechselgift Arsen anstelle von Phosphor als Lebensbaustein nutzt. Sogar in die DNA sollte es es einbauen können. Da hätten alle Chemiebücher, alle Biologiebücher umgeschrieben werden müssen. Denn das gilt als unmöglich. Weil diese arsenhaltigen Verbindungen in einem Körper eigentlich nicht stabil sein sollten - da das Arsen wasserlöslicher ist. Und das Leben nach Art der Erde wäre auf den Kopf gestellt worden, wie man gedacht hat, dass es ist. Ja, und jetzt halt es halt diese beiden Veröffentlichungen gegeben, nach einigen anderen Kritiken, die schon vorher veröffentlicht worden sind. Es sind Wissenschaftler der ETH Zürich, von Princeton, und der University of British Columbia in Vancouver. Zwei unabhängige Gruppen, die unabhängig voneinander das Ganze angeschaut haben und die jetzt sagen, dieser Bakterienstamm, der GFAJ-1 heißt, ist ein ganz normales Lebewesen, wirklich klassisch nach Art der Erde.
Seynsche: Was haben denn die beiden Forschergruppen jetzt genau gemacht?
Röhrlich: Es wurden verschiedene Experimente durchgeführt. Unter anderem ist eingewandt worden, dass die Nährlösung, die in dem Original-Experiment verwendet worden ist, noch Reste von Phosphaten enthalten hat. Und wenn man die Nährlösung weiter reinigt, dann wächst auch dieses Bakterium nicht mehr, sprich: Diese Behauptung, es wächst, obwohl nur noch Arsen da ist und kein Phosphor mehr, stimmt einfach nicht. Wenn kein Phosphor mehr da ist, wächst auch dieses Bakterium nicht mehr. Man hat auch festgestellt, dass ein Zuckermolekül, das arsenhaltig ist, und von dem die Forscher behauptet hatten, das ist durch den Stoffwechsel des Bakteriums entstanden, ... dass das zwar in dem Bakterium tatsächlich existiert, aber rein chemisch entsteht - einfach durch chemische Reaktion, ohne dass der Stoffwechsel des Bakteriums da irgendwie eingreift. Und diese spontan entstehenden Verbindungen waren auch der Grund, warum man gesagt hat, dass dieses Bakterium Arsen in seine Erbsubstanz DNA einbauen kann. Und das hat sich dann, als man die DNA genau angeschaut hat, auch als falsch herausgestellt. Sprich: Dieses Bakterium hat einen ganz normalen Stoffwechsel. Es braucht Phosphate. Ohne Phosphate geht's halt nicht. Es kann nur ungeheuer gut mit Arsen umgehen.
Seynsche: Das heißt, dieses Bakterium ist komplett von dieser Welt, hat nichts Außerirdisches?
Röhrlich: Es ist komplett von dieser Welt, ist aber schon etwas Besonderes, weil es so ungeheuer effizient darin ist, zum einen Arsen aus dem Körper rauszuhalten und zum anderen: Wenn es Arsen reinbekommt, das wieder rauszuschaffen. Und das wird jetzt wohl auch erforscht werden, wie es das macht. Denn das ist schon etwas Besonderes.
Seynsche: Wenn Sie das erzählten, klingt das so, als ob bei der Originalveröffentlichung, bei den Laborarbeiten ziemlich geschlampt worden sein muss.
Röhrlich: Man hat zumindest nicht sorgfältig genug gearbeitet. Carl Sagan, der Astronom, hat ja mal gesagt, wer große Behauptungen aufstellt, muss auch sehr genaue Nachweise liefern. Und das ist hier nicht passiert. Das Ganze lehrt, dass es immer sehr gefährlich ist, wenn man mit vorgefassten Meinungen an etwas herangeht. Die treibende Forscherin war schon immer davon überzeugt, dass Arsen ein Lebensbaustein sein kann, der Phosphor ersetzen kann, und hat halt geforscht und ist dann in diese Richtung immer weiter reingedriftet. Und für die NASA, die das Ganze dann so große gepusht hat, war das natürlich auch ein gefundenes Fressen. Das hätte ja bedeutet, dass Leben auf anderen Planeten oder Monden völlig anders aussehen könnte als auf der Erde und dass man mit ganz anderen Lebensbausteinen arbeiten könnte. Die waren begeistert. Und so haben halt alle Mechanismen, die normalerweise greifen und solche Sachen vorher rausziehen, einfach versagt.
Seynsche: Heißt das, die Wissenschaft hat in diesem Fall versagt?
Röhrlich: Dass es veröffentlicht worden ist, ist schon eigentlich ein nicht so gutes Zeichen. "Science" ist eine Zeitschrift, die vorher Gutachter anschauen lässt, ist das jetzt wert, dass es veröffentlicht wird oder nicht, oder sind da Fehler drin? Und dieser Teil des Prozesses hat nicht funktioniert. Diese Gutachter haben diesen Aufsatz einfach durchgelassen. Obwohl von Anfang an feststand, da sind ganz große Scheunentore offen, da sind Sachen nicht ganz stimmig. Was aber funktioniert hat, ist, wie die Wissenschaft dann damit umgeht. Es hat sofort Proteste gegeben. Und es sind sofort Gruppen angekommen, die jetzt halt den Nachweis gebracht haben, es ist nicht so.